Das Magazin 2 - 2014 - page 12-13

Wenn Vater oder Mutter an Krebs er-
kranken, ist das für Kinder oft eine exis-
tenzielle Bedrohung. Bei „Tigerherz“,
einem aus Spenden finanzierten Ver-
sorgungsangebot der Psychosozialen
Krebsberatungsstelle des Tumorzen-
trums – CCCF, bekommen Kinder und
Jugendliche einen Raum für ihre Trau-
er, Wut und Ohnmacht. Aber sie dürfen
auch Spaß haben und werden gestärkt.
„Hier können sich die Gäste nach
demMittagessen hinsetzen und aus-
ruhen und die Tiere beobachten“,
sagt Leah und platziert zwei Bänke
und einen Tisch direkt neben dem
Teich. Daneben kommt ein großer
Kühlschrank – „falls jemand noch
eine Erfrischung möchte“ – und zu
den Enten amUfer gesellen sich noch
ein Fuchs und ein dicker Frosch.
„Keine Sorge, die vertragen sich“,
sagt Leah und lacht. Sie ist acht Jah-
re alt und hockt auf dem Fußboden.
Vor sich hat sie auf dunkelgrünem
Vlies eine große Playmobilland-
schaft aufgebaut – eine Alm, viele
Bäume und jede Menge Tiere. Ihr
großer Bruder Jakob sitzt in einer
anderen Ecke des Raums und stu-
diert konzentriert eine Bauanlei-
tung. Nur noch ein paar wenige
Teile, dann ist seine Murmelbahn
mit Motor fertig.
Die Geschwister verbringen den
Nachmittag bei „Tigerherz“. Der Psy-
chologische Dienst des Tumorzent-
rums Freiburg hat dieses Angebot für
Kinder und Jugendliche Anfang 2007
ins Leben gerufen, heute ist es Teil
der Psychosozialen Krebsberatungs-
stelle des Tumorzentrums. Tigerherz
will für Kinder da sein, wenn ein
Elternteil an Krebs erkrankt. Denn
plötzlich ist alles anders: Auf die
Familie kommen schwierige Situati-
onen zu, jeder nimmt Rücksicht auf
den anderen und oft weiß keiner, wie
man sich jetzt am besten verhält.
Darf man noch Quatsch machen
und lachen? Wie redet man über
Krebs, Chemotherapie oder das
Sterben? Und wo weint man, wenn
Mama gerade selbst ständig traurig
ist? „Bei uns ist alles erlaubt, aber
nichts Pflicht“, sagt Judith Bott.
„Wer reden mag, der redet mit uns,
über Abenteuer in der Schule oder
die Krankheit von Mama, wer lieber
spielen oder basteln mag, der tut
das.“ So wie Leah und Jakob, deren
Vater Krebs hat. Ihre Oma bringt sie
jeden Donnerstag zu Tigerherz.
Judith Bott betreut als Diplom-
heilpädagogin gemeinsam mit ihrer
Kollegin, der Diplompsychologin
Christiane Gresch, die Tigerherz-An-
gebote. Sie arbeiten mit den Kindern
einzeln oder in Gruppen, hören ih-
nen zu oder zeigen ihnen, wie man
aus Holz, Stein und Ton tolle Dinge
entstehen lässt. „Wir versuchen he-
rauszufinden, was jedes Kind gerade
braucht, um dann individuell darauf
einzugehen. Manche Kinder kom-
men nur ein paar Mal, andere über ei-
nen längeren Zeitraum jede Woche“,
erzählt Bott. Auch Zeit für Gesprä-
che mit den Eltern nehmen sich die
Therapeutinnen.
Bezahlen müssen die Familien
für die Tigerherz-Stunden nichts,
kommen darf jedes Kind, so lange
es möchte. Neben den Angeboten in
gemischten Kleingruppen hat auch
der Zauberzirkel viele Fans. Der fin-
det in Kooperation mit KOBRA statt,
einem Projekt aus der Klinik für Pä-
diatrische Hämatologie und Onkolo-
gie, das sich krebskranken Kindern
und ihren Familien widmet. In allen
Gruppen gilt: Es ist für Spaß genauso
viel Raum wie für Gefühle und Sor-
gen.
An einer Staffelei im Tiger-
herz-Raum steht Tim. Er malt mit
dünnen Pinselstrichen zwei Vögel
an den orangefarbenen Himmel.
Vorne tost das Meer, oben am Steil-
hang stehen Kirschbäume in voller
Blüte. „In der Schule wird immer ge-
sagt, was wir malen oder abmalen
E IN RAUM
FÜR TRAUER, WUT – UND SPASS
„Bei uns ist alles erlaubt,
aber nichts Pflicht“
Seit 2007 haben die verschiedenen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
von Tigerherz mehr als 250 Familien
mit mehr als 350 Kindern im Alter
von 4 bis 18 Jahren betreut
Kontakt
Postanschrift: Hugstetter Straße 55
Hausanschrift: Sir-Hans-A.-Krebs-Straße
Robert-Koch-Klinik, 2. OG
79106 Freiburg
Telefon 0761 270-72840
© Luis Louro - Fotolia
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