Das Magazin 1 - 2015 - page 28-29

Forscher des Universitätsklinikums
Freiburg entwickeln einen Drogentest,
mit dem Rechtsmediziner und Archäo-
logen Zahnmaterial von Toten untersu-
chen können.
Zähne sind oft das letzte Gewebe,
das von einem Toten übrig bleibt.
Bislang gab es aber keine Möglich-
keit, an ihnen einen Drogentest zu
machen. Nun haben Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler des
Universitätsklinikums Freiburg um
Dr. Merja Neukamm und Professor
Dr. Volker Auwärter
vom Institut für
Rechtsmedizin ge-
meinsam mit Pro-
fessor Dr. Markus
Altenburger von der
Klinik für Zahner-
haltungskunde und
Parodontologie ein
Verfahren entwickelt, mit dem sie
Morphin, Kokain, Ecstasy und fünf
weitere Stoffe in Zähnen nachwei-
sen können. Die Methode,
die sehr wenig Probenmate-
rial benötigt, entwickelten
sie an speziell präparierten
Rinderzähnen. Den Frei-
burger Forschern gelang es,
Dentin, auch Zahnbein genannt, für
die Drogen-Analyse zu nutzen. „Es
war lange unklar, ob Zahnsubstanz
grundsätzlich für den Nachweis von
Drogen- oder Medikamentenkonsum
genutzt werden kann. Genau das
bestätigt unsere Studie eindeutig“,
sagt Professor Auwärter, Leiter der
forensischen Toxikologie amUniver-
sitätsklinikum Freiburg. „Außerdem
eignet sich die Methode, um bereits
geringste Mengen an Drogen nach-
zuweisen.“ Die Forscher etablierten
das Verfahren an Dentin von Rin-
derzähnen, welches im Aufbau dem
menschlichen Dentin weitgehend
entspricht, aber garantiert frei von
Kontaminationen ist. Für die Un-
tersuchung auf Morphin, Codein,
Ecstasy, MDEA, Amphetamin, Me-
tamphetamin, Kokain und ein Ko-
kainabbauprodukt benötigten die
Forscher gerade einmal 0,05 Gramm
Zahnsubstanz.
Mit der neuenMethode steht nicht
nur Rechtsmedizinern, sondern auch
Anthropologen und Archäologen ein
neues Analysewerkzeug zur Verfü-
gung. Denn für sie ist der sparsame
Umgang mit Probenmaterial von
großer Bedeutung. Darüber hinaus
dürften Zähne als Untersuchungs-
material noch weitere Vorteile mit
sich bringen. „Es ist durchaus mög-
lich, dass in den Zähnen eine Art
tox i ko l og i s c he r
F i n g e r a b -
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einen
langen Lebenszeitraum vorzufinden
ist“, erklärt Professor Auwärter.
In einer auf der Methode auf-
bauenden Studie untersuchten die
Wissenschaftler den Zahn eines
Menschen aus der frühen Eisen-
zeit. „Wir konnten in dem über 2000
Jahre alten Zahn Rückstände der
Betelnuss nachweisen“, freut sich
Merja Neukamm. Betelnuss wird
seit Jahrtausenden als Appetithem-
mer und Wachmacher im südostasi-
atischen Raum gekaut. Als nächstes
möchten die Wissenschaftler die
Methode nun anhand menschli-
cher Zähne von Verstorbenen wei-
ter ausbauen und den Einfluss der
Mundflora und den genauen Einla-
gerungsmechanismus in die Zähne
untersuchen.
Für ihre Untersuchung brachten
die Forscher das Dentin von Rin-
derzähnen in ein dem Mundraum
ähnliches Milieu. „Um die Eintrags-
wege der Drogen möglichst natur-
getreu nachzubilden, haben wir bei
den Zähnen außerdem einen leich-
ten Kariesbefall simuliert“, erklärt
Professor Altenburger. Nach neun
Tagen Einwirkzeit untersuchten sie
die Zahnteile mithilfe eines mit ei-
nem Massenspektrometer gekoppel-
ten Flüssigkeits-Chromatographen,
einer hochempfindlichen Methode,
und konnten damit die Drogen nach-
weisen.
RINDERZÄHNE
MACHEN’S MÖGLICH
Mit der neuen Methode steht nicht nur
Rechtsmedizinern, sondern auch
Anthropologen und Archäologen ein neues
Analysewerkzeug zur Verfügung
NEUARTIGER DROGENNACHWEIS
Kontakt
Dr. Merja Neukamm
Forensische Toxikologie, Institut für
Rechtsmedizin
Universitätsklinikum Freiburg
Den Freiburger Forschern
gelang es, Dentin, auch Zahnbein
genannt, für die Drogen-Analyse
zu nutzen
Mikroskopische Zahnlücken:
Mit 3000-facher Vergrößerung werden
Kanälchen im Dentin sichtbar, über die sich
Drogen im Zahn einlagern können
© Altenburger, Universitätsklinikum Freiburg
© Neukamm, Universitätsklinikum Freiburg
Informationen
Der Artikel in der
Wiley Online Library
Originaltitel der Arbeit: Determination of drugs of abuse
in bovine dentin using liquid chromatography–electrospray
ionization tandemmass spectrometry
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