Tiefe Hirnstimulation (DBS)
WAS IST DIE TIEFE HIRNSTIMULATION (DBS)?
Die Tiefe Hirnstimulation (THS oder Englisch Deep Brain Stimulation, DBS) ist ein
neurochirurgisches Verfahren, bei dem dünne Elektroden präzise in bestimmte
Bereiche des Gehirns eingeführt werden (Abbildung 1). Diese Elektroden sind
mit einem Impulsgeber verbunden, der ähnlich einem Herzschrittmacher unter
der Haut (meist unterhalb des Schlüsselbeins) platziert wird. Das Gerät sendet
schwache elektrische Impulse an die Zielbereiche im Gehirn, um die Aktivität in
diesen Regionen zu modulieren.

Abb 1: Das DBS-System besteht aus drei Hauptkomponenten. Elektroden: Dünne, isolierte Drähte mit mehreren Kontakten an der Spitze. Verlängerungskabel: Verbinden die Elektroden mit dem Impulsgeber. Impulsgeber (Neurostimulator): Enthält die Batterie und die Elektronik zur Steuerung der Impulse.
WIE FUNKTIONIERT DBS?
Die elektrischen Impulse beeinflussen die Aktivität der Nervenzellen in den
Zielgebieten. Sie können überaktive Nervenzellen beruhigen oder unteraktive
anregen und so gestörte Netzwerke im Gehirn normalisieren. Die Stimulationsparameter
(Frequenz, Pulsdauer, Spannung) werden individuell angepasst, um
die beste Wirkung für den Patienten zu erzielen.
KRANKHEITSBILDER UND ZIELGEBIETE
Wenn bestimmte Erkrankungen mit medikamentösen Maßnahmen nicht mehr
ausreichend behandelbar sind oder diese Medikamente zu unerträglichen Nebenwirkungen
führen, kann die DBS eine Option sein. Im Folgenden erklären wir Ihnen
das Verfahren in der Anwendung bei den wichtigsten Erkrankungen.
MORBUS PARKINSON
Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die
durch den Verlust von Nervenzellen im Gehirn entsteht, die den Botenstoff Dopamin
produzieren. Die klassischen Symptome sind Zittern (Tremor), Muskelsteifheit
(Rigor), verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) und Haltungsinstabilität. Im fortgeschrittenen
Stadium leiden viele Patienten unter starken Schwankungen ihrer
Beweglichkeit (sogenannte ON-OFF-Fluktuationen) und unwillkürlichen Überbewegungen
(Dyskinesien) trotz optimierter meidkamentöser Therapie.
Die DBS-Therapie kommt bei Parkinson-Patienten in Betracht, die grundsätzlich
noch gut auf die medikamentöse Therapie mit L-Dopa ansprechen, aber unter
erheblichen Fluktuationen, Dyskinesien oder anderen Nebenwirkungen leiden.
Eine typgerechte Diagnosestellung und ein Erkrankungsalter unter 70 Jahren
ZIELGEBIETE BEI MORBUS PARKINSON:
1. NUCLEUS SUBTHALAMICUS (STN):
◼ Der am häufigsten gewählte Zielort bei Morbus Parkinson
◼ Meist eingesetzt bei Wirkfluktuationen
◼ Besonders wirksam gegen alle Kardinalsymptome (Tremor, Rigor, Bradykinese)
◼ Ermöglicht oft eine deutliche Reduktion der Medikamentendosis (30-60%)
◼ Kann gelegentlich Stimmungsschwankungen oder kognitive Veränderungen
auslösen
2. GLOBUS PALLIDUS INTERNUS (GPI):
◼ Besonders wirksam gegen Dyskinesien
◼ Geringere Möglichkeit zur Medikamentenreduktion im Vergleich zum STN
◼ Geringeres Risiko für psychiatrische Nebenwirkungen
◼ Bevorzugt bei älteren Patienten oder bei bereits bestehenden kognitiven
Einschränkungen
3. NUCLEUS VENTRALIS INTERMEDIUS THALAMI (VIM):
◼ Wirkt hauptsächlich gegen den Tremor
◼ Weniger Effekt auf andere Parkinson-Symptome
◼ Wird heute seltener verwendet, außer bei Patienten mit tremordominantem
Parkinson
◼ Kann auch beim Essentiellen Tremor eingesetzt werden
Die Wahl des Zielgebiets erfolgt individuell und berücksichtigt die dominierenden
Symptome, das Alter, die kognitiven Fähigkeiten und weitere patientenspezifische
Faktoren. Die DBS kann die Lebensqualität signifikant verbessern, indem
sie die motorischen Symptome um durchschnittlich 60-70% reduziert und die
behandlungsbedingten Komplikationen vermindert.
ESSENTIELLER TREMOR

Abb 2: Typischer Therapieeffekt auf den Tremor unter Behandlung mit der DBS
Der Essentielle Tremor ist die häufigste Bewegungsstörung und betrifft etwa
4-5% der Bevölkerung über 65 Jahre. Im Gegensatz zum Parkinson-Tremor tritt er
typischerweise bei Bewegung oder Haltung auf (Halte- und Aktionstremor) und
bessert sich in Ruhe. Am häufigsten sind die Hände betroffen, aber auch Kopf,
Stimme, Zunge und andere Körperteile können betroffen sein. Die Erkrankung
verläuft oft familiär gehäuft und wird häufig vererbt. Oft bemerken Patienten
eine Besserung schon bei der Einnahme geringer Mengen Alkohol.
Der Essentielle Tremor kann sehr belastend sein und alltägliche Aktivitäten wie
Essen, Trinken, Schreiben oder feine Handarbeiten erheblich beeinträchtigen. Viele
Patienten erleben auch soziale Isolation aufgrund von Schamgefühlen. Die medikamentöse
Therapie mit Propranolol (ein Betablocker) oder Primidon (ein Antiepileptikum)
ist bei etwa 50% der Patienten wirksam, lässt aber mit der Zeit oft nach oder
verursacht unerwünschte Nebenwirkungen.
Die DBS ist bei medikamentös therapieresistentem Essentiellen Tremor eine besonders
wirksame Option. Hauptsächlicher Zielort ist der Nucleus ventralis intermedius
des Thalamus (Vim). Die Stimulation kann das Zittern um 80-90% reduzieren,
was zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität führt. Die Wirkung bleibt
in der Regel über viele Jahre bestehen, kann aber bei einigen Patienten mit der Zeit
nachlassen (Habituation). Typische Kandidaten für eine DBS sind Patienten mit
schwerem, behindertem Tremor, der auf Medikamente nicht ausreichend anspricht
und den Alltag erheblich einschränkt. Das Alter spielt eine geringere Rolle als bei
Parkinson, solange der allgemeine Gesundheitszustand eine Operation zulässt.
Abb 2: