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SCID Neugeborenen-Screening

Positives SCID Neugeborenen-Screening - was nun?

Der Begriff Neugeborenen-Screening steht für eine Untersuchung neugeborener Kinder auf das Vorliegen bestimmter Erkrankungen. Im Neugeborenen Screening wird nach Erkrankungen gesucht, bei denen eine Früherkennung wichtig ist und für die auch eine heilende bzw. den Verlauf deutlich verbessernde Therapie zur Verfügung steht. Hierzu werden dem Neugeborenen in den ersten Lebenstagen (ca. dritter Lebenstag) wenige Tropfen Blut aus der Ferse entnommen. Das Blut wird dann auf bestimmte Erkrankungen untersucht. Das Neugeborenen-Screening wurde 1969/1970 zunächst mit einer Testung auf eine Stoffwechselerkrankung (Phenylketonurie) in Deutschland eingeführt und über die Jahre erfolgreich um weitere Erkrankungen erweitert.

Das Screening ermöglicht, Krankheiten zu diagnostizieren noch bevor sie zu Symptomen führen und sie durch geeignete Maßnahmen ganz zu verhindern bzw. abzumildern. Damit verbessert sich die Chance, dass diese Kinder trotz ihrer Krankheit ein normales Leben führen können.

Im August 2019 wurde in Deutschland das Screening um eine weitere Untersuchung ergänzt, die schwere kombinierte Immundefekte (SCID) und Immundefekte die mit einem schweren T-Zell Mangel einhergehen, nachweisen kann. Seitdem wird diese Untersuchung bei jedem Neugeborenen durchgeführt.

Beim Neugeborenen-Screening auf SCID wird untersucht, ob ausreichend T-Zellen im Blut vorhanden sind. Wenn dieser Screening-Test auf einen T-Zell Mangel hinweist, wird an einer weiteren Blutprobe ein Bestätigungstest durchgeführt, mit dem die Anzahl der T-Zellen präziser gemessen werden kann. Nur wenn auch diese Untersuchung den T-Zell Mangel bestätigt, kann die Diagnose SCID gestellt werden. In weiteren Untersuchungen wird dann die genaue Ursache des T-Zell Mangels bestimmt. Meist handelt es sich um eine genetische Ursache, was für die weitere Behandlung und auch für die Beratung der betroffenen Familie wichtig ist. Mit der Einführung des Neugeborenen-Screenings haben sich die Lebensaussichten für Kinder mit SCID deutlich verbessert.

Bei Ihrem Kind ist das Testergebnis für das SCID Screening auffällig oder nicht eindeutig auswertbar gewesen und eine weitere Abklärung des Befundes ist erforderlich. Der Screening-Test weist darauf hin, dass bei Ihrem Kind die Anzahl T-Zellen im Blut erniedrigt ist. T-Zellen sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, die ganz wichtig sind für normale Immunantworten. Fehlen T-Zellen, führt dies zu einer schweren kombinierten Immunschwäche oder SCID und damit zu einer ausgeprägten Infektionsanfälligkeit. Bei Ihrem Kind wird jetzt eine Untersuchung durchgeführt, die sicher unterscheiden kann, ob tatsächlich ein T-Zell Mangel vorliegt oder ob das Screening-Ergebnis falsch positiv war.

Bestätigt sich das Neugeborenen-Screening in der weiterführenden Diagnostik und die Diagnose SCID liegt vor, stellen wir Ihnen eine ausführliche Patienteninformationsbroschüre über die SCID-Erkrankung zur Verfügung. In der vorliegenden Broschüre werden nur kurz ein paar wichtige Fakten zu der Erkrankung zusammengefasst.

SCID ist eine angeborene Erkrankung des Immunsystems. Der Begriff SCID steht für „schwerer kombinierter Immundefekt“. „Schwer“ bezieht sich darauf, dass die Erkrankung lebensbedrohlich sein kann. Bei der SCID-Erkrankung ist das Immunsystem so schwach, dass kaum Schutz vor Infektionen besteht. SCID ist ein „kombinierter“ Immundefekt, was bedeutet, dass verschiedene Arme des Immunsystems betroffen sind. Hierzu gehört der Teil, der vorwiegend für die Kontrolle von Infektionen mit Bakterien notwendig ist und der Teil, der vorwiegend gegen Infektionen mit Viren oder Pilzen benötigt wird.

Das wesentliche Merkmal beim SCID ist das Fehlen oder die fehlende Funktion von Lymphozyten, die entscheidende Aufgaben bei der Abwehr von Infektionen haben. Nicht alle Formen der SCID-Erkrankung sind gleich, aber alle Formen haben eine deutliche Verminderung von T-Zellen zur Folge und die betroffenen Kinder brauchen dringend eine sofortige Behandlung zum Schutz vor Infektionen.

Die Erkrankung ist seit 1950 bekannt. Vor der Einführung moderner Behandlungsmethoden wie der Stammzelltransplantation starben die meisten Kinder mit SCID noch während des ersten Lebensjahres an einer Infektion. Heute ist die Medizin einen großen Schritt weiter: es ist gelungen, das Risiko lebensbedrohlicher Infektionen zu verringern und in der Mehrzahl der Fälle ist sogar eine heilende Behandlung des SCID möglich. Seit August 2019 kann durch das Neugeborenen-Screening die Diagnose noch vor der ersten Infektion gestellt werden, so dass die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen wie Infektionsschutz einschließlich der Gabe von Antikörpern und vorbeugender Medikamente gegen Infektionen für betroffene Kinder bereits wenige Tage nach Geburt zur Verfügung stehen. Die Heilung der SCID-Erkrankung erfolgt dann durch einen „Austausch“ des kranken Immunsystems, was durch eine Stammzelltransplantation erreicht wird. Diese wird in der Regel etwa im dritten Lebensmonat angestrebt.

SCID ist eine angeborene Erkrankung und wird durch einen Fehler in der kindlichen Erbinformation (DNA) verursacht. Das bedeutet, dass die Anlage zur Erkrankung in den meisten Fällen von den Eltern an das Kind weitergegeben wird.

Es gibt mindestens 20 verschiedene Gene, die die Entwicklung und Aktivierung von T-Zellen steuern. Daher gibt es auch entsprechend viele Unterformen der SCID-Erkrankung. Allen gemeinsam ist die Verminderung von T-Zellen und die daraus folgende Anfälligkeit gegen alle Arten von Infektionskrankheiten. Die einzelnen SCID-Formen werden nach den zugrunde liegenden Gendefekten benannt und klassifiziert.

Der bei allen Neugeborenen durchgeführte Screening-Test ist ein massentaugliches Testverfahren, bei dem auch falsch auffällige Werte gemessen werden können. Daher ist eine sichere Bestätigungsuntersuchung in einer weiteren Blutprobe nötig. Wenn diese unauffällig ist, braucht das Kind keine weitere Therapie oder Beobachtung. Alle weiteren Ausführungen in dieser Broschüre sind dann für Sie nicht relevant. Wenn die Untersuchung auffällig ist, liegt etwa in der Hälfte der Fälle ein SCID vor. In der anderen Hälfte liegen andere Erkrankungen vor, die mit einer Erniedrigung der T- Zellen verbunden sein können. Diese sind oft nicht so schwerwiegend wie SCID, bedürfen aber auch einer frühzeitigen Erkennung und Beobachtung und manchmal ist auch hier eine Stammzelltransplantation erforderlich.

Wenn sich die Diagnose SCID bestätigt, ist es für Sie als Eltern schwierig, so früh im Leben ihres ganz gesund wirkenden Kindes mit einem ernsten medizinischen Problem konfrontiert zu werden. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass diese frühzeitige Diagnosestellung durch das Neugeborenen-Screening eine große Chance für Ihr Kind ist. Die frühe Erkennung der Erkrankung verbessert deutlich den Erfolg einer Behandlung der SCID-Erkrankung. Wie bei jedem Kind, das mit einer schweren Krankheit geboren wird, werden häufige Arztbesuche oder stationäre Aufenthalte erforderlich sein. Es kann sein, dass Ihr Kind zunächst in der Klinik stationär für die Einleitung der Therapie und für weitere abklärende Diagnostik aufgenommen wird. Öfter sind Kinder mit T-Zell Lymphopenie aber auch besser zu Hause aufgehoben. Das richtet sich nach dem Ausmaß der T-Zell Lymphopenie, nach der familiären Situation und den Möglichkeiten, zu Hause wichtige Hygieneregeln einzuhalten. Wir werden Ihnen helfen, für Ihr Kind den besten Weg zu finden und Sie gerne fortlaufend dabei unterstützen, die vielen Unsicherheiten und Fragen rund um die Versorgung Ihres Kindes zu beantworten.

Hat Ihr Kind alle erforderlichen Untersuchungen erhalten, liegen die Ergebnisse vor und Sie hatten Zeit, alle ersten Fragen zu besprechen, darf das Neugeborene in der Regel wieder zu Ihnen nach Hause, bis es dann für die Stammzelltransplantation stationär aufgenommen wird. Es ist wichtig, dass Ihr betreuender Kinderarzt gut informiert ist. Sollten zu Hause Probleme auftauchen, können Sie sich aber auch jederzeit an das Team im Krankenhaus wenden.

In der Regel genießen es die meisten Eltern, erst einmal nach Hause gehen zu können, bevor die weitere Therapie erfolgt. Manchmal ist es aber auch belastend, in der Angst zu leben, dass das Kind eine Infektion bekommt. Nicht selten führen die Bemühungen alle Risiken zu vermeiden, zu Stresssituationen. Wir möchten Ihnen Mut machen. Wenn Sie sich an die Hygieneregeln halten, ist es zu Hause in der Regel „sicherer“ als im Krankenhaus. Im folgenden Abschnitt haben wir Ihnen verschiedene wichtige Informationen zusammengefasst, welche Ihnen für die Zeit zu Hause helfen sollen. Wenn Sie Fragen haben, die wir bisher nicht berücksichtigt haben, scheuen Sie sich nicht, die behandelnden Ärzte oder das Pflegeteam zu fragen.

Für Babys mit SCID ist Infektionsvermeidung eine hohe Priorität. Das gilt für die Betreuung zu Hause, aber genauso auch für den Aufenthalt im Krankenhaus. Was können Sie tun, um Ihr Kind vor Infektionen zu schützen?

Ihre Wohnung bzw. Ihr Haus sollte so sauber wie möglich sein, ohne es dabei aber zu übertreiben. Es ist nicht nötig, extra Vorhänge zu waschen oder Teppiche in die Reinigung zu geben. Es ist nicht möglich, eine Wohnung „keimfrei“ zu machen. Sinnvoll ist das regelmäßiges Waschen der Hände mit Wasser und Seife, zusätzlich immer Hände waschen nach Toilettengang, Kontakt mit Abfällen, Pflanzen/Erde (z.B. Garten), Tieren, Hautverletzungen und Körperflüssigkeiten, vor und nach der Essenszubereitung und beim nach Hause kommen (nach Einkäufen, Ausflügen). Tierkontakt sollte ein SCID Baby nicht haben. Spezielle Isolationsmaßnahmen sind nicht erforderlich, die Anzahl der engen Kontaktpersonen sollte aber klein gehalten werden und Personen mit Infekt sollten sich fernhalten. Ein erhöhtes Risiko für Infektionen sind Orte mit großen Menschenansammlungen wie z.B. öffentliche Verkehrsmittel, diese sollten gemieden werden.

Sind Geschwisterkinder im Haushalt, sollte diese Situation mit dem Immundefekt-Team durchgesprochen werden. Manchmal kann es sinnvoll sein, dass junge Geschwister z.B. zeitweise aus dem Kindergarten genommen werden, um das Infektionsrisiko gering zu halten.

Es ist neben der Infektionsvermeidung für das Neugeborene von großer Bedeutung, dass Sie und die Familie die eigene körperliche und emotionale Gesundheit erhalten und dass Sie das Ereignis genießen können, Eltern geworden zu sein. Die Anforderungen an Sie als Eltern in dieser Zeit sind oft sehr hoch und in dieser Situation ist es hilfreich, zusätzliche Personen zu identifizieren, von denen Sie bei Bedarf Unterstützung erhalten können. Möglicherweise sind das andere Familienmitglieder, enge Freunde, Bekannte und/oder und Fachleute.

Ernährung

Stillen: Muttermilch kann Viren enthalten, insbesondere das Cytomegalie-Virus (CMV) Eine CMV-Infektion über die Muttermilch ist eine Gefahr für ein Kind mit einer SCID-Erkrankung. Daher ist es wichtig, dass die Mutter  auf dieses Virus untersucht wird. Bis geklärt ist, ob die Mutter CMV negativ ist, kann es notwendig sein, das Stillen zu unterbrechen. Ist die Mutter positiv für CMV, sollte abgestillt werden. Ist die Mutter negativ, darf sie das Stillen wieder aufnehmen bzw. weiterhin stillen. In der Zeit, bis das sichere Ergebnis vorliegt, kann die Mutter die Milch abpumpen, damit der Milchfluss erhalten bleibt und sie bei Vorliegen eines negativen Ergebnisses weiter stillen kann.

Bei Flaschenernährung sollten Sie alle Flaschen, Sauger und sonstiges Zubehör vor dem Gebrauch durch Abkochen sterilisieren. vor der Zubereitung von Nahrung, sollten Sie immer die Hände mit einer milden Seife waschen. Schnuller sollten regelmäßig sterilisiert werden.

Körperhygiene

Es ist wichtig, eine gute Hautpflege bei Ihrem Kind durchzuführen und dabei täglich die Haut auf Veränderungen anzuschauen. Einmal pro Tag sollten Sie Ihr Kind ganz ausgezogen ansehen und die Haut gründlich anschauen. Es ist wichtig, hier auch auf Hautfalten unter den Armen, am Hals und in der Leiste, hinter den Ohren zu achten. Hierbei sollten Sie darauf schauen, ob irgendwelche Rötungen, Pickelchen oder Ausschläge zu sehen sind. Wichtig ist es, regelmäßig Windeln zu wechseln, um so den von Hautirritationen gefährdeten Windelbereich gut zu schützen. Bei der Mundpflege sollten sie auf weiße Belege achten, die u.U. ein Hinweis auf einen Soor (Pilz)-befall sein können. Wenn Sie bei der Körper-/Mundpflege irgendetwas Auffälliges beobachten, so informieren Sie bitte Ihren Arzt. Waschlappen oder Schwämme sollten regelmäßig gewaschen und die Wickelauflage so wie alles Zubehör sollten sauber gehalten werden. Gegenstände, die auf den Boden fallen, müssen gereinigt werden, bevor sie wieder dem Kind gegeben werden.

Kinderspielzeug, welches durch klebrige Hände oder Speichel schmutzig geworden ist, sollte mit warmem Seifenwasser gereinigt werden. Kleidung sollte bei 60 Grad gewaschen und die Kleidung täglich gewechselt werden.

Es empfiehlt sich, die Bettwäsche einmal pro Woche zu waschen. Es ist aber nicht nötig, die Bekleidung des Kindes separat von der anderen Wäsche zu waschen oder hierfür spezielles Waschmittel zu verwenden.

Umwelt

Haustiere, die ein Fell oder Federn haben, sind evtl. Infektionsquellen und der Umgang sollte mit ihrem behandelnden Arzt besprochen werden. Im Schlafzimmer des Kindes sollten keinen Pflanzen/Blumen stehen, da Blumenerde möglicher Nährboden für Schimmelpilze ist.

Besucher

Die Besucherzahl sollte wegen des Infektionsrisikos beschränkt und Kontakt mit anderen Menschen, die an einem akuten Infekt leiden, vermieden werden. Familienmitglieder, die einen Infekt haben, sollten einen Mundschutz tragen.

Fieber, Ausschläge, Durchfälle oder andere Krankheitszeichen sollten unmittelbar mit dem behandelnden Kinderarzt, ggf. auch direkt mit der betreuenden Klinik besprochen werden.

Dank der heute zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten, die noch ausführlich mit Ihnen besprochen werden (siehe auch Patienteninformationsbroschüre SCID), kann Kindern mit schwerem T-Zell Mangel meist ein normales Leben ermöglicht werden. Die frühe Erkennung der Krankheit durch Neugeborenen-Screening (noch bevor die erste Infektion vorliegt), ist dabei ein ganz wichtiger Schritt.

Stand
April 2022

Hinweis
Wir möchten mit unseren Patientenbroschüren gerne dazu beitragen, dass betroffene Patienten, Eltern und ihr Umfeld die Erkrankung und ihre Behandlung besser verstehen. Die Broschüren sind sorgfältig erstellt und beschreiben die Erkrankung und deren Behandlung. Auch wenn Sie viele Informationen in den Broschüren finden, können diese vorliegenden Informationen keinen Arztbesuch ersetzen.

Autor
Henrike Ritterbusch

+49 (0)761 270-45240

henrike.ritterbusch@uniklinik-freiburg.de


Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. Stephan Ehl

+49 (0)761 270-77300

stephan.ehl@uniklinik-freiburg.de


UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
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