

Sie haben jede Schlinge des Darms
im Blick: In der Interdisziplinären Gas-
trointestinalen Endoskopie der Klinik
für Innere Medizin II am Universitäts-
klinikum Freiburg nutzen Internisten
und Chirurgen neue Methoden, um
gefährliche Darmkrebs-Vorstufen auf-
zuspüren und ganz ohne Operation zu
entfernen
Ein Tunnel aus glatter hellrosa
Schleimhaut, durch die zarte Adern
schimmern. Zentimeter für Zen-
timeter arbeitet sich die winzige
Videokamera vor. Konzentriert be-
trachtet Dr. Peter Hasselblatt den
Bildschirm, auf dem die Aufnahmen
aus dem Inneren seines Patienten
erscheinen. Eine kleine Erhabenheit
der Schleimhaut weckt seine Auf-
merksamkeit. Auf der Fläche eines
Zwei-Euro-Stücks wächst Drüsen-
gewebe in den Dickdarm hinein. Aus
solchen Polypen der Darmschleim-
haut können Tumore entstehen. Und
genau das möchte der Leitende Ober-
arzt der Klinik für Innere Medizin II
des Universitätsklinikums Freiburg
verhindern.
Dazu entfernt ein Team aus Ärz-
ten und Pflegekräften die verdäch-
tige Gewebestruktur, und zwar ganz
schonend ohne Operation. Für den
gesamten Eingriff wird ein flexibles
Endoskop verwendet. An der Spitze
diesesweichenKunststoffschlauchs,
der in den Darm eingeführt wird,
sitzt ein Videochip. Er liefert hoch-
aufgelöste Aufnahmen der Darm-
wand. Über einen Arbeitskanal wird
der Polyp mit einer dünnen Nadel
unterspritzt und anschließend mit
einer elektrischen Schlinge abgetra-
gen und feingeweblich untersucht.
Bei sehr großen Polypen kommen
andere Techniken zum Einsatz, bei-
spielsweise das Ausschneiden mit
einem elektrischen Messer oder die
fraktionierte Abtragung mit einer
elektrischen Schlinge. Dies ist aber
nur möglich, wenn sich das Polypge-
webe durch Unterspritzung von der
Muskelschicht des Darms abheben
läßt. Gelingt dies nicht, kann mit
einem relativ neuen Gerät eine Voll-
wandresektion am Dickdarm durch-
geführt werden. Das sogenannte
Full Thickness Resection Device
(FTRD) entfernt Polypen bis zu ei-
nem Durchmesser von zwei bis drei
Zentimetern endoskopisch. Selbst
frühe Formen des Darmkrebses las-
sen sich mit dieser Technik ohne
Eröffnung des Bauchs auf rein endo-
skopischemWeg behandeln.
Das FTRD ist eine transparente
Kappe, die auf die Spitze des Endos-
kops gesetzt wird. Auf dieser Kappe
vorgeladen ist ein großer Metallclip.
In der Kappe findet sich eine vorge-
spannte elektrische Schlinge (siehe
Abbildung auf S. 28). Der behandeln-
de Arzt führt das gesamte System an
VOLLWANDRESEKTION:
FORTGESCHRITTENE
DARMKREBS-VORSORGE
PER ENDOSKOP
KURVE FÜR
KURVE
Die Vollwand-Resektion
kann zahlreichen Patienten
eine Bauchoperation ersparen
das krankhafte Gewebe imDickdarm
heran. Mit einer Fasszange zieht er
das Gewebe in die Plastikkappe hi-
nein. Danach wird der Clip ausgelöst
und springt von der Kappe, wodurch
das Darmgewebe in der Kappe prak-
tisch einen „Pseudopolypen“ bildet.
Dieser wird dann mit der vormon-
tierten Schlinge abgetragen. Im Ge-
gensatz zu den bereits beschriebe-
nen Techniken werden hierbei alle
Schichten der Darmwand entfernt.
Dies ist insbesondere bei Polypenmit
bereits fortgeschrittenen Tumorvor-
stufen essentiell, da diese nun bes-
ser im Gesunden abgetragen werden
können.
Die Vollwandresektion kann zahl-
reichen Patienten eine Bauchopera-
tion ersparen. Tatsächlich mussten
Ärzte bis vor kurzem befürchten, die
Darmwand zu verletzen, wenn sich
Polypen nicht von der Muskelschicht
abheben ließen. Die Verletzung der
Darmwand, eine sogenannte Perfo-
ration, stellt eine schwere Kompli-
kation dar, bei der Darminhalt in den
Bauchraum austreten
und dort eine gefähr-
liche
Bauchfellent-
zündung verursachen
kann. „Das ist nun Dank
des Clips, welcher das Loch noch
vor dessen Entstehung verschließt,
nicht mehr der Fall“, erläutert Pro-
fessor Dr. Andreas Fischer, einer der
beiden ärztlichen Leiter der Interdis-
ziplinären Gastrointestinalen En-
doskopie (IGE), der ge-
meinsam mit Professor
Dr. Hans Richter-Schrag
die Methode in Freiburg
etabliert hat.
Damit der Eingriff ge-
lingt, ist viel Erfahrung
mit der Entfernung von Dickdarmpo-
lypen und ein spezielles Training der
behandelnden Ärzte nötig. Seit 2012
arbeiten Internisten und Chirurgen
in der IGE zusammen. Sie untersu-
chen und behandeln Erkrankungen
der Speiseröhre, des Magens, des
Dünn- und Dickdarms sowie der Le-
ber, der Gallenblase, der Gallenwege
und der Bauchspeicheldrüse. „Mit-
hilfe spezieller Diagnosegeräte wie
der Ballon-Endoskopie oder der Kap-
selendoskopie bleibt den Ärzten kein
Abschnitt des viele Meter messen-
den Magen-Darm-Trakts verborgen“,
so Hasselblatt. Neben geplanten Un-
tersuchungen ambulanter und sta-
tionärer Patienten werden die Spe-
„Unsere Patienten werden über
die Grenzen der Fachrichtungen
hinaus optimal behandelt“
SPEZ IALSPRECHSTUNDE FÜR
THERAPEUTI SCHE ENDOSKOPI E
Prof. Dr. Andreas Fischer
Dr. Henning Schwacha
Telefon: 0761 270-33080
11.000
Patienten werden jährlich in der interdis-
ziplinären gastrointestinalen Endoskopie
untersucht und behandelt
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