Das Magazin 2 - 2013 - page 16-17

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Selbstständigkeit zu gewinnen und da-
durch wieder Lebensqualität zu erfahren.
Das am Universitätsklinikum Frei-
burg individuell abgestimmte Therapie-
programm umfasst neben Physiotherapie,
physikalischen Maßnahmen, Ergothera-
pie und Logopädie auch Sozial-, Ernäh-
rungs- und Pflegeberatung sowie die ärzt-
liche Begleitung. Beeinträchtigungen im
Denken werden durch neuropsychologi-
sche Testverfahren berücksichtigt und in
das Therapiekonzept integriert. Diese
Maßnahmen helfen, um wieder gang-
sicherer zu werden, Beeinträchtigungen
in der Geschicklichkeit zu überwinden,
Sprech- und Schluckstörungen zu lindern,
aber auch Denkprozesse zu verbessern.
Neben aktivierender Pflege in Absprache
mit den Therapeuten findet eine ausführ­
liche Sozialberatung bei persönlichen,
sozialrechtlichen und finanziellen Fra-
gen und wohnortnahen Unterstützungs-
möglichkeiten statt.
Wenn die Kräfte
nachlassen
Wer im höheren Alter eine Rehabilitation braucht,
muss nicht zwangsläufig in stationäre Behandlung.
Am Universitätsklinikum Freiburg wird eine
Ambulante Geriatrische Rehabilitation angeboten
Die Ambulante Geriatrische Rehabilita­
tion (AGR) wird in den Räumen des Zen-
trums für Geriatrie und Gerontologie
(ZGGF) und im Neurozentrum für Patien-
ten ab dem 65. Lebensjahr angeboten.
Eine Einrichtung, wie es sie nur selten in
Baden-Württemberg gibt. Ihr Ärztlicher
Leiter Dr. Bernhard Heimbach berichtet,
dass es ältere Patienten besonders schät-
zen, bei ihrer Familie bleiben zu können
und nicht das gewohnte häusliche Umfeld
verlassen zu müssen. Wenn die Mobilität
und die Kräfte in der selbstständigen
Lebensführung nachlassen, kann die AGR
helfen. Denn Erkrankungen und Behin-
derungen im Alter können die Selbst-
ständigkeit im Alltag und das seelische
Wohlbefinden beeinträchtigen.
Viele ältere Menschen können sich
nicht mehr gut bewegen oder haben Angst
vor Stürzen. Geschicklichkeit und Ge-
dächtnis lassen nach. Dies kann dazu
führen, dass zum Beispiel das Baden,
Ankleiden oder Einkaufen, der Besuch
der Kirche oder von Freunden und Ver-
wandten schwerer fällt. Dr. Bernhard
Heimbach erläutert die Ziele der AGR:
Durch ein hochprofessionelles Therapie-
angebot den Menschen zu helfen, ihre
Einschränkungen zu überwinden, mehr
Auch das Gehen mit
dem Rollator will
gelernt sein. Selbst
richtig bremsen
ist manchmal gar
nicht so einfach
Voraussetzung für die AGR
ist neben der Diagnostik
die ausreichende Mobilität
In etwa 85 Prozent der Fälle kann die drohende Pflegebedürftigkeit
durch die Ambulante Geriatrische Rehabilitation vermieden werden.
Dieses Fazit ist im Hinblick auf die Wiedererlangung von Selbstständigkeit und
Lebensqualität beeindruckend. Die Ergebnisse von mehr als 350 Teilnehmern an
der AGR werden dieses Jahr auf Fachkongressen vorgestellt. In der Regel
kommen Patienten fünf bis sieben Wochen in die ambulante Therapieeinrich-
tung; meist an drei Therapietagen pro Woche für je vier bis sechs Stunden.
Adelheid Schuster (alle Namen geän-
dert) lässt sich mit dem Taxi zur ambulan-
ten Reha bringen. Nach mehreren Stürzen
drohte bei ihr die Gefahr, wieder zu stür-
zen und sich dabei einen Oberschenkel-
halsbruch zuzuziehen. Deshalb übt sie
fleißig mit den Therapeuten. Mithilfe der
exakten therapeutischen Analyse und des
auf Frau Schuster zugeschnittenen Haus-
programms zum eigenständigen Üben
kann sie jetzt das Haus wieder ohne
Rollator verlassen und den 200 Meter ent-
fernten Einkaufsladen sicher erreichen.
Susanne Klein muss erst lernen, wieder
auf die „Beine zu kommen“. Bei einem
Sturz hat sie sich das Handgelenk ge-
brochen. Wegen der bei der AGR zutage
getretenen Parkinsonschen Erkrankung
wird sie zusätzlich medikamentös einge-
stellt und es werden parkinsonspezifische
Therapieprinzipien in das multimodale
Therapiekonzept integriert.
Die Intensität der Behandlung wird an
das jeweilige Leistungsvermögen der Pa-
tienten ganz individuell angepasst, erklärt
Dr. Heimbach. Zur Kompensation werden
auch Alltagshilfen wie Rollatoren, Roll-
stuhl oder Haltegriffe berücksichtigt. Bei
Bedarf werden auch Hausbesuche durch-
geführt, um Hilfsmittel an die Wohnum-
gebung anzupassen oder auf Sturzfallen
zu überprüfen. In seltenen Fällen muss an
eine Pflegestufe gedacht werden, gerade
wenn sich die Grunderkrankung wäh-
rend der Rehabilitation verändert. Diese
besonderen Aspekte werden durch eine
geriatrische Fachpflegekraft abgedeckt.
Die AGR wird in der Regel vom Haus-
oder Facharzt selbst beantragt oder von
der Geriatrischen Ambulanz im ZGGF
nach Zuweisung vom Hausarzt oder
Facharzt (Heilverfahren). Bei stationären
Patienten wird die Beantragung durch
den Stationsarzt in Zusammenarbeit
mit den Sozialdiensten (Anschlussheil-
behandlung) veranlasst.
Voraussetzung für die AGR ist neben
der abgeschlossenen Diagnostik eine
ausreichende Mobilität. Das heißt, die
Patienten müssen mindestens mit dem
Taxi kommen können und die häusliche
Versorgung muss gesichert sein.
„Wir sind davon überzeugt“, sagt Dr.
Bernhard Heimbach, „dass geeignete
Rehamaßnahmen helfen können, die
Pflegebedürftigkeit zu verhindern.“
Beim Ballspielen mit dem
Physiotherapeuten trainiert
die Patientin ihre
motorischen Fähigkeiten
Treppensteigen ist
schwerer, als man
denkt. In der Ergothe-
rapie wird es geübt
Kontakt
Ambulante Geriatrische
Rehabilitation
Dr. Bernhard Heimbach
Tel.: 0761/2 70-70980
bernhard.heimbach@
uniklinik-freiburg.de
85 %
Die Symptombilder der Patienten,
erläutert Dr. Bernhard Heimbach,
sind vielfältig: zum Beispiel Halbsei-
tenschwäche oder Sprachstörung
nach Schlaganfall, Bewegungs- und
Koordinationsstörungen bei Mor-
bus Parkinsonoder Polyneuropathie,
herabgesetzte Ausdauerleistungen
bei Herz- und Lungenerkrankungen
oder Behinderungen nach Amputa-
tion. Aber auch mangelnde Beweg-
lichkeit nach Hüft- oder Knieopera-
tionen, Gleichgewichtsstörungen,
Stürze, Osteoporose, eine allge-
meine Schwäche nach schweren
Erkrankungen, Stimmungslabilität,
Ernährungsstörungen oder kogni-
tive Einschränkungen werden im
multidisziplinären
Therapeuten-
team berücksichtigt.
Vielfältige
Symptome
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