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CTLA4 Defizienz

Bei der CTLA4 Defizienz handelt es sich um einen seltenen angeborenen Immundefekt. Angeborene Immundefekte sind erbliche Erkrankungen, denen ein genetischer Defekt zugrunde liegt. Das Immunsystem hat die Aufgabe, Infektionen abzuwehren. Die meisten Immundefekte gehen daher mit einer erhöhten Anfälligkeit gegen Infektionen einher. Die Abwehrreaktionen des Immunsystems unterliegen einer strengen Kontrolle. Wenn ein Infekt abgewehrt ist, wird die Immunantwort rasch und effektiv gebremst. Bei einigen Immundefekten, auch bei der CTLA4 Defizienz, ist diese Regulation gestört. Es kommt zu überschießenden und fehlgeleiteten Immunreaktionen, die neben Infektionsanfälligkeit zu Entzündungen und Autoimmunität führen.

Häufig ist der Krankheitsbeginn in der frühen Kindheit, wobei die Patienten mit wiederkehrenden Infektionen der Atemwege und/ oder mit entzündlichen Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen auffallen. Die Art der auftretenden Symptome, aber auch die Schwere der Beschwerden können sich von Patient zu Patient stark unterscheiden. Auch der Beginn der ersten Symptome ist variabel, manche Patienten zeigen erst als Jugendliche oder junge Erwachsene erste Krankheitserscheinungen. Schaut man sich die bis heute gesammelten Daten an von Patienten mit CTLA4 an, dann zeigt sich im Durchschnitt ein Erkrankungsbeginn im Lebensalter von elf Jahren.

Häufig kommt es bereits ab dem frühen Kindesalter zu immer wiederkehrenden Infektionen der oberen Atemwege. Bakterielle Infektionen der Bronchien und Lunge, aber auch Mittelohrentzündungen (Otitiden) und Nebenhöhlenentzündungen (Sinusitiden) treten hierbei vermehrt auf. Die Infektionen verlaufen oft schwerwiegender als beim immungesunden Menschen und können zu Schädigung an den betroffenen Organen führen, wie z.B. zu Bronchiektasen (Aussackungen der Bronchien, in welchen sich dauerhaft Keime ansiedeln können) oder zu einer Hörminderung bei wiederholten Mittelohrentzündungen durch Vernarbungen des Trommelfells.

Bei einem Großteil der Patienten kommt es auch früh zu einer Schwellung der Lymphgewebe (Lymphoproliferation). Hierzu gehören die Mandeln (Tonsillen) und Polypen (Adenoide), die die Infektneigung der Ohren, Nebenhöhlen und Lunge noch verstärken können. Häufig kommt es außerdem zu einer allgemeinen Lymphknotenschwellung und zu einer deutlichen Größenzunahme der Milz und manchmal auch der Leber. Die Milzvergrößerung kann so ausgeprägt sein, dass das Risiko einer Milzverletzung dadurch deutlich steigt und eine Behandlung erforderlich macht, um die Milz zu verkleinern. Bei einigen Patienten ist diese Vergrößerung der Lymphorgane noch ohne vermehrte Infekte der erste Hinweis auf eine Erkrankung des Abwehrsystems.

Die Lymphoproliferation und die wiederkehrende Infektionen der Atemwege gehören zu den häufigsten Symptomen, mit welchen sich Patienten mit CTLA4 präsentieren. Bei den meisten Patienten zeigt sich dann bei der weiterführenden Diagnostik eine Erniedrigung der Antikörper (Immunglobuline) im Blut. Ungefähr zwei Drittel der betroffenen Patienten haben diese Symptome zu Beginn der Erkrankung oder entwickeln sie im Verlauf.

Die Störung des Abwehrsystems kann sich auch dadurch äußern, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Der Körper bildet dann Autoantikörper, d.h. Antikörper die nicht gegen „fremd“ (Infekte), sondern gegen körpereigene Strukturen gerichtet sind. Das kann zu verschiedenen Krankheitsbildern (Autoimmunerkrankungen) führen. Mehr als die Hälfte der Patienten mit CTLA4 haben im Verlauf der Erkrankung immer wieder Auffälligkeiten im Blutbild, v.a. eine Erniedrigung der Anzahl der Thrombozyten, Erythrozyten oder Leukozyten verursacht durch Autoantikörper (Autoimmunzytopenien). Auch die Gelenke können von solchen Autoimmunerkrankungen betroffen sein, wodurch es zu schmerzhaften, entzündlichen Veränderungen, meist der großen Gelenke kommen kann. Dies ist aber deutlich seltener und nur bei ca. 15% der Patienten zu beobachten. Bei manchen Patienten kann es auch zu einer Erkrankung der Schilddrüse (Autoimmunthyreoditis) kommen.

Bei vielen Patienten findet man außerdem eine Einwanderung von Immunzellen (Infiltration von Lymphozyten) in unterschiedliche Organe, wie z.B. in die Lunge, in den Verdauungstrakt, die Nieren, die Leber, das Gehirn oder das Knochenmark. Dies kann zu einer Entzündung und einer Funktionseinschränkung des jeweiligen Organs führen. Am häufigsten sind bei der CTLA4 Erkrankung Entzündungen der Schleimhäute im Magen-Darmtrakt. Dies führt zu dem Beschwerdebild einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, mit der Folge von wiederkehrenden Durchfällen und gestörter Verwertung von Nahrungsbestandteilen. Das Bild ist ähnlich wie bei einem Morbus Crohn oder einer Colitis ulzerosa und geht häufig mit einer Gewichtsabnahme oder mangelnden Gedeihen bei jüngeren Patienten einher. Mehr wie die Hälfte (ca. 60%) der Patienten mit CTLA4-Defekt leiden im Verlauf an einer entzündlichen Darmerkrankung. Ähnlich häufig kommt es auch zu einer Beteiligung der Haut im Sinne von ekzematös-entzündlichen Hauterscheinungen. In der Lunge führen die fehlgesteuerten Immunreaktionen häufig zu einer Kombination aus Knötchen und Infiltrationen, die als granulomatöse lymphozytäre interstitielle Lungenerkrankung (GLILD) bezeichnet wird. Diese kann zu strukturellen Veränderungen des Lungengewebes und Symptomen wie Kurzatmigkeit, chronischem Husten und eitrigem Auswurf führen und die Anfälligkeit für Lungenentzündungen über den Antikörpermangel hinaus verstärken. Neurologische Symptome wie chronische Kopfschmerzen, Krampfanfälle oder Lähmungen können ein Hinweis auf entzündliche Veränderungen des Gehirns geben, die gewisse Ähnlichkeiten zur Multiplen Sklerose haben. Diese Symptome sind deutlich seltener und nur bei ca. einem Drittel der Patienten zu beobachten. Auch das Risiko für die Entstehung von Lymphknotenkrebs (Lymphomen) ist bei Patienten mit CTLA4 Defekt erhöht. Insgesamt sind bösartige Erkrankungen bei diesen Patienten selten, müssen aber immer bei unklaren Schwellungen des Lymphgewebes bedacht werden.

Die Abkürzung CTLA4 steht für Cytotoxic T-Lymphocyte-Associated Protein 4. CTLA4 ist ein körpereigenes Protein (Eiweiß), das sich auf der Oberfläche von bestimmten Abwehrzellen befindet, den T-Zellen. Das CTLA4 Protein verhindert, dass überschießende aktivierende Signale an die T-Zelle gegeben werden. Damit wird im Rahmen einer Immunantwort die Stimulation von T- Zellen zum richtigen Zeitpunkt gebremst und die Immunantwort beendet. Es ist einer der Mechanismen im Immunsystem, welcher eine unkontrollierte Reaktion des Immunsystems verhindert.

Eine Verminderung des CTLA4 Proteins führt dazu, dass stimulierende Informationen in den T-Zellen zu lange oder zu stark weitergegeben werden. Den Immunzellen wird so signalisiert, fortlaufend aktiv zu bleiben und sich immer weiter zu vermehren (proliferieren), obwohl der Grund für so eine Vermehrung (z.B. eine Infektion) gar nicht mehr besteht. Es vermehren sich auch Immunzellen, die sich bei normaler Signalleitung gar nicht vermehren. Dies betrifft auch Zellen, die sich nicht gegen Infektionen, sondern gegen den eigenen Körper richten. Die ausgeprägte Vermehrung führt mit der Zeit auch dazu, dass Immunzellen vorzeitig altern und absterben. Das führt dann zu einem Mangel an Immunzellen, was wiederum eine Abwehrschwäche nach sich zieht. Die Abwehrschwäche wird dadurch verstärkt, dass T-Zellen, die zu starke Signale erhalten, ihren normalen Funktionen (z.B. Hilfe bei der Bildung von Antikörpern) nicht mehr richtig nachkommen können.

Die CTLA4 Defizienz ist eine seltene Erkrankung. Sie tritt bei ungefähr 1 von 10.000 Geburten auf. Aufgrund des Erbgangs (siehe unten) gehört sie unter den angeborenen Immundefekten allerdings eher zu den häufigeren Erkrankungen.

Wenn eine Erbkrankheit vorliegt, bedeutet das in der Regel, dass der Patient von Mutter und/ oder Vater ein fehlerhaftes Gen geerbt hat. Jeder Mensch besitzt von jedem Gen zwei Stück, eines vom Vater und eines von der Mutter. Für die meisten Erbkrankheiten ist es für den Ausbruch der Erkrankung nötig, dass beide Gene fehlerhaft sind, da ein gesundes Gen in der Regel ausreicht, genügend gesunde Proteine herstellen zu können. Bei der CTLA4 Defizienz ist die Bildung gesunder Proteine von einem Gen nicht ausreichend, daher reicht das Vorliegen eines fehlerhaften Genes, um die Erkrankung hervorzurufen. D.h. wenn ein Elternteil erkrankt ist, liegt die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei jedem Kind der Familie bei 50%. Es handelt sich um eine Erkrankung mit einem sogenannten autosomal-dominanten Erbgang. Die genetische Veränderung kann aber auch bei dem betroffenen Patienten zum ersten Mal auftreten, ohne dass Eltern oder weitere Verwandte davon betroffen sind. Auf jeden Fall sollte bei Feststellen der Erkrankung näheren Verwandten, vor allem Eltern und Geschwistern, auch eine genetische Untersuchung angeboten werden.

Gesunde Mutationsträger:

Aus bisher nicht gut verstandenen Gründen entwickelt nicht jede Person, die ein verändertes CTLA4 Gen besitzt, auch offensichtliche Krankheitssymptome. In diesem Fall spricht man von einer „variablen Penetranz“ der Erkrankung und von „gesunden Mutationsträgern“. Bei genauerem Hinsehen im Rahmen einer sorgfältigen Anamnese und weiterführenden immunologischen Untersuchungen, zeigt sich aber bei ca. 40% der gesunden Mutationsträger dennoch ein Antikörpermangel, der aber nur bei einem geringen Teil zu einer Infektionshäufung führt. Deutlich seltener lässt sich auch eine Beteiligung der Haut und des Magen-Darm-Traktes finden. Auch bei diesen geringen Symptomen sollten sich Betroffene in regelmäßige Betreuung durch einen erfahrenen Immunologen begeben.

Um eine CTLA4 Defizienz festzustellen, ist eine sorgfältige körperliche Untersuchung des Patienten, sowie eine genaue Erhebung der Anamnese (Krankheitsgeschichte) erforderlich. Hier ist auch eine genaue Mitbeurteilung der Familiengeschichte von großer Bedeutung, insbesondere mit der Frage nach Infektanfälligkeit, Autoimmunität oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen (v.a. in Darm oder Lunge). Die körperliche Untersuchung und die Krankengeschichte führen in ihrer spezifischen Ausprägung zunächst zu der Verdachtsdiagnose einer Störung des Immunsystems. Für sich genommen können alle Symptome auch bei Personen auftreten, die nicht an einem Immundefekt leiden, aber in der Kombination von Autoimmunität, Entzündung und Infektanfälligkeit sollte an einen Immundefekt gedacht werden.

Im Anschluss sind dann komplizierte Blutuntersuchungen notwendig, die Auskunft über die spezifische Störung des Abwehrsystems geben. Es gibt eine Reihe von Immundefekten, die ähnliche klinische Symptome zeigen, so dass zunächst einmal breit untersucht werden muss. Ein Großteil der Patienten mit CTLA4 Defizienz zeigt einen Antikörpermangel, oft verbunden mit einer fehlenden Antwort auf Impfungen. Die Verbindung von Infektanfälligkeit und Antikörpermangel lässt an eine CVID (Common Variable Immunodeficiency)-Erkrankung denken, die oft anfänglich diagnostiziert wird. Bei Lymphknoten- und Milzvergrößerung sowie Autoimmunzytopenien wird oft auch an ein autoimmunlymphoproliferative Syndrom (ALPS) gedacht. Bei Patienten mit CTLA4 Defizienz finden sich aber oft noch zusätzliche Auffälligkeiten wie verminderte T-Zellen und vor allem verminderte und gestörte regulatorische T-Zellen. Meist kann die genaue Diagnose nicht allein durch immunologische Untersuchungen gestellt, sondern nur grob eingegrenzt werden. Oft sind mehrere Blutentnahmen notwendig, um die Auffälligkeiten genau zu verstehen. Manchmal sind zusätzlich auch feingewebliche Untersuchungen z.B. an einem Lymphknoten oder einer Darmgewebsprobe als weiterführende Diagnostik erforderlich. Auf Basis dieser Befunde kann eine CTLA4 Erkrankung vermutet werden, es sind dann genetische Untersuchungen notwendig, um das Vorliegen der Erkrankung zu beweisen. Bei dieser Untersuchung wird eine DNA-Probe (Blutprobe) sequenziert, das heißt auf einen Defekt in der Erbinformation für das CTLA4 Protein untersucht.

Die Therapie ist abhängig von dem Verlauf, der Schwere und dem Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung. Je nach Beschwerden und Komplikationen wird die Therapie individuell gesteuert und angepasst. Leider gibt es noch keine einfache ursächliche Therapie, daher steht die Behandlung von Infektanfälligkeit und Autoimmunerkrankungen im Vordergrund, sowie der Schutz vor Infektionen.

Die Behandlung von Infektionen bei CTLA4 Defizienz umfasst eine schnelle und möglichst auf den auslösenden Erreger gerichtete und ausreichend lange antibiotische Behandlung bei bakteriellen Infektionen. Manchmal ist auch eine prophylaktische Dauerbehandlung mit Antibiotika notwendig, um den Patienten so möglichst gut vor Infektionen zu schützen. Bei den Patienten, die durch die Erkrankung einen Antikörpermangel entwickeln, besteht die Therapie aus dem Ersatz der fehlenden Antikörper durch Infusionen. Die Antikörper können entweder subkutan als Heimtherapie oder intravenös in der Klinik verabreicht werden. Da die Antikörper nach einer gewissen Zeit im Körper abgebaut werden, müssen die Infusionen regelmäßig wiederholt werden.

Bei Patienten mit einer ausgeprägten Vergrößerung von Milz, Leber oder Lymphknoten kann die Organvergrößerung solche Ausmaße annehmen, dass man mit Einsatz von Medikamenten versuchen muss, die Größe wieder zu reduzieren. Darüber hinaus müssen Autoimmunerkrankungen oder entzündliche Erkrankungen, z.B. in Darm oder Lunge behandelt werden. Oft kann hier Cortison helfen, dieses Medikament ist aber aufgrund seiner Nebenwirkungen für eine längere Therapie in hohen Dosen nicht gut geeignet. Es werden daher zusätzlich Medikamente eingesetzt, die das überaktive und fehlgesteuerte Immunsystem vorsichtig unterdrücken (Immunsuppressiva). Zu diesen Medikamenten gehört unter anderem das Rapamycin (Sirolimus®), das bei CTLA4 Defizienz erfolgreich eingesetzt worden ist. Bei ausgeprägten Problemen mit Autoimmunerkrankungen kann der Einsatz von Rituximab (zur Eliminierung autoantiantikörperbildenden B-Zellen eingesetzt) zu einer Besserung der Symptome führen. Der Einsatz von Immunsuppressiva bei Patienten, deren Immunsystem ohnehin geschwächt ist, ist eine Entscheidung, die viel Erfahrung braucht, da eine unnötige weitere Schwächung des Immunsystems verhindert werden soll.

Ein neueres, vielversprechendes und speziell auf die CTLA4 Defizienz ausgerichtetes Therapiekonzept ist die Behandlung mit Abatacept bzw. Belatacept. Mit diesem Medikament wird das fehlende körpereigene CTLA4 als Medikament zugeführt, womit der Mangel teilweise kompensiert, werden kann. Aufgrund möglicher Nebenwirkungen gehört aber auch diese Behandlung in die Hände von Ärzten an Zentren, die Erfahrung in der Betreuung von Patienten mit CTLA4 Defizienz haben.

Knochenmarkstransplantation:

Mit der Knochenmarkstransplantation (KMT) steht grundsätzlich auch eine heilende Therapieoption für Patienten mit CTLA4 Defizienz zur Verfügung. Das Ziel dieser Therapie ist es, das kranke Abwehrsystem (Immunsystem) durch das Immunsystems eines gesunden Spenders zu ersetzen. Gesundes Knochenmark ist reich an Blut-Stammzellen. Blut-Stammzellen sind Zellen, die keine oder nur eine geringe Differenzierung aufweisen und somit in ihrer späteren Funktion im Organismus noch nicht festgelegt sind. Dadurch haben Blut-Stammzellen die Fähigkeit, sich zu verschiedenen Blut-Zelltypen zu entwickeln, unter anderem zu Zellen des Immunsystems. Wird ein passender gesunder Spender gefunden, ist es möglich, dem betroffenen Kind gesundes Knochenmark zu übertragen. Zuvor muss jedoch das eigene, kranke Knochenmark durch eine Chemotherapie zerstört werden. Die KMT ist kein chirurgischer Eingriff, wie man ihn von anderen Organen her kennt, sondern die im Knochenmark enthaltenen Stammzellen können einfach über eine Vene gespritzt werden. Über das Blut finden sie allein ihren Weg in das Knochenmark und beginnen dann dort, gesunde Blutzellen und damit auch Immunzellen zu bilden.

Um die KMT durchführen zu können, ist es wichtig, einen geeigneten Spender zu finden. Der Spender muss in wesentlichen Bluteigenschaften mit dem zu transplantierenden Patienten übereinstimmen. Daher wird auch bei Eltern und Geschwistern (manchmal auch bei weiteren Familienangehörigen) Blut abgenommen, um zu prüfen, ob sie die Merkmale mit dem Patienten teilen. Wird innerhalb der Familie ein zu dem betroffenen Kind passender Spender gefunden (meist ein gesundes Geschwisterkind), so kommt diese Person als Spender in Frage. Ist innerhalb der Familie kein geeigneter Spender zu finden, wird eine weltweite Suche nach einem geeigneten Spender über ein Register veranlasst. Hiermit besteht heute eine sehr gute Chance, für die meisten Patienten einen Spender zu finden.

Ist ein geeigneter Spender gefunden, so beginnt die Therapievorbereitung für die KMT. In der Regel ist es notwendig, vor der KMT eine Chemotherapie durchzuführen, um das kindliche Immunsystem zu zerstören und damit „Platz“ für das neue Knochenmark zu schaffen und das Risiko einer Abstoßung der transplantierten Stammzellen zu verringern. Bis das neue Knochenmark anwächst und ausreichend Blutzellen bildet, vergehen einige Wochen. In dieser Zeit ist der Patient auf die Infusion von Blutprodukten angewiesen und ist wegen des vorübergehend ganz zerstörten Immunsystems besonders anfällig für Infektionen. Manchmal kommt es auch zu einer „Unverträglichkeit“ des neuen Knochenmarks, die neu heranwachsenden Immunzellen erkennen den Körper des Patienten als „fremd“ und lösen Entzündungen aus (graft-versus-host disease oder GVHD), die behandelt werden müssen.

Diese und andere Risiken der KMT müssen der Aussicht auf eine vollständige Heilung sorgfältig gegenübergestellt werden. Meist sind die Komplikationen gut behandelbar, manche können aber auch einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen. Die Entscheidung zur KMT ist immer eine individuelle Entscheidung, die nicht nur durch die Grunderkrankung CTLA4 bestimmt wird, sondern auch durch die bisher aufgetretenen Infektionen und Entzündungen, die Spenderverfügbarkeit und das Alter des Patienten. Bevor es zu einer Therapieentscheidung kommt, wird ein Team von Spezialisten (Immunologen, Hämatologen) die genaue Vorgehensweise, Risiken und Nutzen genau mit Ihnen besprechen und es wird Ihnen genug Zeit gegeben, Fragen zu stellen und Unsicherheiten zu klären.

Die Prognose der CTLA4 Defizienz ist aufgrund der Variabilität der Erkrankung sehr unterschiedlich. Typisch ist ein Verlauf mit wiederholten, z.T. schweren Episoden mit Infektionen und/ oder entzündlichen oder Autoimmunerscheinungen, zwischen denen aber auch Phasen liegen, in denen der Patient kaum beeinträchtigt ist. Die Autoimmunerscheinungen können akut, aber auch chronisch verlaufen und dann zu dauerhafter Therapie und Reduktion der Lebensqualität führen. Mit Hilfe von Immunglobulinen, prophylaktischen Medikamenten gegen Bakterien und Viren sowie Immunsuppressiva können diese Krankheitszeichen vermindert, aber meist nicht vollständig vermieden werden. Häufig treten nach wiederholten Infektionen chronische Lungenveränderungen auf, die langfristig ein Problem darstellen. Hier ist eine gute „Lungenhygiene“ mit intensiver krankengymnastischer Behandlung ein ganz wichtiges Therapieelement. Bezüglich der KMT sind die bis heute zusammengetragenen Daten von Patienten mit CTLA4 Defizienz gut. Dennoch muss in jedem Fall eine individuelle Entscheidung getroffen werden.

Die Wirkung von Impfungen besteht darin, die Bildung von Antikörpern anzuregen. Wenn die Antikörperbildung gestört ist, sind Impfungen nur von begrenztem Nutzen. Bei Patienten mit CTLA4 Defizienz können alle nach STIKO (Ständige Impfkomission) empfohlenen Impfungen mit Todimpfstoffen gefahrlos durchgeführt werden. Die Anwendung von Lebendimpfstoffen (MMR, Rotavirus, nasale Grippeimpfstoffe, Gelbfieber) sollte allerdings nur nach Rücksprache mit einem in der Behandlung von CTLA4 Defizienz Patienten erfahrenen Arzt erfolgen.

Sind die Patienten mit Antikörperinfusionen (Immunglobulinen) behandelt, erhalten sie sozusagen einen passiven Schutz durch die Antikörper und weitere Standard-Impfungen müssen nicht durchgeführt werden. Dennoch macht es Sinn, die Patienten zusätzlich gegen Influenza (Grippe), FSME (Frühsommermeningoenzephalitis, je Wohnort) und gegen HPV (Humanes Papillom Virus) zu impfen, da diese Antikörper in der Regel nicht in den Präparaten enthalten sind und die Patienten oft noch eine Restfunktion ihrer Antikörperproduktion haben. Eine jährliche Impfung der engen Kontaktpersonen mit dem Influenza-Impfstoff ist zum Schutz des Patienten ebenfalls sinnvoll.

Kinder mit einer CTLA4 Defizienz können in der Regel den Kindergarten und die Schule besuchen. Spezielle Isolations- oder Hygienemaßnahmen bringen keinen Vorteil. Bei Überlegungen zur Berufswahl ist eine Beratung sinnvoll.

Grundsätzlich kann mit einer Knochenmarkstransplantation das kranke Immunsystem eines CTLA4 Defizienz Patienten durch ein gesundes ausgetauscht werden. Bei erfolgreicher Transplantation werden alle Risiken durch Infektionen, gestörter Immunregulation und Lymphomentstehung beseitigt. Krankheitserscheinungen durch bereits abgelaufene Infektionen (z.B. Narben oder Veränderungen in der Lunge) können nicht mehr beseitigt werden. Der Zeitpunkt für eine Transplantation sollte sorgfältig gewählt werden, zu früh ist oft das Risiko einer Transplantation nicht zu rechtfertigen, wenn zu lange gewartet wird, können aber Organschäden bereits zu ausgeprägt sein. Trotz all dieser Schwierigkeiten und der Ernsthaftigkeit der Erkrankung stehen aber auch über die Transplantation hinaus viele Therapiemöglichkeiten zur Verfügung und die Gesamtprognose ist besser als bei einer Reihe von anderen Immundefekten.

Stand
Dezember 2017

Hinweis
Wir möchten mit unseren Patientenbroschüren gerne dazu beitragen, dass betroffene Patienten, Eltern und ihr Umfeld die Erkrankung und ihre Behandlung besser verstehen. Die Broschüren sind sorgfältig erstellt und beschreiben die Erkrankung und deren Behandlung. Auch wenn Sie viele Informationen in den Broschüren finden, können diese vorliegenden Informationen keinen Arztbesuch ersetzen.

Autor
Henrike Ritterbusch

+49 (0)761 270-45240

henrike.ritterbusch@uniklinik-freiburg.de


Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. Stephan Ehl

+49 (0)761 270-77300

stephan.ehl@uniklinik-freiburg.de


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