Das Magazin 1 - 2015 - page 14-15

ö
st
ro
ge
n
e
rn
ä
h
r
un
g
n
atür
l
ich
DI E SANFTE ALTERNATIVE ?
Auf der Suche nach alternativen Be-
handlungsmethoden bei Wechseljah-
resbeschwerden stößt man auf ein
breites Angebot an pflanzlichen Prä-
paraten. Besonders weit verbreitet ist
Soja. Doch nicht nur ist der Nutzen wis-
senschaftlich umstritten, sagen die Ex-
perten vom Institut für Umweltmedi-
zin des Universitätsklinikums Freiburg,
auch das Nebenwirkungsprofil ist nicht
zu verharmlosen.
„Pflanzliche Präparate gelten
gemeinhin als die ‚sanfte� oder ‚na-
türliche� Alternative, dabei muss
man ihren Einsatz genauso kritisch
hinterfragen wie den eines konven-
tionellen Medikaments“, sagt Dr.
Evelyn Lamy vom Institut für Um-
weltmedizin des Universitätsklini-
kums Freiburg. In Sojabohnen ent-
halten ist Genistein, ein sekundärer
Pflanzenstoff aus der Gruppe der
Isoflavone.
Da Isoflavone strukturell dem
menschlichen Hormon Östrogen äh-
neln, werden sie auchals Phytoöstro-
gene bezeichnet. Sie können an die
gleichen Rezeptoren im Körper bin-
den und so eine hormonelle Wirkung
ausüben. Obwohl um ein vielfaches
wirkschwächer, können sie im Ver-
gleich zu Östrogen im Körper einen
wesentlich höheren Blutspiegel er-
reichen und so diesen Potenzunter-
schied ausgleichen.
Der Einsatz von Sojaprodukten
bei Wechseljahresbeschwerden geht
zurück auf die Beobachtung, dass
diese in Asien deutlich seltener sind
als in westlichen Ländern. Auch das
Brustkrebsrisiko ist dort nur etwa
ein Drittel so groß. Interessanter-
weise gleichen sich Beschwerde- und
Risikoprofil asiatischer Frauen, die
in Europa oder den USA leben, mit
der Zeit dem der dortigen Bevölke-
rung an. Eine Folge der Ernährung?
NUTZEN NI CHT GESI CHERT
Fasst man die Forschung der letz-
ten Jahre zusammen, so weisen die
Ergebnisse zu Wirkung und Nutzen
von Soja in keine klare Richtung.
Einerseits ist unbestritten, dass
Frauen mit traditionell japanischer
Ernährung seltener an Brustkrebs
erkranken und weniger Wechseljah-
resbeschwerden angeben. Der Um-
kehrschluss jedoch, nämlich dass
die hohen Isoflavonwerte im Blut
dafür verantwortlich sind, konnte
nicht bewiesen werden. „Ob Isofla-
vone Wechseljahresbeschwerden
tatsächlich lindern können, ist frag-
lich“, sagt Lamy.
Denn auch wenn viele Frauen
sich durch die Einnahme von Soja
besser fühlen, der Placeboeffekt für
die klassischen Symptome wie Hit-
zewallungen oder Verstimmung be-
trägt bis zu 50 Prozent und ist damit
meist größer als der Verumeffekt.
Auch ein positiver Einfluss von Soja
auf Osteoporose oder Gefäßerkran-
kungen ließ sich bisher nicht bestä-
tigen. „Ein großes Problem ist die
unzureichende Standardisierung der
Studien“, erklärt Lamy. Das umfasst
nicht nur unterschiedliche Studien-
dauer oder Dosierung sondern be-
ginnt schon bei dem verwendeten
Produkt für die Untersuchungen,
welches sich hinsichtlich Wirk-
und Begleitstoff individuell unter-
scheidet.
„PFLANZEN SIND NICHT HARMLOS“
Auch wenn Sojapräparate im Ein-
zelfall ein Benefit bringen können,
würde Lamy angesichts der Datenla-
ge pauschal von diesen abraten. Aus
Studien weiß man zwar inzwischen,
dass regelmäßige Sojazufuhr vor
der Pubertät die Entwicklung von
Brust- und Gebärmuttergewebe posi-
tiv beeinflussen kann. Später jedoch
scheint dies zu keiner signifikan-
ten Reduktion des Krebsrisikos zu
führen und kann unter Umständen
sogar schaden.
„Frauen, die an einem hormonre-
zeptorpositiven Brust- oder Gebär-
muttertumor erkrankt sind, sollten
auf Isoflavonpräparate verzichten“,
warnt die Humanbiologin, „da sie
ebendiese Rezeptoren aktivieren
oder mit Medikamenten wie Tamoxi-
fen interagieren können“. Auch eine
negative Beeinflussung von Schild-
drüsenhormonen und damit Förde-
rung der Kropfbildung zählt zu mög-
lichen Nebenwirkungen. Speziell bei
Soja ist zudem zu beachten, dass es
Allergien provozieren oder mit be-
stehenden Allergien, etwa gegen
Birkenpollen, kreuzreagieren kann.
Sojapräparate sind in Deutsch-
land nur in der Form von Nahrungs-
ergänzungsmitteln erhältlich, die
rechtlich gesehen zu den Lebens-
mitteln zählen. Es handelt sich dabei
um konzentrierte Pflanzenextrakte,
die – im Gegensatz zu Arzneimit-
teln – keiner Wirk- und Unbedenk-
lichkeitsprüfung unterliegen. Wie
viel der beworbenen Wirkkompo-
nenten in einem Präparat enthalten
ist, kann demnach im Rahmen der
natürlichen Schwankungen stark
variieren. Hinzu kommt, dass über
mögliche Langzeiteffekte dieser Prä-
parate bisher wenig bekannt ist. In
der Ernährung regulär vorkommen-
de Phytoöstrogene sind dagegen pri-
mär als unbedenklich
einzustufen, da sie im
Normalfall keine beson-
ders hohen Blutspiegel
erreichen.
Eine
Alternative
also, die mit Bedacht zu
genießen ist. „Bei sehr
starken Wechseljahresbeschwerden
ist die Kraft der pflanzlichen Stoffe
wohl zu schwach“, sagt Lamy, „leich-
ten Beschwerden hingegen kann
mit Sport und einer ausgewogenen
Ernährung oft ebenso gut begegnet
werden.“ Östrogenähnliche Stoffe
finden sich in vielen Lebensmitteln,
neben Soja zum Beispiel in Leinsa-
men oder Hülsenfrüchte, die sich
positiv auf Hormonhaushalt und
Wohlbefinden auswirken können –
ohne Risiko der Überdosierung.
TITE LTHEMA
„Pflanzliche Präparate gelten gemeinhin
als die ‚sanfte‘ oder ‚natürliche‘ Alternative,
dabei muss man ihren Einsatz genauso
kritisch hinterfragen wie den eines
konventionellen Medikaments"
„Bei sehr starken Wechseljahresbeschwerden
ist die Kraft der pflanzlichen Stoffe wohl zu
schwach, leichten Beschwerden hingegen
kann mit Sport und einer ausgewogenen
Ernährung oft ebenso gut begegnet werden“
15
1 | 2015
1 | 2015
14
1,2-3,4-5,6-7,8-9,10-11,12-13 16-17,18-19,20-21,22-23,24-25,26-27,28-29,30-31,32-33,34-35,...36
Powered by FlippingBook