Das Magazin 1 - 2015 - page 32-33

OPERATION
GAUMENSPALTE
Um schon während des Studiums
praktische Erfahrung zu sammeln, sind
Studierende der Medizin in Deutsch-
land verpflichtet, Praktika in Arztpra-
xen oder Krankenhäusern zu absol-
vieren. Immer häufiger zieht es die
angehenden Ärzte dafür ins Ausland.
Insa Schiffmann, Medizinstudentin am
Universitätsklinikum Freiburg und freie
Autorin, trat im Sommer vergangenen
Jahres zusammen mit einem Kommili-
tonen eine außergewöhnliche Reise an.
Im Andenhochland von Peru begleitete
sie die Hilfsorganisation Cirplast zwei
Wochen lang bei deren Kampagne
zur operativen Versorgung von mit-
tellosen Kindern mit Lippen-Kiefer-
Gaumenspalte. Für DAS magazin
schreibt sie über ihre persönlichen Er-
fahrungen:
„Ich schreite durch eine Allee er-
wartungsvoller Augenpaare. Mehr
als 80 Menschen, hauptsächlich
Kinder und Jugendliche, hoffen, heu-
te von Dr. Carlos Navarro, einem
plastischen Chirurgen und Gründer
der peruanischen Hilfsorganisation
Cirplast, für eine Operation aus-
gewählt zu werden,
die sie sich sonst nie
leisten könnten. Die
meisten leiden an einer
angeborenen Gesichts-
fehlbildung:
Einer
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Eini-
ge sind bis zu zwölf Stunden aus dem
Dschungel in die kleine Andenstadt
Ayacucho gereist.
Die Mehrzahl der Wartenden bit-
tet um eine Folge-Operation, bei-
spielsweise wenn die Lippenspalte
bereits verschlossen wurde, der Gau-
men aber noch offen ist; Narben oder
die Nase korrigiert werden müssen.
Doch wir sehen auch Babys, die zum
ersten Mal einem Arzt vorgestellt
werden.
Viele der kleinen Patienten sind
allerdings unterernährt und kom-
men aufgrund ihres Untergewichts
oder ihrer Blutarmut gar nicht erst
für eine Operation in Frage. Mehr als
einmal fließen Tränen. Die freiwilli-
gen Helfer erklären den verzweifel-
ten Müttern, wie diese ihre Spröss-
linge mit ihren spärlichen Mitteln
aufpäppeln können, um es bei der
nächsten Kampagne, ein halbes Jahr
später, wieder zu versuchen.
Wenn ich an einen OP-Saal denke,
sehe ich normalerweise glänzenden
Edelstahl, keimfreie Lüftung und ein
Meer aus Desinfektionsmitteln vor
mir – der OP, den ich am Folgetag be-
trete, gestaltet sich etwas anders. Es
ist ein ganz normaler Behandlungs-
raum mit zwei Untersuchungsliegen
in einem Praxis-Gebäude. Die Nar-
kosegeräte leisten vermutlich schon
seit 25 Jahren gute Dienste, laufen
aber Dank penibler Wartung ein-
wandfrei.
Das gesamte
Equipment, von
der OP-Leuchte
bis zum letzten
Tupfer, wurde,
wie bei jeder
der seit 20 Jah-
ren statt findenden Kampagnen,
mit einem Bus aus der peruanischen
Hauptstadt Lima her transportiert.
Das Team besteht neben Navarro aus
einer italienischen Chirurgin, zwei
Anästhesisten – von denen einer
bereits stolze 84 Jahre zählt –, zwei
OP-Pflegern und vier ehrenamtli-
chen Helfern – und dieses Mal auch
Das Team besteht neben Navarro aus einer
italienischen Chirurgin, zwei Anästhesisten –
von denen einer bereits stolze 84 Jahre zählt –,
zwei OP-Pflegern und vier ehrenamtlichen
Helfern – und dieses Mal auch zwei
aufgeregten deutschen Medizinstudenten
PRAKTIKUMSERFAHRUNG
IN PERU
„SPALTKINDER“ SIND DEM ABERGLAUBEN AUSGESETZT
In armen Gegenden Perus kommen Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
(LKG-Spalten) doppelt so häufig vor wie in Deutschland. Eines von
500 Kindern kommt dort mit der Fehlbildung zur Welt. Gleichzeitig
mangelt es an ausgebildeten Ärzten – und den Familien an Geld,
um eine Operation zu bezahlen. Die betroffenen Andenkinder ha-
ben nicht nur Probleme beim Schlucken, Essen und Sprechen, sie
sind auch dem immer noch kursierenden Aberglauben ausgesetzt,
die Fehlbildung sei eine Strafe der Götter.
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