Das Magazin 3 - 2014 - page 12-13

Die Diagnose einer chronischen He-
patitis C bedeutete für Patienten bis-
her eine langwierige, anstrengende
Therapie mit einer mäßigen Chance
auf Heilung. Doch die Schreckensherr-
schaft des Virus gehört der Vergangen-
heit an: Mit Hilfe einer ganzen Reihe
revolutionärer, nebenwirkungsarmer
Medikamente können heute fast alle
Patienten geheilt werden. Mediziner
des Universitätsklinikums Freiburg
wenden die neue Therapie nicht nur
erfolgreich an, sie waren auch an ihrer
Erforschung und Zulassung beteiligt.
Das Hepatitis-C-Virus ist der
Verursacher einer chronischen Le-
berentzündung, die über einen Zeit-
raum von Jahrzehnten zu Leberzirr-
hose und -krebs führen kann. Im
Gegensatz zu seinen Geschwistern,
der Hepatitis A und B, steht bis heute
kein Impfstoff gegen das Virus zur
Verfügung. Ein ganzes Jahr dauerte
die bisher einzig verfügbare Thera-
pie, bei der mit Interferon alpha und
dem Virostatikum Ribavirin 40 bis
80 Prozent der Infizierten geheilt
werden konnten.
Nun gibt es neue Medikamente,
die das bisherige Mittel Interferon
ablösen: die Directly Acting Anti-
virals (DAA). „Sie greifen gezielt in
die Virusvermehrung ein“, sagt Dr.
Tobias Böttler, Internist im Leber-
zentrum an der Klinik für Innere Me-
dizin II des Universitätsklinikums
Freiburg. Das Klinikum war als gro-
ßes Leberzentrum an mehreren Stu-
dien beteiligt, die die Sicherheit und
den Erfolg der neuen Medikamente
testeten und letztlich zu deren Zu-
lassung führten.
Nicht genug, dass fast alle Patien-
ten auf die neuen Medikamente an-
sprechen: Viele Betroffene, die bisher
gar nicht für eine Therapie in Frage
kamen, können mit den neuen Me-
dikamenten behan-
delt werden. Da die
Infektion jahrzehn-
telang symptomlos
verläuft, wird sie
oft erst entdeckt,
wenn die Leber be-
reits
geschädigt
ist. „Patienten mit
weit fortgeschrittener Leberschä-
digung konnten mit der bisherigen
Therapie nicht behandelt werden“,
sagt Böttler.
Da Interferon neben Grippe-
artigen Symptomen auch psy-
chische Veränderungen verursa-
chen kann, mussten Patienten mit
Depressionen in der Vorgeschichte
ausgeschlossen werden. Die Last der
Nebenwirkungen führte zudem häu-
fig zu einem Abbruch der Therapie.
Ganz anders sieht es bei den DAAs
aus. „Die neuartige Behandlung dau-
ert nur wenige Monate“, sagt Bött-
ler. „Da sie kaum Nebenwirkungen
hat, können wir bald jeden Patienten
behandeln – und heilen.“
„In den nächsten Monaten wer-
den noch weitere Präparate folgen“,
sagt Böttler. Patienten, deren Er-
krankung milde verläuft, raten die
Mediziner bis zur Zulassung dieser
Medikamente abzuwarten. Es gilt
aber auch nach Zulassung der neu-
en Therapien immer abzuwägen, ob
wirkliche eine Therapie indiziert ist.
„Wir behandeln primär nicht das Vi-
rus, sondern die Lebererkrankung“,
erklärt Privatdozent Dr. Christoph
Neumann-Haefelin. Der Leiter
des Freiburger Leberzentrums
wird für seine Forschungs-
arbeiten zur Hepatitis-C-
Virus-Infektion von ei-
nem Exzellenzprogramm
der Deutschen Forschungs-
gemeinschaf t
(Emmy-
Noether-Programm) gefördert.
Forscher aus der Klinik für Innere
Medizin II (Gastroenterologie, Hepa-
tologie, Endokrinologie und Infektio-
logie), die von Professor Dr. Robert
Thimme geleitet wird, lieferten nun
auch eine Erklärung dafür, warum
die neuen Medikamente so gut funk-
tionieren: Sie erforschten die Rolle
einer bestimmten Gruppe von T-Zel-
len, also Immunzellen des Körpers.
„Normalerweise sind diese Zellen an
der Beseitigung von Viren beteiligt.
Das Hepatitis-C-Virus scheint diese
T-Zell-Gruppe jedoch gezielt zu un-
terdrücken“, erklärt Neumann-Ha-
efelin. „Die Interferon-basierte
Therapie wirkt auf sie zusätzlich
schädigend. Interferone imitieren
also nur eine Immunantwort, das
tatsächliche Immunsystem kann bei
der Beseitigung des Virus nicht mit-
helfen.“
Die Wissenschaftler fanden he-
raus, dass die neuen Therapien mit
DAAs die T-Zell-Antwort hingegen
sogar stärken. Diese Ergebnisse
wurden kürzlich in der führenden
Fachzeitschrift Journal of Hepatolo-
gy veröffentlicht. „Zusätzlich dazu,
dass die DAAs das Virus direkt an-
greifen, wird also auch das körper-
eigene Immunsystem mit ins Boot
geholt.“ Vor 20 Jahren wäre eine He-
patitis-C-Diagnose
niederschmet-
ternd gewesen, heute ist es eine
Erkrankung, die mit einer kurzen,
effektiven Therapie geheilt werden
kann. Hepatitis C hat endgültig sei-
nen Schrecken verloren.
E IN VIRUS VERLI ERT
SE INEN SCHRECKEN
NEUE EFFEKTIVE UND SCHNELLE
THERAPIE BEI HEPATITIS C
HEPATITI S C
Das Virus wird über Körperflüssigkeiten übertragen, vor
allem über das Blut. Gefährlich sind dementsprechend
intravenöser Drogenkonsum, unreine Utensilien bei Täto-
wierungen und Piercings sowie Nadelstichverletzungen.
Bis das Virus Anfang der 1990er-Jahre identifiziert werden
konnte, versteckte es sich auch in Blutkonserven.
Info
/
forschung/ag-neumann-haefelin
Vor 20 Jahren wäre eine
Hepatitis-C-Diagnose nieder-
schmetternd gewesen – heute ist
es eine Erkrankung, die mit einer
kurzen, effektiven Therapie
geheilt werden kann
Interferon-alpha (IFN)
IFN
(optimiert)
IFN + Ribavirin (RBV)
peg.-IFN + RBV + DAA 1. Generation
pegyliertes-IFN + RBV
Interferon-freie Therapie
HCV-Infektion
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