Das Magazin 1 - 2014 - page 8-9

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Schützende Gase
Freiburger Anästhesiologen untersuchen,
wie sich operationsbedingte Schäden
an Organen vermeiden lassen.
„Als ichmit meinen Versuchen ange-
fangen habe, war die häufigste Reak-
tion: Bist Du wahnsinnig – Kohlen-
monoxid ist doch giftig!“ Oberarzt
PD Dr. Ulrich Göbel ließ sich davon
nicht beirren und erforscht bis heute,
wie Gase Organe vor Schäden schüt-
zen können, die während oder durch
eine Operation entstehen. Schließ-
lich gelte für Kohlenstoffmonoxid
genau wie für Gummibärchen: „Erst
die Dosis macht das Gift.“
Göbel ist kommissarischer Leiter
der Sektion Experimentelle Anäs-
thesiologie am Universitätsklini-
kum Freiburg. Gemeinsam mit der
Forschungsgruppe Organprotektion
sucht er im Labor nach Lösungen für
Probleme, die bei bestimmten Opera-
tionen immer wieder auftreten. Sein
Fachgebiet ist der Schutz von Orga-
nen vor Schäden, die durch mangel-
hafte Durchblutung während einer
Operation entstehen können. Dies ist
häufig bei Herzoperationen der Fall:
Wenn für die Dauer der Operation
eine Herz-Lungen-Maschine die Ar-
beit des Herzens übernimmt, dabei
das Blut mit Sauerstoff anreichert
und durch den Körper pumpt, kommt
es bei ungefähr einem Drittel der
Patienten zu Lungenproblemen. Im
schwammartigen Gewebe der still-
gelegten Lunge wird Flüssigkeit ein-
gelagert, die leichten Husten, eine
Lungenentzündung oder in seltenen
Fällen akutes Lungenversagen ver-
ursachen kann. Laborstudien zeigen,
dass sich solche Folgeschäden durch
die vorbeugende Inhalation von ge-
ringsten Mengen Kohlenstoffmono-
xid oder Schwefelwasserstoff ent-
scheidend vermindern lassen.
Die inhalierten Gase machen die
Zellen der gefährdeten Organe fit
für eine mögliche Unterversorgung.
Dieser Effekt lässt
sich sowohl vorbeu-
gend als auch nach-
träglich
erzielen:
Göbel spricht von
Prä- beziehungsweise
Postkonditionierung.
Zusammenmit Profes-
sor Dr. Torsten Loop
und drei Mitarbeitern
erforscht er beide Ar-
ten der Zellkonditio-
nierung: „Wir wollen
die Konditionierungs-
effekte verschiedener
Gase und gasförmiger
Moleküle
systema-
tisch nachweisen, er-
klären und bekannt
machen“, sagt Göbel. Die positiven
Effekte von Kohlenstoffmonoxid
auf Lungenzellen konnten die Nar-
kosespezialisten in Kooperation mit
Herz- und Gefäßchirurgen im Labor
bereits sehr gut belegen.
Im Bereich der Postkonditionie-
rung untersuchen sie, wie Nerven-
zellen nach einem Schlaganfall vor
dem Absterben bewahrt werden
können. Bei einem Schlaganfall stö-
ren Blutgerinnsel oder Gefäßveren-
gungen die Durchblutung bestimm-
ter Gehirnareale, in den betroffenen
Zellen kommt es zu Sauerstoff- und
Nährstoffmangel. Es bleibt ein Zeit-
fenster von ein bis drei Stunden, be-
vor dauerhafte Gehirnschäden ein-
treten. Je früher eingegriffen wird,
desto besser, denn „Time is brain“,
erklärt Göbel.
Dieses Zeitfenster möchten Gö-
bel und seine Kollegen nutzen, um
Schutzmechanismen der Zellen
zu aktivieren, die sie die fehlende
Durchblutung besser verkraften
lassen. In ihren Studien konzent-
rieren sie sich auf die Nervenzellen
in der Netzhaut des Auges, da diese
einen Teil des Gehirns darstellt, der
besonders leicht zugänglich ist. Ge-
meinsam mit Professor Dr. Lagrèze
und Privatdozentin Dr. Biermann
aus der Klinik für Augenheilkunde
untersuchen sie in einem von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft
geförderten Projekt, welche Gase be-
sonders schützend wirken, wenn sie
kurz nach einer Unterversorgung in-
haliert oder als „Releasing Molekül“
injiziert werden. Dabei kann sich
die Gabe von chemisch gebundenem
Kohlenstoffmonoxid bewähren, das
bei seiner Freisetzung eine Hitze-
schockantwort hervorruft und die
Zelle dadurch weniger verletzlich
macht.
„Auch das Edelgas Argon zeigt
protektive Effekte. Hier stehen wir
aber noch ganz am Anfang unserer
Untersuchungen, was die genaue
Funktionsweise angeht“, so Göbel.
Die Freiburger Anästhesiologen blei-
ben den schützenden Gasen jeden-
falls auf der Spur.
Die inhalierten Gase machen die
Zellen der gefährdeten Organe fit
für eine mögliche Unterversorgung
– Experimentelle
Anästhesiologie
Eines der aktuellen „CO-RMs“, mit denen die Sektion Experimentelle
Anästhesiologie am Universitätsklinikum Freiburg arbeitet
(CO-RM: „carbon monoxide releasing molecule“)
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Der Vergle i ch
Die gesunde Lunge eines
Schweines
Die Lunge eines Schweines,
das für zwei Stunden an der
Herz-Lungen-Maschine
gelebt hat
Die Lunge eines Schweines, das
auch für zwei Stunden an der
Herz-Lungen-Maschine gelebt hat,
aber vorher 500 ppm Kohlenstoff-
monoxid (CO) für den Zeitraum
einer Stunde inhaliert hat
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