Das Magazin 2 - 2013 - page 12

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Wenn ein Kind vom
Schlag getroffen wird
In Deutschland erleiden 600 bis 800 Kinder und Jugendliche jährlich einen Schlaganfall.
ZumVergleich: Bei Erwachsenen sind es mehr als 200000 Fälle pro Jahr. So dramatisch
ein Schlaganfall im Kindesalter also sein mag – so ist er glücklicherweise doch sehr selten
Wenn ein Erwachsener einen Schlaganfall
erleidet, ist das meist sehr offensichtlich.
Er kann nicht mehr sprechen oder eine
Körperhälfte nicht mehr bewegen. Auch
Kinder werden vom Schlag getroffen –
doch ihre Symptome sind meist viel un-
auffälliger. Bereits im Mutterleib kann ein
Kind einen Hirninfarkt erleiden. Am
meisten gefährdet sind Neugeborene, ab
dem zweiten Lebensjahr sinkt das Risiko
und nimmt erst ab dem Jugendalter wie-
der langsam zu. Ein bereits erfolgter In-
farkt kann sich wie bei Erwachsenen
durch Lähmungen äußern; doch auch
Krampfanfälle, häufige Stürze oder ein
unsicherer Gang können Anzeichen sein.
„Die Symptome sind gerade bei kleinen
Kindern nicht immer eindeutig. Deshalb
kann es sein, dass sie erst im Laufe der
Entwicklung entdeckt werden“, erklärt
Dr. Janbernd Kirschner, Leitender Ober-
arzt der Klinik für Neuropädiatrie und
Muskelerkrankungen am Zentrum für
Kinder- und Jugendmedizin des Universi-
tätsklinikums Freiburg.Als Beispiel nennt
Kirschner die Handmotorik. Bei einem
kleinen Baby falle eine Störung der Hand-
motorik vielleicht gar nicht auf, sie zeige
sich erst dann, wenn feinmotorisch mehr
erforderlich werde. „Die Zeit zwischen
einem Arztbesuch und der Diagnose ist
bei Kindern meist länger als bei Erwach-
senen“, erklärt der Kinderneurologe. Hin-
zu komme, dass die Diagnosestellung
über eine MRT-Bildgebung bei Säuglin-
gen und Kleinkindern aufwendiger sei.
Die Säuglinge und Kleinkinder müssen
während der Untersuchung sediert wer-
den, daher bestehen oft Hemmungen, die-
se frühzeitig und schnell durchzuführen,
wenn die Symptomatik nicht eindeutig ist.
Während bei Erwachsenen hauptsächlich
verkalkte Arterien zum Unglück führen,
liegt es bei den kleinen Patienten laut dem
ESPED-Register für seltene pädiatrische
Erkrankungen in zwei Dritteln der Fäl-
le an einer gestörten Gerinnung; das
heißt, hier werden meist angeborene
Thromboserisikofaktoren nachge-
wiesen. Dementsprechend werden
die Kinder mit Gerinnungshem-
mern und thrombozytenhemmenden Me-
dikamenten behandelt.Weitere 20 Prozent
der im ESPED-Register erfassten Kinder
haben angeborene Gefäßkrankheiten, 10
Prozent leiden unter Stoffwechsel- und
Herzerkrankungen und 10 Prozent hatten
bestimmte Viruserkrankungen. „Bei
schwer verlaufenden Infektionen, insbe-
sondere Virusinfektionen wie Windpo-
cken, können eine Gefäßwandschädigung
und Gerinnungsaktivierung mit über-
schießender Thrombenbildung auftreten“,
erklärt Professor Dr. Barbara Zieger, Spe-
zialistin für kindliche Gerinnungsstörun-
gen am Zentrum für Kinder- und Jugend-
medizin. In der Regel erholen sich Kinder
von einem Schlaganfall aber besser als
Erwachsene. Dies liege vor allem an der
größeren Plastizität des kindlichen Ge-
hirns. „Das kindliche Gehirn kann sich
Die Symptome eines
Schlaganfalls sind bei
Kindern meist
unauffälliger als bei
Erwachsenen
Kontakt
Notfallnummern
des Zentrums für Kinder- und
Jugendmedizin Freiburg
Tel.: 0761/2 70-43030
oder -43000
viel besser an neue Erfordernisse anpas-
sen als das eines Erwachsenen“, erklärt
Kirschner. „So können bei Kindern ande-
re Gehirnareale die fehlenden Funktionen
übernehmen, wenn ein Bereich geschä-
digt ist.“ Weil ihr Gehirn noch so viel
wegstecken könne, sei eine gezielte Reha-
bilitation und gute Einstellung mit gerin-
nungs- beziehungsweise thrombozyten-
hemmenden Medikamenten bei Kindern
besonders wichtig, erklären Kirschner
und Zieger. Dies erfordere die Einbezie-
hung der Bezugspersonen und entspre-
chend auf Kinder spezialisierte Zentren.
„Bei Neugeborenen hat sich gezeigt, dass
etwa 60 Prozent ohne neurologische Auf-
fälligkeiten entlassen werden. Langfristig
bekommt aber dann doch ein Drittel der
Kinder Probleme, ein Drittel bleibt ganz
ohne Symptome.“
Schuld ist meist zu dickes
Blut – in der Regel erholen
sich Kinder aber schneller
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