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Hyper-IgE Syndrom (HIES)

Das Hyper-IgE Syndrom (STAT3-HIES) ist eine seltene angeborene chronische Erkrankung, die u.a. auf einer Fehlsteuerung des Abwehrsystems beruht.

Ihren Namen hat die Erkrankung daher, dass im Blut erhöhte Spiegel von Immunglobulin E nachzuweisen sind. Immunglobulin E (IgE) ist ein Antikörper. Antikörper spielen in der Regel eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen, im Falle von IgE sind das vor allem Infektionen mit Parasiten oder Würmern. Andererseits spielt das IgE eine wichtige Rolle bei der Entstehung allergischer Reaktionen, so dass bei Allergikern häufig deutlich erhöhte IgE Spiegel nachzuweisen sind. Beim STAT3-HIES werden erhöhte IgE Spiegel jedoch nicht aufgrund von allergischen Erkrankungen oder Parasiten-Infektionen beobachtet. Die Ursache des erhöhten IgE ist vielmehr eine genetisch bedingte Fehlsteuerung der Blutzellen, die das IgE herstellen. Hierdurch kommt es zu einer Überproduktion des IgE (Hyper = zuviel). Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass das hohe IgE selbst bei dieser seltenen angeborenen genetischen Erkrankung keine krankheitsauslösende Wirkung hat. Die Krankheit ergibt sich dadurch, dass der genetische Fehler neben der IgE-Erhöhung viele andere Folgen hat, die vor allem das Immunsystem weniger leistungsfähig machen.

Es gibt verschiedene genetische Erkrankungen, die zu einer IgE-Erhöhung führen. Auch wenn sie die markante Erhöhung von IgE als Gemeinsamkeit haben, unterscheiden sich diese Erkrankungen in den Folgen für andere Teile des Immunsystems. Das führt dazu, dass Risiken und Komplikationen für diese Erkrankungen unterschiedlich sind und sich auch die Therapieansätze unterscheiden. Die häufigste genetische Erkrankung mit IgE-Erhöhung ist, das sog. STAT3-assoziierte Hyper-IgE Syndrom (STAT3-HIES), das daher auch als „klassisches Hyper-IgE Syndrom“ bezeichnet wird. Ein ähnliches Krankheitsbild wird durch genetische Erkrankungen ausgelöst, die den IL-6 Rezeptor oder das Gen ZFN341 betreffen. Diese Patienteninformation beschränkt sich auf dieses „klassische Hyper-IgE Syndrom“ (STAT3-HIES).

Nicht besprochen werden andere genetische Erkrankungen, die auch zu erhöhtem IgE führen und manchmal als „atypische Hyper-IgE Syndrome“ bezeichnet werden. Bei diesen anderen Erkrankungen sind andere Teile des Immunsystems stärker betroffen und dadurch ergeben sich andere Risiken, andere prognostische Einschätzungen und andere Therapiekonzepte. Diese Erkrankungen sind: Das Comel-Netherton Syndrom, die PGM3 Defizienz, ERBIN Defizienz, Loeys-Dietz Syndrom oder die CARD11 assoziierte Erkrankung.

Das „klassische“ STAT3-HIES ist eine Multisystemerkrankung, d.h. es sind mehrere Strukturen im Körper gleichzeitig betroffen. Die wesentlichen Symptome (Krankheitszeichen) des sind STAT3-HIES wiederkehrende Abszesse der Haut und Weichteile, Lungenentzündungen, sowie eine ekzematöse Hauterkrankung. Die sich meist an der Haut manifestierenden Abszesse, können mit oder ohne die abszesstypischen Merkmale einer Entzündung wie Rötung, Überwärmung und Schmerz auftreten. Die Lungenentzündungen gehen oft mit einer Defektheilung einher, die typischerweise zur Bildung von Pneumatozelen (zystische Hohlräume) führt. Eine allergisch-asthmatische Erkrankung der Lunge kann vorkommen, ist aber nicht typisch. Das Ekzem ist trocken und häufig juckend, zeigt aber meistens nicht die typische Verteilung des atopischen Ekzems. Der Beginn der Hautsymptome ist oft schon im frühen Säuglingsalter. Häufig sind auch chronische Pilzinfektionen des Nagelbetts. Neben diesen Hauptsymptomen treten beim STAT3-HIES Zeichen einer Bindegewebsstörung auf, zu denen vergröberte Gesichtszüge, ein fehlendes Ausfallen der Milchzähne (bei normaler Entwicklung der bleibenden Zähne), Überstreckbarkeit der Gelenke, Skoliose (eine Schiefstellung der Wirbelsäule) und erhöhte Knochenbrüchigkeit gehören können. Darüber hinaus sind Gefäßerkrankungen häufiger, die sich aufgrund einer Bindegewebsschwäche als Gefäßaussackungen (Aneurysmen) zeigen.   Auch das Risiko von bösartigen Erkrankungen ist etwas erhöht, etwa 5-8% der STAT3-HIES Patienten entwickeln Tumoren.

STAT3-HIES ist eine seltene Erkrankung. Sie tritt in Deutschland bei ungefähr 1 von 100.000 Personen auf.

Es gibt keine bekannten äußeren Ursachen der Erkrankung. Falsche Ernährung, Infektionen, Impfungen, Medikamente oder andere äußere Faktoren sind sicher nicht an der Entstehung der STAT3-HIES-Erkrankung beteiligt. STAT3-HIES ist eine genetische Erkrankung. Das bedeutet, dass der Bauplan (Gen) für ein Eiweiß (Protein) einen Fehler hat und damit das Protein nicht mehr in der in der richtigen Form oder gar nicht mehr gebildet werden kann. Das STAT3-HIES wird durch Mutationen in einem Gen verursacht, das STAT-3 genannt wird. STAT-3 ist u.a. wichtig für die Bildung von Abwehrstoffen in Haut und Lunge, die unter anderem für die Abwehr von Pilzinfektionen wichtig sind, für die Wanderung von Blutzellen an den Ort einer Entzündung und für den normalen Ablauf einer Entzündungsreaktion. STAT-3 spielt auch eine Rolle in der Bindegewebsentwicklung. Bei Fehlern im Bauplan für STAT-3 kann es daher z.B. bei Lungenentzündungen zu schweren Verläufen ohne angemessene Abwehr- und Entzündungsreaktion kommen und bei der Ausheilung können aufgrund des Bindegewebsdefekts ausgeprägte Defektheilungen entstehen (sog. Pneumatozelen).

Ja und nein. Manchmal wird die Erkrankung von einem Elternteil vererbt, manchmal tritt die Erkrankung sporadisch auf, d.h. nur eine Person in der Familie ist betroffen.

Wenn eine Erbkrankheit vorliegt, bedeutet das, dass der Patient von Mutter und/oder Vater ein fehlerhaftes Gen geerbt hat. Jeder Mensch besitzt von jedem Gen zwei Stück, eines vom Vater und eines von der Mutter. Für die meisten Erbkrankheiten ist es für den Ausbruch der Erkrankung nötig, dass beide Gene fehlerhaft sind, da ein gesundes Gen in der Regel ausreicht, genügend gesunde Proteine herstellen zu können. Beim STAT3-HIES reicht jedoch das Vorliegen eines fehlerhaften Gens, um die Erkrankung hervorzurufen. D.h. wenn ein Elternteil erkrankt ist, liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit der Nachkommen bei 50 %. Es handelt sich um eine Erkrankung mit sogenanntem autosomal-dominanten Erbgang. Ein STAT-3 Defekt tritt aber oft auch sporadisch auf, d.h. die genetische Veränderung entsteht vorgeburtlich beim Patienten ohne dass diese vererbt ist.

Es gibt eine weitere STAT3-assoziierte Erkrankung, bei der die genetische Veränderung nicht zu einem Funktionsverlust, sondern zu einem Funktionsgewinn (Gain of function = GOF) des STAT3 Moleküls führt. Diese STAT3-GOF Erkrankung sollte nicht mit dem HIES verwechselt werden. Sie führt zu einem ganz anderen Krankheitsbild mit Überaktivität des Immunsystems (Autoimmunität).

Es gibt momentan noch keinen einfachen Bluttest, um die STAT3-HIES Erkrankung festzustellen. Entscheidend ist eine sehr sorgfältig erhobene Krankheitsgeschichte in Verbindung mit einer gründlichen körperlichen Untersuchung und mehreren Blutuntersuchungen. Typischerweise wird hierbei ein stark erhöhter IgE-Spiegel sowie eine Eosinophilie (besondere Form der weißen Blutkörperchen) nachgewiesen. Da diese beiden Zeichen häufig sind und z.B. auch bei Patienten mit schwerem atopischem Ekzem und/oder Asthma bronchiale gefunden werden, ist die Unterscheidung zwischen STAT3-HIES und einer schweren allergischen Erkrankung mit Haut- und Lungenbeteiligung im Kindesalter manchmal nicht ganz einfach. Eine Reihe der charakteristischen Symptome des STAT3-HIES entwickeln sich erst im Laufe des Lebens, so dass oft eine sichere Diagnose erst durch Beobachtung im Verlauf möglich wird. 

Als Hilfe zur Diagnosestellung wurde ein spezieller STAT3-HIES-Score entwickelt. Dies ist eine Symptomscala, anhand welcher den verschiedenen STAT3-HIES-typischen Befunden Punkte zugewiesen werden. Es muss eine bestimmte Punktzahl vorhanden sein, um eine klinische (d.h. nicht genetisch gesicherte) Diagnose stellen zu können. Als immunologische Auffälligkeiten lassen sich verminderte Gedächtnis-B-Zellen und verminderte Th17-Zellen nachweisen. Diese Befunde sind aber ebenfalls nicht spezifisch, d.h. sie kommen auch bei anderen Erkrankungen vor. Darüber hinaus kann eine genetische Untersuchung auf Veränderungen im STAT-3 Gen durchgeführt werden. Werden solche Veränderungen gefunden, ist die Diagnose auch genetisch gesichert, werden keine Veränderungen gefunden, muss auch nach Mutationen in den Genen ZNF341 und IL6 Rezeptor gesehen werden. Außerdem müssen andere Immunerkrankungen mit IgE-Erhöhung abgegrenzt werden.

Die Behandlung des STAT3-HIES besteht in erster Linie in der Prophylaxe und Therapie der auftretenden Symptome. Eine ursächliche Behandlung ist derzeit noch nicht möglich. Ansätze, um die Anzahl der Erkrankungen möglichst gering zu halten, sind eine Prophylaxe (Vorbeugung) gegen die rezidivierenden Infektionen der Haut und der Atemwege mit Antibiotika. In manchen Fällen ist auch eine Prophylaxe gegen Pilzinfektionen mit Antimykotika (Medikamenten die gegen Pilzinfektionen gerichtet sind ) sinnvoll. In manchen Fällen ist diese Prophylaxe gegen Infektionen nicht hinreichend und es kann eine Therapie durch Immunglobulininfusionen versucht werden. Um das Hautbild zu verbessern ist zunächst einmal lokale Behandlung wichtig, wie mit rückfettenden und ggf. auch Cortison-haltigen-Salben und ggf. antibiotischen oder antimykotischen (das Wachstum von Pilzen beeinflussenden) Cremes. Deutliche Verbesserungen von Hautekzemen können durch Therapie mit bestimmten Antikörpern erreicht werden, die die bei STAT3-HIES vermehrt gebildeten Entzündungsstoffe abfängt. Am häufigsten wird Dupilumab® eingesetzt. Es wird subcutan (unter die Haut) gespritzt und alle zwei Wochen verabreicht. Auch andere ähnliche Medikamente (monoklonale Antikörper) sind erfolgreich zur Behandlung von ekzematösen, allergischen oder asthmatischen Beschwerden bei STAT3-HIES Patienten eingesetzt worden. Bei diesen Therapieformen, die auch für Asthma oder schwere Neurodermitis eingesetzt werden, gibt es viele neue Entwicklungen. Sie können hier nicht alle angesprochen werden und müssen im Gesamtbehandlungskonzept mit dem Behandlungsteam besprochen werden. 

Wenn Infektionen auftreten, müssen sie intensiv behandelt werden, damit sie vollständig ausheilen können. Man muss wissen, dass aufgrund der eingeschränkten Entzündungsreaktion die Krankheitszeichen bei einer Lungenentzündung oder einem Abszess in Bezug auf die Schwere der Erkrankung relativ gering sein können. Jede fieberhafte Erkrankung muss daher ernst genommen werden. Aufgrund des eingeschränkten Immunsystems dauert die Behandlung oft länger als bei Patienten mit gesundem Immunsystem.  Manchmal sind chirurgische Eingriffe wie Abszessspaltung oder auch Lungenoperationen nicht zu umgehen. Da chirurgische Eingriffe bei STAT3-HIES ein höheres Komplikationsrisiko bergen, wird empfohlen, chirurgische Optionen nur bei Arzneimittelresistenzen oder in Notfällen einzusetzen.

Viele angeborene Störungen des Immunsystems können durch eine Knochenmarkstransplantation (KMT) vollständig geheilt werden. Das gilt nicht für das STAT3-HIES, weil die Erkrankung nicht nur Immunzellen betrifft, sondern auch andere Körperzellen, die sich durch eine KMT nicht ersetzen lassen. Dennoch kann eine KMT durch eine Korrektur der Immunzellen einige wichtige Aspekte der Erkrankung verbessern. Hierzu gehören insbesondere Infektionen der Haut und das Ekzem, die nach KMT komplett verschwinden können. Außerdem kann durch eine erfolgreiche KMT das Fortschreiten der Lungenerkrankung aufgehalten werden. Die wichtige Frage, ob auch Gefäßveränderungen beeinflusst werden, kann noch nicht beantwortet werden. Eine KMT hat allerdings eigene Risiken (bis zum Versterben) und die Frage, ob und wann ein solcher Eingriff bei STAT3-HIES sinnvoll ist, muss sorgfältig diskutiert werden. Dabei muss sowohl der Krankheitsverlauf sowie bereits vorliegende Organschäden als auch die Verfügbarkeit eines geeigneten Spenders mit in die Entscheidung einfließen. 

Die Prognose der STAT3-HIES Erkrankung ist insgesamt gut, wenn auch die Lebensqualität beeinträchtigt sein kann. Probleme bereiten langfristig vor allem chronische Lungenerkrankungen auf dem Boden wiederholter Infektionen. Die Lunge sollte daher engmaschig untersucht werden. Hierzu gehören regelmäßige Lungenfunktionsuntersuchungen, aber auch Röntgenbilder oder die Computertomographie, die es erlaubt, auch kleinere Narben, Erweiterungen oder zystische Hohlräume zu erfassen. Durch eine frühe Diagnosestellung können schwere Komplikationen vermieden werden. Die Skolioseneigung sollte durch eine orthopädische Begleitung frühzeitig erfasst und ggf. therapiert werden. Bei Patienten mit STAT3-HIES besteht ein etwas erhöhtes Risiko an Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen) oder anderen Krebsformen sowie an Gefäßerkrankungen zu erkranken. Durch entsprechende Vorsorgeuntersuchungen bei einem mit diesen Erkrankungen vertrauten Arzt lassen sich diese bei rechtzeitiger Erkennung in der Regel behandeln.

Spezielle Nebenwirkungen von Impfungen bei der STAT3-HIES Erkrankung sind nicht bekannt. Alle Impfungen sollten nach Impfplan durchgeführt werden. Es empfiehlt sich eine Kontrolle der Impftiter, da einige Patienten nicht gut ansprechen. Bei Patienten mit Immunglobulinsubstitution sind viele Impfungen nicht wirksam und nicht nötig, speziell gegen Influenza, COVID, FSME und HPV sollten aber Impfungen durchgeführt werden.

Kinder mit der STAT3-HIES Erkrankung können den Kindergarten und Schule uneingeschränkt besuchen.

Die STAT3-HIES Erkrankung kann bisher nicht geheilt werden. Die Erkrankung ist chronisch, d.h. sie besteht lebenslang. Durch eine konsequente Therapie bei Infektionen, eine sorgfältige Überwachung in einem Zentrum, das im Umgang mit der Erkrankung Erfahrung hat sowie eine frühzeitige und intensive Behandlung auftretender Infektionen können die meisten Patienten ein normales Leben führen.

Stand
April 2024

Hinweis
Wir möchten mit unseren Patientenbroschüren gerne dazu beitragen, dass betroffene Patienten, Eltern und ihr Umfeld die Erkrankung und ihre Behandlung besser verstehen. Die Broschüren sind sorgfältig erstellt und beschreiben die Erkrankung und deren Behandlung. Auch wenn Sie viele Informationen in den Broschüren finden, können diese vorliegenden Informationen keinen Arztbesuch ersetzen.

Autor
Henrike Ritterbusch

+49 (0)761 270-45240

henrike.ritterbusch@uniklinik-freiburg.de


Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. Stephan Ehl

+49 (0)761 270-77300

stephan.ehl@uniklinik-freiburg.de


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