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STAT1 GOF-Erkrankung

Bei dem Krankheitsbild der STAT1 GOF-Erkrankung handelt es sich um einen seltenen angeborenen Immundefekt. Angeborene Immundefekte sind erbliche Erkrankungen, denen ein genetischer Defekt zugrunde liegt. Das Immunsystem hat die Aufgabe, Infektionen abzuwehren. Die meisten Immundefekte gehen daher mit einer erhöhten Anfälligkeit gegen Infektionen einher. Die Abwehrreaktionen des Immunsystems unterliegen einer strengen Kontrolle. Wenn ein Infekt abgewehrt ist, wird die Immunantwort rasch und effektiv gebremst. Bei einigen Immundefekten ist diese Regulation gestört. Es kommt daher neben der Anfälligkeit gegenüber Infektionen bei diesen Immundefekten auch zu überschießenden und fehlgeleiteten Immunreaktionen. Bei der STAT1 GOF-Erkrankung kommt es vermehrt zu Infektionen mit Pilzen und Bakterien, aber auch zu Entzündungen und Autoimmunität als Folge der fehlregulierten Immunreaktion. Der Name STAT1 leitet sich von der Bezeichnung des Gens ab, welches bei dieser Erkrankung verändert ist und damit die Fehlsteuerung des Immunsystems auslöst. STAT1 steht für Signal Transducer and Activator of Transcription 1. Bei den betroffenen Patienten führt die genetische Veränderung zu einem Funktionsgewinn (Gain Of Function oder GOF), was bedeutet, dass die Aktivität des Genprodukts zunimmt. Dieser Funktionsgewinn ist für die überschießenden Immunantworten verantwortlich, stört aber auch die normale Antwort auf Infektionen.

Häufig ist der Krankheitsbeginn in der frühen Kindheit, manchmal aber auch erst im Jugend- oder im Erwachsenenalter. Das Spektrum der Symptome ist groß und die Art und Schwere der Symptome der einzelnen Patienten variieren, auch innerhalb betroffener Familien. Zu den führenden Symptomen der Erkrankung gehört die Chronisch Mucocutane Candidiasis (CMC). Die CMC ist eine Pilzerkrankung der Schleimhäute, manchmal auch der Nägel und der Haut. V.a. Hefepilze der Gattung Candida können aufgrund des STAT1-Defekts nicht richtig kontrolliert werden.

Neben den Pilzinfektionen stehen auch bakterielle Infektionen der Atemwege im Vordergrund. Wiederkehrende bakterielle Lungenentzündungen können in der Folge zu Aussackungen der Bronchien (Bronchiektasen) führen, was den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen kann. Auch virale Infektionen können bei Patienten mit der STAT1 GOF-Erkrankung eine Rolle spielen. So kann es zu wiederkehrenden Infektionen mit Herpes simplex und Warzen verursachenden Viren kommen.

Etwa ein Drittel der Patienten leiden an Autoimmunerkrankungen, welche vor allem die Schilddrüse (Thyreoditis), die Leber, die Haut (Ekzeme) und Hautanhangsorgane wie Haare (Haarausfall), aber auch die Bauchspeicheldrüse (Diabetes mellitus Typ 1) betreffen können. Auch unklare Fieberschübe ohne Nachweis einer Infektion können auftreten. Bei einigen Patienten kommt es auch zu einer Störung des Längenwachstums.

Pilzinfektionen und Infektionen der Atemwege gehören zu den häufigsten Symptomen mit welchen sich Patienten mit STAT1 GOF präsentieren. Bei einem Großteil der Patienten kommt es früh zu Pilzinfektionen der Haut und Schleimhäute. Sie sind sehr unterschiedlich ausgeprägt, treten nicht bei allen Patienten auf und können in der Regel gut behandelt werden. Wir möchten dennoch im Folgenden auch auf die schlimmeren Verläufe eingehen.

Die Pilzinfektionen betreffen vor allem die Schleimhäute in der Mundhöhle, Speiseröhre bis in den Darm hinab, den Intimbereich (insbesondere bei Mädchen) und die Haut, dabei häufig auch die Kopfhaut. Die Pilzinfektionen können aber auch an den Nägeln (Nagelpilz) auftreten. Der häufigste für die Infektionen ursächliche Erreger ist Candida Albicans, ein Hefepilz, der kurzfristig auch bei gesunden Neugeborenen (v.a. Windelbereich und in der Mundhöhle) auftreten kann, bei Patienten mit STAT1 aber zu einer weitreichenden Infektion der Haut und Schleimhäute führen kann. Häufig macht sich die Candidose zu Beginn als vorübergehend auftretende oder dauerhafte Entzündung der Mundhöhle bemerkbar. Es kann zum Einreißen, zu Rötung und Entzündung der Mundwinkel kommen. Die Mundschleimhaut kann aber auch so wund sein, dass der Verzehr von z.B. sauren, scharfen und gewürzten Lebensmitteln Schmerzen verursacht. Die Zunge und die Wangenschleimhäute können durch den Hefepilzbefall mit weiß-gräulichen, nicht „abwischbaren“ Belägen bedeckt sein. Die Hefepilzinfektion kann sich über die Mundhöhle zur Speiseröhre (Ösophagus) ausdehnen und hier zu Schluckbeschwerden und Schmerzen führen. Sie kann sich auch weiter bis zum Darm hin ausbreiten und in der Folge Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall verursachen. Gelegentlich kommt es zu einem rötlich-nässenden Hautausschlag der Hände, die Nägel können sich verdicken, gelblich verfärben und dunkler werden. Um diese Probleme zu vermeiden sollte darauf geachtet werden, dass Kinder ihre Hände so wenig wie möglich in den Mund stecken. Weibliche Patienten können zusätzlich an einem juckenden Ausfluss leiden, der durch die Infektion der Schleimhäute des Genitaltrakts verursacht wird.

Eine Behandlung mit Antibiotika, hoch dosierte Kortison-Gaben oder eine allgemeine Abwehrschwäche bei Infekten kann dazu führen, dass Pilzinfektionen neu auftreten oder sich verschlechtern. Dennoch sind diese Medikamente bei STAT1 GOF-Erkrankung manchmal nötig. Bei einer erforderlichen Versorgung mit Zahnspangen und Zahnersatz ist wichtig, die Erkrankung mit den behandelnden Ärzten zu besprechen und die Versorgung entsprechend zu planen, um Pilzinfektionen möglichst wenig zusätzliche Angriffsfläche zu bieten. Eine sorgfältige und vorbeugende Mundhygiene sowie regelmäßige Kontrolle und Behandlung der Pilzinfektionen ist somit von großer Bedeutung.

Eine dauerhafte langfristige Besiedlung der Speiseröhre kann im Verlauf zu Veränderungen der Speiseröhre, wie Verengungen aber auch in seltenen Fällen zu einer Krebserkrankungen führen. Das Rauchen ist ein Faktor, der eine Hefeinfektion begünstigt und sollte daher unbedingt vermieden werden. Einige Patienten leiden auch an einer Schluckstörung, bedingt vor allem durch eine Bewegungsstörung der Speiseröhre.

Bei einem kleineren Teil der Patienten treten auch Pilzinfektionen auf, die über die Haut hinausgehen (ca. 10%). Diese Infektionen betreffen dann häufig das Lungengewebe, häufig verursacht durch andere Pilze wie Pneumocystis jirovecii, Aspergillus, Cryptococcen und Histoplasmen.

Neben den Pilzinfektionen spielen auch bakterielle Infektionen eine Rolle im Verlauf der STAT1 GOF-Erkrankung. Bei vielen Patienten kommt es zu Infektionen der oberen und unteren Atemwege und der Haut. Insbesondere wiederkehrende Lungenentzündungen können im Verlauf zu Bronchiektasen (Aussackungen der Bronchien) führen und die Anfälligkeit für weitere Infektionen dadurch erhöhen.

Auch virale Infektionen können bei der STAT1 GOF-Erkrankung eine Rolle spielen und betroffene Patienten anfälliger für Herpes Simplex Virus aber auch für Warzen verursachende Viren machen. Bei einigen Patienten treten Infektionen mit Mykobakterien auf.

Bei ungefähr einem Drittel der Patienten mit STAT1 GOF-Erkrankung kommt es im Verlauf des Krankheitsgeschehens auch zu autoimmun ausgelösten Krankheitserscheinungen. Auch diese sind sehr variabel und treten nicht bei jedem Patienten auf. Meist treten einzelne Autoimmunerkrankungen auf, für die es spezifische Behandlungsmöglichkeiten gibt.

Autoimmunität bedeutet, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Der Körper bildet dann Autoantikörper, d.h. Antikörper die nicht gegen „fremd“ (Infekte), sondern gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Das kann zu verschiedenen Krankheitsbildern (Autoimmunerkrankungen) führen. Es sind vor allem die hormonbildenden Drüsen (endokrine Drüsen) betroffen. Folge können Störungen der Schilddrüse (Autoimmunthyreoditis) sein, aber auch Diabetes Mellitus Typ 1 (Zuckerkrankheit). Bei Diabetes Mellitus Typ 1 richtet sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen Anteile der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) und zerstört die Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Störungen in der Bildung von Wachstumshormonen können Ursache für ein verringertes Längenwachstum sein. Es kann zu einer Einschränkung der Hormonbildung der Nebennieren kommen. Auch Vitiligo der Haut (Weißfleckenkrankheit) und Alopezie (Haarausfall) können Ausdruck der autoimmunen Störung sein. Seltener kommt es zu Autoimmunzytopenien und Autoimmunerkrankungen der Leber (Autoimmun-Hepatitis). Bei den Autoimmunzytopenien bildet der Körper Antikörper gegen Blutzellen, die diese Zellen zerstören können. Das kann zu Auffälligkeiten im Blutbild, d.h. einer Erniedrigung der Anzahl der Thrombozyten (Blutplättchen) mit der Folge einer Blutungsneigung, Erythrozyten (rote Blutkörperchen) mit der Folge von Blässe, Leistungsknick und Müdigkeit oder der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) mit der Folge von Infektanfälligkeit führen.

Bei einigen wenigen Patienten kann es auch zu einer autoimmunen Störung mit Beteiligung des Magen-Darmtrakts durch Entzündungen der Schleimhäute kommen. Manchmal kommt es auch zu dem Beschwerdebild einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung mit der Folge von wiederkehrenden Durchfällen und gestörten Verwertung von Nahrungsbestandteilen. Häufig geht das mit einer Gewichtsabnahme oder mangelnder Gewichtszunahme bei jüngeren Patienten einher. In der Lunge können die fehlgesteuerten Immunreaktionen zu strukturellen Veränderungen des Lungengewebes führen. Dies verursacht Symptome wie Kurzatmigkeit, chronischen Husten und eitrigem Auswurf, wodurch die Anfälligkeit für Lungenentzündungen verstärkt sein kann. Atopische Erkrankungen, vor allem Asthma und Ekzeme treten bei ca. 20% der betroffenen STAT1 GOF-Patienten auf.

Eine seltene aber lebensbedrohliche Komplikation kann die Ausbildung eines Aneurysmas im Gehirn sein. Ein Aneurysma ist eine lokale Aussackung eines Blutgefäßes, die sich aufgrund einer Schwächung oder Schädigung der Gefäßwand entwickelt. Wenn so ein verändertes Blutgefäß platzt, kann es zu unkontrollierten Blutungen kommen.

Der Der Name STAT1 leitet sich von der Bezeichnung des Gens ab, welches bei diesem Defekt verändert ist. Das Gen liefert den Bauplan für das STAT1-Protein. STAT1 steht für Signal Transducer and Activator of Transcription 1 und dieses Protein ist wichtig für die Signalgebung in Immunzellen sowie in manchen anderen Körperzellen. Während einer Immunantwort, z.B. nach einer Infektion, tauschen Immunzellen Signale aus, die das Verhalten der Immunzellen steuern. Signale sind notwendig, damit sich die Zellen vermehren (das führt z.B. zur Schwellung von Lymphknoten während einer Infektion), damit sie aktiv werden gegen Infektionserreger, aber auch damit sich die Immunantwort nach erfolgreicher Kontrolle der Infektion wieder beruhigt (und dann die Lymphknoten auch wieder klein werden). Bei der STAT1 GOF-Erkrankung liegen Veränderungen im STAT1-Gen vor, die zu einer vermehrten Aktivität des STAT1-Proteins führen (Funktionsgewinn = Gain Of Function = GOF). Hierdurch werden auch ohne Notwendigkeit (außerhalb von Infektionen) Signale gegeben. Darüber hinaus sind die Signale bei einer Stimulation durch eine Infektion verstärkt. Dies führt dazu, dass Immunzellen außer Kontrolle geraten. Sie werden zu stark aktiviert was zu Entzündungen in Organen führt und sie beruhigen sich nicht so gut am Ende von Immunantworten. Die Folge sind entzündliche Erkrankungen z.B. der Haut (Ekzeme), der Bauchspeicheldrüse (Diabetes) oder der Schilddrüse, von Darm, Haut oder Lunge, seltener auch von anderen Organen. Darüber hinaus kommt es häufig zur chronischen Schwellung der Milz oder der Lymphknoten und zu Autoimmunreaktionen gegen Blutzellen (Autoimmunzytopenien).

Es kann auch zur „Erschöpfung“ von Immunzellen kommen, was zum Mangel an Antikörpern führt oder zur Anfälligkeit gegen Viren. Eine Ursache für die stark erhöhte Anfälligkeit gegenüber Pilzinfektionen und dem Krankheitsbild der Chronisch Mucocutanen Candidiasis, ist die fehlende Entwicklung sogenannter TH17-Zellen. Diese Immunzellen bilden den Botenstoff Interleukin-17, der bei der Kontrolle von Pilzinfektionen gebraucht wird. Das vermehrte Auftreten von Fieber und Entzündungsreaktionen ist durch eine überschießende Antwort von Immunzellen auf Entzündungsstoffe bedingt. Eine wichtige Rolle spielen hier Interferone, die ihre Signale über STAT1 an die Zellen geben. Der Minderwuchs ist möglicherweise durch die gestörte Balance verschiedener STAT-Moleküle bedingt, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Wachstumshormone geben ihre Signale an Zellen über das STAT5-Molekül weiter. Bei einer Überaktivierung von STAT1 wird die Funktion von STAT5 eingeschränkt.

STAT1 GOF ist eine seltene Erkrankung. Sie tritt bei ungefähr 1 von 10.000 Geburten auf. Aufgrund des Erbgangs (siehe unten) gehört sie unter den angeborenen Immundefekten allerdings eher zu den häufigeren Erkrankungen. In Deutschland sind ganz grob geschätzt ca. 50 Patienten davon betroffen.

Wenn eine Erbkrankheit vorliegt, bedeutet das in der Regel, dass der Patient von Mutter und/oder Vater ein fehlerhaftes Gen geerbt hat. Jeder Mensch besitzt von jedem Gen zwei Stück, eines vom Vater und eines von der Mutter. Für die meisten Erbkrankheiten ist es für den Ausbruch der Erkrankung nötig, dass beide Gene fehlerhaft sind, da ein gesundes Gen in der Regel ausreicht, genügend gesunde Proteine herstellen zu können. Bei STAT1 GOF ist nicht die Bildung des Proteins beeinträchtigt, sondern die gebildeten Proteine zeigen einen Funktionsgewinn (GOF). Auch wenn von dem einen Gen noch normale STAT1-Proteine gebildet werden, reicht die Bildung von verändertem STAT1 durch das andere Gen aus, um die Krankheit auszulösen. D.h. wenn ein Elternteil erkrankt ist, liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei jedem Kind der Familie bei 50%. Es handelt sich um eine Erkrankung mit einem sogenannten autosomal-dominanten Erbgang. Die genetische Veränderung kann aber auch bei dem betroffenen Patienten zum ersten Mal (de novo) auftreten ohne dass Eltern oder weitere Verwandte davon betroffen sind.

Um eine STAT1 GOF-Erkrankung festzustellen, ist eine sorgfältige körperliche Untersuchung des Patienten, sowie eine genaue Erhebung der Anamnese (Krankheitsgeschichte) erforderlich. Hier ist auch eine genaue Mitbeurteilung der Familiengeschichte von großer Bedeutung, insbesondere mit der Frage nach Infektanfälligkeit, Autoimmunität oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Die körperliche Untersuchung und die Krankengeschichte führen in ihrer spezifischen Ausprägung zunächst zu der Verdachtsdiagnose einer Störung des Immunsystems. Für sich genommen können alle Symptome auch bei Personen auftreten, die nicht an einem Immundefekt leiden, aber in der Kombination von hoher Anfälligkeit gegen Pilzinfektionen, Autoimmunität, Entzündung und Infektanfälligkeit sollte an einen Immundefekt gedacht werden.

Im Anschluss sind dann komplizierte Blutuntersuchungen notwendig, die Auskunft über die spezifische Störung des Abwehrsystems geben. In den Blutuntersuchungen zeigen sich vor allem Auffälligkeiten der Zellen des Abwehrsystems, den weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Der Begriff Leukozyten umfasst verschiedene Arten von Abwehrzellen und so lassen sich die Leukozyten noch spezifischer in einzelne Blutzellen differenzieren. Eine Untergruppe der Leukozyten sind die Lymphozyten, die häufig bei STAT1 GOF in ihrer absoluten Gesamtzahl etwas erniedrigt sind (Lymphozytopenie). Die Lymphozyten lassen sich wiederum mit speziellen Untersuchungen im Labor (Lymphozyten-Phänotypisierung) in weitere Untergruppen unterteilen. Bei dieser Untersuchung zeigt sich vor allem eine Erniedrigung der B-Zell Zahlen, der NK-Zellen und eine CD4/CD8 Lymphozytopenie.

Richtungsweisende Auffälligkeiten für eine STAT1 GOF-Erkrankung bei den Blutuntersuchungen sind vor allem aber die erhöhte STAT1-Aktivität und die ausgeprägte Erniedrigung TH17-Zellen. Diese Untersuchungen sind nur in Speziallabors verfügbar.

Bei einem Teil der Patienten zeigt sich eine Verminderung der spezifischen Impf-Antikörper bei oft normalen Gesamtspiegeln von Antikörpern (Immunglobulinen). Andere Patienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung auch einen Antikörpermangel. Meist kann die genaue Diagnose nicht allein durch immunologische Untersuchungen gestellt werden. Oft sind mehrere Blutentnahmen notwendig, um die Auffälligkeiten genau zu verstehen.

Auf Basis dieser Auffälligkeiten kann eine STAT1 GOF-Erkrankung vermutet werden, es sind dann genetische Untersuchungen notwendig, um das Vorliegen der Erkrankung zu beweisen. Bei dieser Untersuchung wird DNA aus einer Blutprobe sequenziert, das heißt auf einen Defekt in der Erbinformation für das STAT1-Protein untersucht.

Die Therapie ist abhängig vom Verlauf, der Schwere und dem Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung. Je nach Beschwerden und Komplikationen wird die Therapie individuell gesteuert und angepasst. Leider gibt es noch keine einfache ursächliche Therapie, daher steht die Behandlung der Pilzinfektionen und Autoimmunerkrankungen im Vordergrund, sowie der Schutz vor Infektionen der Atemwege. Die beiden wesentlichen Therapiebausteine sind daher die Prophylaxe (vorbeugende und dauerhafte Gabe), eine zielgerichtete Therapie der akuten Krankheitskomplikationen (z.B. Infektion). Spezifischere Ansätze sind eine medikamentöse Blockade der STAT1-Überaktivierung und in einigen wenigen Fällen ein „Austausch des Immunsystems“ durch eine Stammzelltransplantation.

Die Behandlung der Pilzinfektionen beinhaltet häufig zwei Therapiekomponenten. Zum einen die lokale Behandlung der Haut mit Salben, Cremes, Mundspülungen, Suspensionen und Lösungen (topische Behandlung) und die orale Therapie, d.h. eine systemisch wirksame Behandlung mit Tabletten. Ist aufgrund immer wiederkehrender Besiedlung der Haut und Schleimhäute eine systemische Behandlung in engen zeitlichen Abständen erforderlich, kann es eine Besiedlung mit resistenten Pilz-Stämmen begünstigen. Um das Risiko der Resistenzentwicklung zu minimieren, werden pilzwirksame Medikamente häufig auch als vorbeugende, regelmäßig verabreichte Dauermedikation, als sogenannte Prophylaxe eingesetzt. Werden diese Medikamente dauerhaft als Prophylaxe gegeben, sinkt das Risiko für die Ausbildung von Resistenzen.

Die Behandlung von Pilzinfektionen der Nägel ist wesentlich schwieriger, da die Medikamente aufgrund des hier fehlenden Flüssigkeits-Austausches, nicht so gut in die Nägel eindringen können. Pilzinfektionen der Nägel werden daher mit einem speziellen Nagellack oder einer Tinktur behandelt. Die pilzwirksamen Medikamente (Antimykotika) können so in die Nagelschichten eindringen und die Pilzinfektion lokal bekämpfen. Bei ausgeprägtem Pilzbefall der Nägel ist häufig eine begleitende orale Therapie erforderlich.

Bei bakteriellen Infektionen der Atemwege gilt es schnell und möglichst auf den auslösenden Erreger gerichtete und ausreichend lange antibiotische Behandlung zu beginnen. Manchmal ist auch eine prophylaktische Dauerbehandlung mit Antibiotika notwendig, um den Patienten so möglichst gut vor Infektionen zu schützen. Neben der zielgerichteten antibiotischen Therapie sind auch andere Therapien von Bedeutung die die Funktion der Lunge verbessern können. Mit gezielter Physiotherapie/Atemgymnastik können Techniken erlernt werden, welche den Abfluss und das richtige Abhusten von Sekret erleichtern. Neben der Physiotherapie ist auch das Inhalieren von Medikamenten ein wichtiger Bestandteil der Atemwegstherapie. Hierfür stehen verschieden kurz und langfristig wirksame Medikamente zur Verfügung. Neben der Wahl des geeigneten Medikaments und Inhalationsgerätes ist vor allem das Erlernen der richtigen Inhalationstechnik von großer Bedeutung. Werden Cortison-haltige Medikamente inhaliert, muss auf eine besonders gute Mundhygiene geachtet werden, da diese Medikamente die Besiedlung von Hefepilzen begünstigen können.

Da es im Verlauf der Erkrankung zu einer chronischen Lungenerkrankung mit Bronchiektasen (Aussackung der Bronchien) kommen kann ist auch eine gute Überwachung der Lunge erforderlich, um frühzeitig Schäden zu erkennen. Hierfür stehen Untersuchungsmethoden wie die Lungenfunktionsuntersuchung, Röntgen und die Computer-Tomographie zur Verfügung.

Bei den Patienten mit wiederkehrenden Infektionen der oberen und unteren Atemwege, sollte auch bei noch normalen Antikörperspiegeln im Blut die Therapie mit Antikörpern großzügig begonnen werden. STAT1 GOF-Patienten mit nachgewiesenem Antikörpermangel brauchen immer eine Antikörperersatztherapie. Die Antikörper werden als Infusionen verabreicht und können entweder subkutan als Heimtherapie oder intravenös in der Klinik gegeben werden. Da die Antikörper nach einer gewissen Zeit im Körper abgebaut werden, müssen die Infusionen regelmäßig wiederholt werden.

Entwickeln sich im Krankheitsverlauf autoimmune Erkrankungen, wie Diabetes Mellitus Typ1 oder Thyreoditis (autoimmun bedingte Entzündung der Schilddrüse), so müssen diese entsprechend eingestellt und behandelt werden. Bei entzündliche Erkrankungen, z.B. in Darm oder Lunge ist oft der Einsatz von Cortison hilfreich. Dieses Medikament ist aber aufgrund seiner Nebenwirkungen für eine längere Therapie in hohen Dosen nicht gut geeignet und kann auch zur einer Verschlechterung (Exacerbation) der Pilzinfektionen führen. Außerdem kann bei Patienten mit gestörter Wachstumshormonproduktion das Wachstum zusätzlich durch Cortison negativ beeinflusst werden.

Bei Autoimmunzytopenien können hochdosierte Immunglobulingaben zu einer Stabilisierung beitragen. Oft werden aber zusätzlich Medikamente eingesetzt, die das überaktive und fehlgesteuerte Immunsystem vorsichtig unterdrücken (Immunsuppressiva). Zu diesen Medikamenten gehört unter anderem das Mycophenolat (Cellcept), das bei Autoimmunzytopenien oft gute Wirksamkeit zeigt und Rapamycin (Sirolimus®), das bei Milz- und Lymphknotenvergrößerung und Autoimmunzytopenien eingesetzt wird. Bei schwer zu behandelnden Autoimmunzytopenien oder auch bei nicht-infektiösen entzündlichen Lungenerkrankungen kann der Einsatz von Rituximab (zur Eliminierung der Autoantikörper-bildenden B-Zellen eingesetzt) zu einer Besserung der Symptome führen.

Mit dem besseren Verständnis der STAT1 GOF-Erkrankung sind inzwischen auch gezieltere Behandlungen möglich, die direkten Einfluss auf die erhöhte STAT1-Signalgebung haben. Da die STAT-Moleküle von JAK-Proteinen aktiviert werden, können sogenannte JAK-Inhibitoren eingesetzt werden (z.B. JAKAVI = Ruxolitinib), um den Signalweg zu bremsen. Dieses Medikament gehört derzeit zu den wirkungsvollsten Therapieansätzen bei der STAT1 GOF-Erkrankung. Es hat aber auch mögliche Nebenwirkungen, die gut beobachtet werden müssen. Der langfristige Einsatz solcher Immunsuppressiva bei Patienten, deren Immunsystem ohnehin geschwächt ist, ist eine Entscheidung, die viel Erfahrung braucht, da eine unnötige weitere Schwächung des Immunsystems verhindert werden soll. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen gehört diese Behandlung in die Hände von Ärzten an Zentren, die Erfahrung im langfristigen Einsatz von Immunsuppressiva bei Patienten mit Immundefekten haben.

Knochenmarkstransplantation:

Mit der Knochenmarkstransplantation (KMT) steht grundsätzlich auch eine heilende Therapieoption für Patienten mit STAT1 GOF zur Verfügung. Das Ziel dieser Therapie ist es, das kranke Abwehrsystem (Immunsystem) durch das Immunsystems eines gesunden Spenders zu ersetzen. Gesundes Knochenmark ist reich an Blut-Stammzellen. Blut-Stammzellen sind Zellen, die keine oder nur eine geringe Differenzierung aufweisen und somit in ihrer späteren Funktion im Organismus noch nicht festgelegt sind. Dadurch haben Blut-Stammzellen die Fähigkeit, sich zu verschiedenen Blut-Zelltypen zu entwickeln, unter anderem zu Zellen des Immunsystems. Wird ein passender gesunder Spender gefunden, ist es möglich, dem betroffenen Kind gesundes Knochenmark zu übertragen. Zuvor muss jedoch das eigene, kranke Knochenmark durch eine Chemotherapie zerstört werden. Die Knochenmarkstransplantation ist kein chirurgischer Eingriff, wie man ihn von anderen Organen her kennt, sondern die im Knochenmark enthaltenen Stammzellen können einfach über eine Vene gespritzt werden. Über das Blut finden sie allein ihren Weg in das Knochenmark und beginnen dann dort, gesunde Blutzellen und damit auch Immunzellen zu bilden.

Um die KMT durchführen zu können, ist es wichtig, einen geeigneten Spender zu finden. Der Spender muss in wesentlichen Bluteigenschaften mit dem zu transplantierenden Patienten übereinstimmen. Daher wird auch bei Eltern und Geschwistern (manchmal auch bei weiteren Familienangehörigen) Blut abgenommen, um zu prüfen, ob sie die Merkmale mit dem Patienten teilen. Wird innerhalb der Familie ein zu dem betroffenen Kind passender Spender gefunden (meist ein gesundes Geschwisterkind), so kommt diese Person als Spender in Frage. Ist innerhalb der Familie kein geeigneter Spender zu finden, wird eine weltweite Suche nach einem geeigneten Spender über ein Register veranlasst. Hiermit besteht heute eine sehr gute Chance, für die meisten Patienten einen Spender zu finden.

Ist ein geeigneter Spender gefunden, so beginnt die Therapievorbereitung für die KMT. In der Regel ist es notwendig, vor der KMT eine Chemotherapie durchzuführen, um das kindliche Immunsystem zu zerstören und damit „Platz“ für das neue Knochenmark zu schaffen und das Risiko einer Abstoßung der transplantierten Stammzellen zu verringern. Bis das neue Knochenmark anwächst und ausreichend Blutzellen bildet, vergehen einige Wochen. In dieser Zeit ist der Patient auf die Infusion von Blutprodukten angewiesen und ist wegen des vorübergehend ganz zerstörten Immunsystems besonders anfällig für Infektionen. Manchmal kommt es auch zu einer „Unverträglichkeit“ des neuen Knochenmarks, die neu heranwachsenden Immunzellen erkennen den Körper des Patienten als „fremd“ und lösen Entzündungen aus (Graft-Versus-Host Disease oder GVHD), die behandelt werden müssen.

Diese und andere Risiken der KMT müssen der Aussicht auf eine vollständige Heilung sorgfältig gegenübergestellt werden. Meist sind die Komplikationen gut behandelbar, manche können aber auch einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Die Entscheidung zur KMT ist immer eine individuelle Entscheidung, die nicht nur durch die Grunderkrankung STAT1 GOF bestimmt wird, sondern auch durch die bisher aufgetretenen Infektionen und Entzündungen, die Spenderverfügbarkeit und das Alter des Patienten. Bevor es zu einer Therapieentscheidung kommt, wird ein Team von Spezialisten (Immunologen, Hämatologen) die Vorgehensweise, Risiken und Nutzen genau mit Ihnen besprechen und es wird Ihnen genug Zeit gegeben, Fragen zu stellen und Unsicherheiten zu klären.

Die Prognose der STAT1 GOF-Erkrankung ist aufgrund der Variabilität der Erkrankung sehr unterschiedlich. Typisch ist ein Verlauf mit wiederholten, z.T. schweren Episoden mit Infektionen und/oder entzündlichen oder Autoimmunerscheinungen, zwischen denen aber auch Phasen liegen, in denen der Patient kaum beeinträchtigt ist. Chronische Probleme mit Pilzinfektionen an den Schleimhäuten und Nägeln sind typisch, langfristige Therapien können auch zu Resistenzen führen, die die Therapie erschweren. Über lange Zeit unkontrollierte Pilzinfektionen können einen Speiseröhrenkrebs begünstigen. Die Autoimmunerscheinungen können akut, aber auch chronisch verlaufen und dann zu dauerhafter Therapie und Reduktion der Lebensqualität führen. Mit Hilfe von Immunglobulinen, prophylaktischen Medikamenten gegen Pilze, Bakterien und Viren sowie Immunsuppressiva können diese Krankheitszeichen vermindert, aber meist nicht vollständig vermieden werden. Häufig treten nach wiederholten Infektionen und Entzündungen chronische Lungenveränderungen auf, die langfristig ein Problem darstellen. Die Lunge muss daher durch Lungenfunktionsuntersuchungen und Röntgenuntersuchungen einschließlich CT gut überwacht werden. Eine gute „Lungenhygiene“ mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr und Bewegung sowie intensiver krankengymnastischer Behandlung ist ein ganz wichtiges Therapieelement. Die Knochenmarkstransplantation bei STAT1 GOF-Erkrankung ist nach den bisherigen Erfahrungen mit höheren Risiken verbunden als bei anderen angeborenen Immundefekten. Es muss daher in jedem Fall eine individuelle Entscheidung mit in der Behandlung dieser Erkrankung erfahrenen Ärzten getroffen werden.

Die Wirkung von Impfungen besteht darin, die Bildung von Antikörpern anzuregen. Wenn die Antikörperbildung gestört ist, sind Impfungen nur von begrenztem Nutzen. Bei Patienten mit STAT1 GOF können alle nach STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlenen Impfungen mit Todimpfstoffen gefahrlos durchgeführt werden. Die Anwendung von Lebendimpfstoffen (MMR, Rotavirus, nasale Grippeimpfstoffe, Gelbfieber) sollte allerdings nur nach Rücksprache mit einem in der Behandlung von STAT1 GOF-Patienten erfahrenen Arzt erfolgen.

Sind die Patienten mit Antikörperinfusionen (Immunglobulinen) behandelt, erhalten sie sozusagen einen passiven Schutz durch die Antikörper und weitere Standard-Impfungen müssen nicht durchgeführt werden. Dennoch macht es Sinn, die Patienten zusätzlich gegen Influenza (Grippe), SARS-CoV2, FSME (Frühsommermeningoenzephalitis, je Wohnort) und gegen HPV (Humanes Papillom Virus) zu impfen, da diese Antikörper in der Regel nicht in den Präparaten enthalten sind. Die Impfung macht auch bei eingeschränkter Antikörperproduktion Sinn, da oft auch T-Zell Antworten zum Impfschutz beitragen können. Eine jährliche Impfung der engen Kontaktpersonen mit dem Influenza-Impfstoff ist zum Schutz des Patienten ebenfalls sinnvoll.

Kinder mit STAT1 GOF können in der Regel den Kindergarten und die Schule besuchen. Spezielle Isolations- oder Hygienemaßnahmen bringen keinen Vorteil. Bei Überlegungen zur Berufswahl ist eine Beratung sinnvoll.

Grundsätzlich kann mit einer Knochenmarkstransplantation das kranke Immunsystem eines STAT1 GOF-Patienten durch ein gesundes ausgetauscht werden. Bei erfolgreicher Transplantation werden alle Risiken durch Infektionen, gestörter Immunregulation und Lymphomentstehung beseitigt. Krankheitserscheinungen durch bereits abgelaufene Infektionen (z.B. Narben oder Veränderungen in der Lunge) können nicht mehr beseitigt werden. Der Zeitpunkt für eine Transplantation sollte sorgfältig gewählt werden, zu früh ist oft das Risiko einer Transplantation nicht zu rechtfertigen, wenn zu lange gewartet wird, können aber Organschäden bereits zu ausgeprägt sein. Trotz all dieser Schwierigkeiten und der Ernsthaftigkeit der Erkrankung stehen aber auch über die Transplantation hinaus viele Therapiemöglichkeiten zur Verfügung und die Gesamtprognose ist besser als bei einer Reihe von anderen Immundefekten.

Stand
März 2021

Hinweis
Wir möchten mit unseren Patientenbroschüren gerne dazu beitragen, dass betroffene Patienten, Eltern und ihr Umfeld die Erkrankung und ihre Behandlung besser verstehen. Die Broschüren sind sorgfältig erstellt und beschreiben die Erkrankung und deren Behandlung. Auch wenn Sie viele Informationen in den Broschüren finden, können diese vorliegenden Informationen keinen Arztbesuch ersetzen.

Autor
Henrike Ritterbusch

+49 (0)761 270-45240

henrike.ritterbusch@uniklinik-freiburg.de


Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. Stephan Ehl

+49 (0)761 270-77300

stephan.ehl@uniklinik-freiburg.de


UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG
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