Vermeintlicher Lungentumor hat tierische Ursache
Thoraxchirurgie(10.04.2019) Wegen einer dunklen Stelle auf dem Röntgenbild ihrer Lunge wird eine Patientin an das Universitätsklinikum Freiburg überwiesen. Der Verdacht: Lungenkrebs. Doch die Spezialisten finden ein Phänomen, das eigentlich nur von Hunden bekannt ist.
Wegen eines hartnäckigen Hustens geht die 62-jährige Paula T.* zum Arzt. Doch der entdeckt auf dem Röntgenbild eine ungewöhnliche Veränderung tief unten in der Lunge, so groß wie eine Ein-Euro-Münze. „Eine solche Verschattung kann auf einen Lungentumor hindeuten und sollte möglichst bald von einem Experten abgeklärt werden“, sagt Professor Dr. Bernward Passlick, Ärztlicher Direktor der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Er leitet das Lungenkrebszentrum des Universitätsklinikums Freiburg, an dem jährlich mehr als 1.300 Patientinnen und Patienten behandelt werden.
Auf dem Röntgenbild sah die dunkle Stelle aus wie ein Tumor. Doch bei der Untersuchung des Gewebes zeigte sich ein völlig anderer Grund. © Nonwarit / fotolia
Mit diesem Verdacht wird Paula T. an das Universitätsklinikum Freiburg überwiesen. Körperlich ist sie in guter Verfassung und auch die Blutuntersuchung zeigt keine Hinweise auf eine Krebserkrankung. Doch in der Computertomografie sehen die Ärzte deutlich eine Gewebsveränderung. „Der Bereich war klar vom restlichen Lungengewebe abgegrenzt, wie es bei Tumoren oft der Fall ist“, sagt der Arzt Konstantin Grapatsas von der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Er behandelt die Patientin.
Lungen-OP: Minimalinvasiv und besonders schonend
Obwohl das verdächtige Gewebe tief im untersten Lungenlappen liegt, entschließen sich die Freiburger Thoraxchirurgen für einen minimalinvasiven Eingriff. Bei dem video-assistierten thoraskopischen Eingriff (VATS) wird das kranke Gewebe über drei kleine Körperöffnungen entfernt. Mit einer winzigen, hochauflösenden Kamera kontrollieren die Chirurgen jeden Schritt und Schnitt. „Minimal-invasive Lungenresektionen sind technisch anspruchsvoller als offene Standardoperationen. Dafür muss das Team gut geschult und eingespielt sein“, sagt Professor Passlick. „Aber für den Patienten bringen sie deutliche Vorteile: Der Eingriff ist weniger schmerzhaft, die Patienten erholen sich schneller und sind meist nach kurzer Zeit wieder belastbar.“
In einem 30-minütigen Eingriff entfernen die Thoraxchirurgen das verdächtige Gewebe vollständig aus Paula T.s Lunge. Noch während der Operation wird es von einem Pathologen untersucht. Die gute Nachricht lautet: Es ist kein Tumor.
Während die Patientin bereits drei Tage später das Krankenhaus wohlauf verlassen kann, rätseln die Thoraxchirurgen und Pathologen des Universitätsklinikums Freiburg weiter. Bei der genauen Analyse der Feingewebeschnitte entdecken sie schließlich ungewöhnliche runde Strukturen in einem Blutgefäß.
In einem Blutgefäß fanden die Ärzte runde Strukturen. Das brachte sie auf die Lösung des Rätsels. © Universitätsklinikum Freiburg
Ein Wurm verläuft sich in die Lunge – erst 400 Fälle weltweit
Als die Pathologen die kreisrunden Formen entdecken, liegt der Verdacht nahe, dass es ein Parasit ist. Schließlich können die Ärzte die genaue Wurmart identifizieren: Der sogenannte Herzwurm, Dirofilaria immitis genannt, war in das Lungengewebe eingewandert. „Ein Lungenbefall durch diese Wurmart ist extrem selten. Weltweit wurden bisher weniger als 400 Fälle berichtet“, sagt Professor Passlick. Betroffene berichten von Atemnot, kaltem Schweiß und blutigem Husten.
Eigentlich hat es der von Stechmücken übertragene Fadenwurm auf Hunde abgesehen. Die können an einer Infektion sterben. Beim Menschen hingegen stirbt der Parasit recht bald ab. Das Immunsystem kapselt den Eindringling ab. Diese Ummantelung des Wurms war auf dem Röntgenbild von Paula T. zu sehen.
In der Vergangenheit ist der Parasit vor allem bei Hunden in Südeuropa berichtet worden. „Es scheint aber, dass sich der Wurm in den letzten Jahren verstärkt nach Nordeuropa ausbreitet“, sagt Professor Passlick. Inwiefern diese Ausbreitung den Menschen gefährdet, ist noch nicht klar. Denn der Übertragungsweg auf den Menschen ist bislang unbekannt. Für Betroffene ist vor allem entscheidend, dass sie nicht fälschlich eine Krebsbehandlung erhalten. Dann können sie schnell geheilt werden – so wie Paula T.
* Name von der Redaktion geändert
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