Das Magazin 3 - 2014 - page 10-11

Gerade in den westlich
geprägten Ländern wie in
den USA und in Europa ist
die Zunahme an Typ-2-Dia-
betes-Erkrankungen auffällig. Im
Gegensatz zum immunologisch be-
dingten Typ-1-Diabetes hängt dies
auch mit der heutigen Wohlstands-
gesellschaft und einem ungesunden
Lebensstil zusammen. Hierbei spielt
insbesondere die Ernährung eine
gewichtige Rolle: Lebensmittel sind
im Überfluss vorhanden, und immer
mehr Menschen üben sitzende Tätig-
keiten aus, bei denen kaum Kalorien
verbrannt werden.
„Das Verhältnis zwischen Ener-
giezufuhr und Energieverbrauch
befindet sich in einem Ungleichge-
wicht“, erklärt Seufert die gestör-
te Energiebilanz. Die Folge: Über-
gewicht und Adipositas, besser
bekannt als Fettsucht, tragen ihren
Teil zumDiabetes bei. „Deshalb müs-
sen wir mit der Vorbeugung schon
im Kindes- und Jugendalter anset-
zen.“ Er rät zu einer Umstellung des
Lebensstils mit einer gesünderen Er-
nährung und mehr Bewegung.
Vorsorge ist deshalb so wichtig,
weil Diabetes mellitus ein hohes Ri-
siko für Langzeit-Folgeerkrankun-
gen birgt: Dazu zählen mikrovasku-
läre Schädigungen wie Erblindung
durch Netzhautschäden, Nierener-
krankungen, Nervenschädigungen
und das Diabetische Fußsyndrom
ebenso wie vaskuläre Erkrankungen
des Herz-Kreislaufsystems. „Herz-
infarkt und Schlaganfall gehören
in Deutschland zu den häufigsten
Todesursachen, die sehr oft durch
Typ-2-Diabetes hervorgerufen wer-
den“, sagt Seufert.
An der Abteilung für Endokrino-
logie und Diabetologie ist in enger
Zusammenarbeit mit weiteren Ab-
teilungen und Kliniken des Universi-
tätsklinikums Freiburg ein interdis-
ziplinäres Team aus Diabetologen,
Kardiologen, Nephrologen, Angio-
logen, Augenärzten sowie Diabe-
tesberatern,
Ernährungsberatern,
Physiotherapeuten, medizinischen
Fußpflegern und orthopädischen
Schuhmachern für die optimale Be-
treuung von Patienten mit Diabetes
mellitus im Einsatz.
Auch hat man sich dort auf Pa-
tientinnen mit Schwangerschafts-
diabetes spezialisiert – mit der Be-
handlung von mehr als 300 Fällen
im Jahr liegt Freiburg bundesweit
ganz vorne. In der Diabetesam-
bulanz und der Diabetes-Schwer-
punktstation Frerichs I/II werden
nicht nur Typ-2-Diabetiker, sondern
Menschen mit allen Formen der Zu-
ckerkrankheit
behandelt.
Mehrere
tausend
Patientinnenund
Patienten wer-
den hier jähr-
lich erstver-
sorgt.
TITE LTHEMA
sollen es 550 Millionen betroffene
Menschen sein
90%
GESÜNDERES ESSEN UND MEHR BEWEGUNG
BEUGEN DEM TYP-2 -DIABETES VOR
2030
DAS FEHLENDE PUZZLESTÜCK
Eine spezifische Art von Knochen-
mark-Stammzellen soll die Beta-Zel-
len der Bauchspeicheldrüse regene-
rieren. Dies geht auf die Entdeckung
zurück, dass beide Zellarten mitei-
nander kommunizieren, indem sie
Botenstoffe ausschütten. Knochen-
mark-Stammzellen können auf diese
Weise die Beta-Zellen schützen. Pro-
fessor Jochen Seufert nennt sie „die
Zellpolizei“. Doch wie lassen sich
die Betazellen wieder dazu anregen,
Insulin zu produzieren? Das bislang
fehlende Puzzlestück bilden die von
den
Knochenmark-Stammzellen
ausgeschütteten Botenstoffe. Im
Rahmen ihrer Forschungsarbeit hat
die Stipendiatin Dr. Chune Liu nun
solche Botenstoffe identifiziert und
ein fehlendes Puzzlestück gefunden.
Ihre Ergebnisse tragen möglicher-
weise dazu bei, grundlagenwissen-
schaftliche Forschung aus demLabor
später einmal in grundlegende Be-
handlungsstrategien überzuführen.
Seit dem Jahr 2013 fördert die private
Brigitte-Bull-Stiftung die For-
schungsarbeit von Chune Liu.
Aktuell wurde die Stipendiatin für
ihren Beitrag zur Entdeckung von
Biomarkern bei Diabetes mellitus
mit dem Fritz-Wörwag-Nachwuchs-
foschungspreis ausgezeichnet.
aller Diabetiker leiden am Typ 2
85%
der Typ-2-Diabetiker
sind übergewichtig
DAS FORSCHUNGSPROJ EKT
Ein Forschungsteam um Professor Dr. Jochen Seufert, Abtei-
lungsleiter für Endokrinologie und Diabetologie am Universi-
tätsklinikum Freiburg, forscht derzeit an einem vielverspre-
chenden Projekt zur Prophylaxe und Therapie von Diabetes
mellitus. An dem Forschungsprojekt sind insgesamt mehr
als zehn Wissenschaftler, Doktoranden und Stipendiaten be-
teiligt. Sie setzen dabei an der Insulinproduktion an: Bei der
Nahrungsaufnahme von Fett und Zucker schüttet die Bauch-
speicheldrüse bei gesunden Menschen die richtige Men-
ge an körpereigenem Insulin aus. Dieser Botenstoff (siehe
Text: Puzzlestück) schleust den Zucker in die Muskeln, die Le-
ber oder in das Fettgewebe, wo er in Energie umgewandelt
oder als Energievorrat gespeichert wird. Somit verhindert
das Insulin, dass der Blutzuckerspiegel übermäßig ansteigt.
Bei Typ-2-Diabetikern ist dieser Prozess gestört – die Zellen
sprechen schlechter auf das Insulin an. Der Zucker bleibt
vermehrt im Blut und kann gesundheitsschädigende Folgen
haben. Darüber hinaus geht bei Typ-2-Diabetikern die körpe-
reigene Insulinproduktion durch Betazellen der Bauchspei-
cheldrüse langsam und fortschreitend verloren, was schließ-
lich eine immer intensivere Behandlung mit Insulinspritzen
notwendig macht. Das Forschungsprojekt untersucht Mög-
lichkeiten, diesen Beta-Zellverlust aufzuhalten beziehungs-
weise umzukehren.
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