Das Magazin 1 - 2018

ANTIBIOTIKA- EINNAHME: KÜRZER UND KOMPLIZIERTER Seit der Entdeckung des Penizillins im Jahr 1928 sind einige der zuvor häufigsten tödlichen Krankheiten heilbar: Wundsepsis, Lungenentzün- dung, Nierenentzündung, Herzklap- penentzündung. Seither hieß es selbst bei leichteren Infektionen: Mindestens eine Woche beziehungs- weise die komplette Packung sollte das Antibiotikum eingenommen werden, damit es sicher wirkt. „Von diesem Dogma haben wir uns verab- schiedet“, sagt Professor Dr. Win- fried Kern, Leiter der Abteilung In- fektiologie der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg. Vielmehr hängt die Be- handlungsdauer heute von dem bak- teriellen Erreger, dem Wirkstoff und dem Zustand des Patienten ab. „In manchen Fällen, wie bei einer un- komplizierten Harnwegsinfektion, können ein bis drei Tage Behand- lung ausreichen. In anderen Fällen, vor allem bei chronischen Entzün- dungen, ist weiterhin eine langfris- tige Therapie angeraten“, sagt der Infektiologe. RESISTENZEN – EINE ERNSTZUNEHMENDE GEFAHR Anders als lange gedacht, ent­ wickeln sich Antibiotika-Resisten- zen oft nicht erst im Laufe der Behandlung, sondern bestehen schon vorher. „Eine zu lange Anti- biotikagabe dürfte eher die Ausbrei- tung resistenter Bakterien beför- dern, weil nicht-resistente Bakterien aus dem Weg geschafft werden“, sagt Kern. Um möglichst vielen Ärzten einen sorgsamen Umgang mit Antibiotika beizubringen, star- tete Kern 2010 mit Ärzten des Universitätsklinikums Freiburg die Fortbildungsinitiative „Antibiotic Stewardship“. Mittlerweile wird sie bundesweit angeboten, von hun- derten Ärzten wahrgenom- men und Lange Zeit galt: Antibiotika sollten eine fixe Dauer genommen werden. Mittlerweile wissen Ärzte immer besser, wo eine kurze Einnahme ausreicht – und entlasten damit die Patienten. sie wurde vom Bundesministerium für Gesundheit als „Best practice“ bei der Minimierung von Antibioti- ka-Resistenzen ausgezeichnet. WETTERKARTE FÜR RESISTENTE ERREGER „Wir wissen aus früheren Studien, dass sich resistente Erreger zunächst vor allem innerhalb regionaler Ver- sorgungsnetze ausbreiten, also etwa zwischen Krankenhäusern und nie- dergelassenen Ärzten“, sagt Profes- sor Dr. Hajo Grundmann, Leiter des Instituts für Infektionsprävention und Krankenhaushygiene am Uni- versitätsklinikum Freiburg. Derzeit koordiniert er eine europaweite Stu- die, in der Forscher das Erbgut resis- tenter Erreger analysieren. So identi- fizieren sie verwandte Keime und tragen diese auf einer Landkarte ein. „Ärzte oder Behörden können damit zukünftig erkennen, wie sich schwer behandelbare Erreger über Länder- grenzen hinweg ausbreiten, ver- gleichbar mit einer Gewitterfront auf der Wetterkarte. So könnte im besten Fall rechtzeitig gegenge­ steuert werden“, sagt Grundmann. I 20 das magazin 01 | 2018

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