

Blutanalyse einen großen Vorteil:
In Urin und Blut sind die meisten
Substanzen nur ein paar Tage nach-
weisbar. Im Haar hingegen können
die Substanzen oder deren Abbau-
produkte über mehrere Wochen bis
Monate nachgewiesen werden, auch
wenn die Konzentrationen oft ex-
trem niedrig sind und sehr aufwen-
dige Verfahren eingesetzt werden
müssen.
Dass ein Stoff gefunden wird,
heißt nicht unbedingt, dass er kon-
sumiert wurde. Erst im Oktober ist
Auwärter ein haariger Coup gelun-
gen: Mit seinem Forscherteam konn-
te er zeigen, dass Abbauprodukte
des Cannabiswirkstoffs (THC) auch
durch engen Körperkontakt über
Schweiß und Talg übertragen wer-
den können. Das bedeutet, dass ein
positiver Befund im Haar den Kon-
sum von Cannabis nicht eindeutig
beweist. Bisher ging man davon aus,
dass die Droge beziehungsweise ihr
Abbauprodukt über den Blutkreis-
lauf ins Haar gelangt. Doch es gibt
eben auch die Möglichkeit der Über-
tragung durch Rauch, Schweiß und
Talg.
„Nach unseren Erkenntnissen
ist eine Cannabinoid-Übertragung
bei engem Körperkontakt beson-
ders wahrscheinlich und kann zu
völlig falschen Rückschlüssen füh-
ren“, warnt Auwärter. Ein positives
Testresultat kann nicht nur bei Abs-
tinenzkontrollen für Fahreignungs-
überprüfungen schwere Folgen
haben. „Vor allem in Sorgerechtsfra-
gen bei der Analyse von Kinderhaar
könnte der Übertragungsweg rele-
vant sein“, so Auwärter. Deshalb sei
es wichtig, Testergebnisse differen-
ziert in Bezug zur jeweiligen
Substanz und im Kon-
text aller weiteren
v e r f ü g b a r e n
Informationen zu betrachten und zu
bewerten. „Während im klinisch-di-
agnostischen Bereich eine Treffsi-
cherheit von 99 Prozent schon sehr
gut ist, kommt es in der Forensischen
Toxikologie oft auf das eine fehlende
Prozent an“, sagt Auwärter. Schließ-
lich werden die Gutachten häufig vor
Gericht verwendet.
Diese neuen Erkenntnisse könn-
ten ebenfalls für den Haarnachweis
von Stoffen wie Kokain oder Heroin
von Bedeutung sein. Auwärter will
in weiteren Studien untersuchen, ob
auch Amphetamine, Opiate und an-
dere Drogen beziehungsweise deren
Abbauprodukte durch Körperkon-
takt übertragen werden können und
so im Haar nachweisbar sind. Für die
Studie wird er einen Förderantrag
bei der Deutschen Forschungsge-
meinschaft (DFG) stellen.
Haare wachsen durchschnittlich
etwa einen Zentimeter pro Monat
Eine Haaranalyse ist ein komplizierter Prozess. Damit siemög-
lichst genaue Ergebnisse liefert, müssen die Experten viele
Faktoren bedenken. Zunächst wird ein bleistiftdickes Bündel
Haare direkt an der Kopfhaut am Hinterkopf abgeschnitten,
da dort das Haar besonders gleichmäßig wächst. Dann muss
das individuelle Haarwachstumberechnet werden, damit das
Haarsegment, in dem zeitlich die Einnahme eines Stoffes ver-
mutet wird, ausgemacht werden kann. In diesem Segment
lässt sich voraussichtlich die höchste Konzentration des Stof-
fes finden. Da Haare einen Wachstumszyklus durchlaufen, zu
dem vor dem Ausfallen des Haares und dem Nachwachsen
eines neuen auch eine Phase gehört, in der das Haar nicht
wächst, ergibt sich eine gewisse Unschärfe. Ebenso können
Färben, eine Dauerwelle oder häufiges Haarewaschen das
Ergebnis beeinflussen. Aber auch die natürliche Haarfarbe
kann für die Interpretation der Ergebnisse eine Rolle spielen.
Die einzelnen Segmente werden gereinigt und die gesuchten
Substanzen mithilfe chemischer Mittel extrahiert. Es folgen
die chromatographische Auftrennung des Extrakts in die Ein-
zelbestandteile und eine massenspektrometrische Analyse.
Frühestens nach ein bis zwei Tagen liegt das Ergebnis vor. In
einem zugehörigen Experten-Gutachten werden die Befun-
de erläutert.
KOMPLEXE HAARANALYSE
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