Das Magazin 3 - 2014 - page 4-5

Knochenmark durch Stress vermeh-
ren. Das heißt, dass die Aktivierung
des sympathischen Nervensystems,
das ist der bei Stress aktive Teil des
vegetativen Nervensystems, über
die Regulation eines körpereigenen
Botenstoffes – dem Faktor CXCL12
– die blutbildenden Stammzellen im
Knochenmark anregt. Diese bilden
dann die bereits erwähnten neutro-
philen Granulozyten und Monozy-
ten. Diese wiederum lagern sich in
den Gefäßwänden ab und können
durch ihren Entzündungsreiz dazu
beitragen, dass Arterien schneller
verstopfen und das Blut nicht mehr
richtig zirkuliert. Ein Herzinfarkt
oder Schlaganfall kann die Folge
sein.
Können Sie daraus einen therapeuti-
schen Ansatz ableiten?
Im Modell konnten wir durch
die experimentelle Gabe eines ß3-
Rezeptorblockers, der den für die
Bildung dieser Entzündungszel-
len
verantwortlichen
Rezeptor
hemmt, gezielt die Vermehrung
der Entzündungszellen begrenzen.
Diese Hemmung durch Gabe eines
ß3-Blockers reduzierte zu-
dem das Fortschreiten einer
entzündlichen Gefäßverkal-
kung, der Atherosklerose. Die
Blockade dieses ß3-Rezeptors
könnte somit ein wichtiger
therapeutischer Ansatzpunkt
werden.
Was kann man tun, um sich vor
Stress zu schützen?
Eine Tablette gegen Stress
gibt es nicht, vielmehr sind
Ve r h a l t e n s ma ß n a h me n
wichtig. Stress tritt dann auf,
wenn das Maß der Gewöhnung
überschritten ist. Wichtig zur Vor-
beugung ist es, einen Ausgleich zu
schaffen, sozusagen ein Ventil. Auch
ausreichend Schlaf ist wichtig. Wer
es schafft, Übergewicht abzubauen
und nicht zu rauchen, tut zudem et-
was Gutes für seine Gesundheit.
Welche Erkenntnis ziehen Sie als Arzt
aus diesem Forschungsergebnis?
Es zeigt sich, dass Stress viel tief-
greifendere Auswirkungen hat, als
bisher bekannt war. Er wirkt sich bis
auf die Stammzellebene aus.
Originaltitel der Arbeit: Chronic vari-
able stress activates hematopoietic
stem cells. Nature Medicine (2014)
doi:10.1038/nm.3589
Chronischer Stress schadet dem Her-
zen, er kann zu einem Herzinfarkt
oder Schlaganfall führen. Die Tatsa-
che ist bekannt, doch erst jetzt gibt
es eine wissenschaftliche Erklärung
dafür, warum andauernder Stress das
Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko er-
höht. Dr. Timo Heidt, Arzt an der Klinik
für Kardiologie und Angiologie I des
Universitäts-Herzzentrums
Freiburg
• Bad Krozingen (Ärztlicher Direktor:
Univ.-Professor Dr. Christoph Bode),
hat gemeinsam mit einem Forscher-
team aus Boston (USA) einen Mecha-
nismus entschlüsselt, wie sich Stress
auf das Immunsystem auswirken, un-
erwünschte Gefäßentzündungen und
als Folge kardio-vaskuläre Krankhei-
ten hervorrufen kann. Die Ergebnisse
wurden in der renommierten Fachzeit-
schrift Nature Medicine publiziert.
Herr Heidt, Sie waren zweieinhalb
Jahre als Post-Doc am Massachusetts
General Hospital and Harvard Medi-
cal School, Boston und haben sich dort
ausschließlich mit dem Zusammen-
hang von hoher Stressbelastung und
deren Auswirkung auf das Herz und
die Gefäße beschäftigt. Warum?
Bislang wussten wir, dass sich
Stress auf das Immunsystem aus-
wirken und Erkrankungen auslösen
kann. Dazu gibt es gesicherte Stu-
dien. Und jeder kennt das: Lässt der
Stress nach, wird man krank. Außer-
demkennenwir viele Risikofaktoren
für einen Herzinfarkt oder Schlag-
anfall wie Rauchen, Übergewicht,
erhöhte Bluttfettwerte, männli-
chen Geschlechts zu sein oder Blut-
hochdruck. Aber bislang fehlte die
wissenschaftliche Grundlage, wie
chronischer Stress und Herzschä-
digungen zusammenhängen. Das
wollten wir genauer untersuchen.
Wie sind Sie bei Ihrer Forschung vorge-
gangen?
In zwei Schritten: Wir hatten ei-
nen klinischen Teil mit 29 ärztlichen
Mitarbeitern der internistischen
Intensivstation des Universitätskli-
nikums Freiburg, die wir während
ihres Arbeitsalltags beobachtet ha-
ben. Bei ihnen sind wir von einer
hohen Arbeitsbelastung unter ande-
rem durch Schichtdienste und Ent-
scheidungszwang innerhalb kurzer
Zeit ausgegangen. Die Kolleginnen
und Kollegen wurden jeweils vor
und nach einer Dienstwoche auf der
Station mit standardisierten Frage-
bögen befragt sowie über Blutproben
untersucht.
Mit welchem Ergebnis?
Alle Probanden hatten nach der
Dienstwoche ein deutlich erhöhtes
subjektives Stressbefinden. Parallel
dazu konnten wir nachweisen, dass
sich eine höhere Anzahl von Ent-
zündungszellen im Blut gebildet
hatte. Diese Zellen – also neutrophi-
le Granulozyten und Monozyten –
Untergruppen von weißen Blutkör-
perchen sind.
Was konnten Sie im zweiten Teil Ihrer
Untersuchungen nachweisen?
Wir konnten im Tiermodell am
Institut in Boston zeigen, dass sich
die blutbildenden Stammzellen im
WI E STRESS
DAS HERZ SCHÄDIGT
„Bislang fehlte die wissenschaftliche
Grundlage, wie chronischer Stress
und Herzschädigungen zusammen-
hängen. Das wollten wir genauer
untersuchen“
Es zeigt sich, dass Stress viel tiefgreifendere
Auswirkungen hat, als bisher bekannt war.
Er wirkt sich bis auf die Stammzellebene aus
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