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6/2016

Sucht am Arbeitsplatz: Was Vorgesetzte von Suchtkranken lernen können und wie die Uniklinik ihre

Führungskräfte mit einem Handlungskonzept unterstützt

Suchtprobleme am Arbeitsplatz?

Das betrifft nicht nur den einzel-

nen Menschen, sondern auch

sein berufliches Umfeld. Joa-

chim Tschocke und Christine

Guist als Vorgesetzte wissen,

was das bedeuten kann. Der Lei-

ter der Casino-Betriebe und

die Hauswirtschaftliche Betriebs-

leiterin, beide aus dem Ge-

schäftsbereich 3, hatten bereits

mehrfach Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter mit Suchterkrankun-

gen in ihren Teams. Suchter-

krankungen kommen in allen

Gesellschaftsschichten und Be-

rufsgruppen vor. Weil der Um-

gang mit Suchtproblematiken

am Arbeitsplatz eine Führungs-

aufgabe ist, gibt es professionel-

le Unterstützung durch das be-

triebliche Handlungskonzept zur

Suchtprävention. Tschocke und

Guist ließen sich zudem in ei-

nem anderthalbtägigen Seminar

von der Suchtberatungsstelle für

Beschäftigte der Uniklinik pro-

fessionell schulen.

Das Handlungskonzept „Sucht“

gibt Vorgesetzten Sicherheit

„Bei mir ging es in einem Fall

um eine Spiegeltrinkerin, die ei-

nen bestimmten Alkoholpegel

brauchte, um arbeiten zu kön-

nen“, sagt Christine Guist. Die

Mitarbeiterin hatte Konzentra­

tionsschwierigkeiten, war oft

krankgeschrieben. Eine große

Belastung für das Team, doch

was tun? Die Frau war kurz vor

der Rente. Guist wandte sich an

Gerhard Heiner von der Suchtbe-

ratungsstelle der Uniklinik und

bat um Unterstützung. Er ver-

wies sie unter anderem auf das

Handlungskonzept im Umgang

mit Sucht- und substanzbezoge-

nen Störungen bei Mitarbeiterin-

nen und Mitarbeitern. Was beim

Lesen erst mal sperrig klingt,

gab Guist „Sicherheit und Hin-

tergrundwissen“. Das bestätigt

auch Joachim Tschocke. Sicher-

heit gibt es zum Beispiel darin,

dass ein Vorgesetzter darauf hin-

weisen darf, dass das Suchtver-

halten den Arbeitsplatz gefährde,

aber auch dem Team schade.

„Klarheit ist sehr wichtig.“

Aus dem Führungskräftetrai-

ning „Sucht“, das alle Führungs-

kräfte am Klinikum verpflich-

tend

wahrnehmen

sollten,

nahmen Guist und Tschocke vie-

le wertvolle Anregungen mit in

den Alltag. Besonders beein-

druckt hat sie der Besuch in ei-

ner Suchtklinik im Raum Frei-

burg. Zwei Frauen gaben dort

freimütig über ihre Krankheit

Auskunft. Eine davon kämpfte,

erinnert sich Christine Guist,

zwölf Jahre mit ihrer Suchtpro­

blematik am Arbeitsplatz eines

anderen Arbeitgebers. Und nie-

mand hat ihr dort jemals gehol-

fen. Diese Frauen, sagt Joachim

Tschocke, wollten in ihrer Hilf-

losigkeit wahrgenommen wer-

den, doch der Arbeitgeber sei

das Problem trotz der Belastung

für das Team nicht angegangen.

„Da wurde mir bewusst“, sagt

„Klarheit ist sehr wichtig“

Christine Guist, „dass wir uns

dem als Führungskraft rechtzei-

tig stellen müssen.“ Diese Frau-

en hätten sich zutiefst gewünscht,

dass der Arbeitgeber schon früh

„Stopp“ sagt. Genau das wird an

der Uniklinik in den Seminaren

trainiert und vertieft.

DieWirkung von Aussagen

Betroffener ist unüberbietbar

„In den Seminaren“, sagt Ger-

hard Heiner, „wird grundlegen-

des Wissen zur Früherkennung

von Suchtentwicklungen und

das Vorgehen nach dem Stufen-

plan des Handlungskonzepts

vermittelt. Die Gespräche mit

den Suchtkranken beseitigen die

Hemmschwellen vor dem ersten

Gespräch besser, als dies ein Se-

minarleiter könnte; denn die

Wirkung der klaren und authenti-

schen Aussagen Betroffener

kann man nicht überbieten.“ Die

erworbenen

Grundkenntnisse

und die Erfahrungen aus diesen

Gesprächen des ersten Seminar-

tages sind die Basis für die Ge-

sprächsübungen des zweiten Ta-

ges. Es geht darum: Wie spreche

ich Mitarbeiter an? Wie gehe ich

mit Ausflüchten und aggressiven

Reaktionen um? Wie nehme ich

Ärger im Team raus? Denn beim

Gespräch mit einem suchtkran-

ken Mitarbeiter „geht es zentral

um Kommunikation“, sagt Ger-

hard Heiner.

Kontakt:

Gerhard Heiner und

Priska Beringer

Mo–Fr, 9–12 Uhr und nach

Vereinbarung

Tel.: 0761/2 70-60 180 und

-60280

gerhard.heiner@uniklinik

-

freiburg.de

priska.beringer@uniklinik

-

freiburg.de

Die Beratung ist vertraulich

und unterliegt der gesetzlichen

Schweigepflicht (§ 203 StGB).

Sie ist auf Wunsch anonym.

Suchtberatung

Gerhard Heiner von der

Suchtberatungsstelle berät

Betroffene und unterstützt

Führungskräfte

Als zentraler Baustein

des Suchtpräventionspro-

gramms für Beschäftigte

wurden im Jahr 2014 ver-

bindliche Schulungen für

die Führungskräfte der

Verwaltung

aufgenom-

men. Seit 2015 sind die-

se Basisseminare andert-

halbtägig und beinhalten

den halbtägigen Besuch

einer Rehabilitationskli-

nik für Suchtkranke. Die

Suchtberatungsstelle hat

vom Januar 2014 bis zum

April 2016 in zwölf Semi-

naren 132 Führungskräfte

der Verwaltung geschult.

Für neu in die Verwaltung

eintretende

Führungs-

kräfte wird dieses Semi-

nar in regelmäßigem Ab-

stand wiederholt werden,

um so den erreichten

Kenntnisstand langfristig

zu erhalten.

Basisseminar

für Führungs-

kräfte