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Ihre Haut ist so empfindlich wie der

Flügel eines Schmetterlings. Auch

wenn es bislang keine Heilung gibt,

kann den Betroffenen mittlerweile gut

geholfen werden

Ein reibendes T-Shirt, ein har-

tes Stück Brot oder ein Händedruck

können genügen, damit ihre Haut

schmerzhafte Blasen und offene

Wunden bildet: Rund 1.000 Men-

schen in Deutschland leiden unter

der seltenen Erbkrankheit Epider-

molysis bullosa. Hinter dieser Be-

zeichnung verbergen sich mehr als

ein Dutzend verschiedener Erkran-

kungen, bei denen die Zellen der

obersten Hautschicht nicht korrekt

miteinander oder mit darunter lie-

genden Zellen verankert sind. Oft

sind auch die Schleimhäute in Mund,

Speiseröhre und Magen betroffen, so

dass Betroffene nur weiche Nahrung

essen dürfen und die Zähne mit ei-

nem Wattestäbchen putzen müssen.

Juckt zudem die Haut, heißt es: tap-

fer sein. Denn Kratzen würde alles

schlimmer machen.

„Etwa die Hälfte der Patienten

leidet unter einer schweren Form

der Erkrankung“, sagt Professor

Dr. Leena Bruckner-Tuderman. Die

Ärztliche Direktorin der Klinik für

Dermatologie und Venerologie des

Universitätsklinikums Freiburg be-

schäftigt sich seit fast 30 Jahren mit

der seltenen Erkrankung. Weltweit

als Erste machte sie im Jahr 1988

einen Proteindefekt als Krankheits-

ursache ausfindig. Mittlerweile ken-

nen Wissenschaftler 18 ursächliche

Gendefekte bei der Epidermolysis

bullosa. Zwar wird weltweit an der

Korrektur solcher Erbgut-Fehler mit-

tels Gentherapie geforscht. „Von ei-

ner heilenden Therapie sind wir aber

leider noch weit entfernt“, dämpft

Bruckner-Tuderman übermäßige

Hoffnungen.

Doch auch eine gut abgestimmte

Therapie kann die Lebensqualität

deutlich steigern. „Heute wenden

sich Ärzte häufig direkt nach der

Geburt mit einem ersten Verdacht

an uns“, sagt die Dermatologin, die

am Universitätsklinikum Freiburg

das nationale Referenzzentrum

Epidermolysis bullosa etabliert

hat. Mittels molekularer Blut- und

Gewebeanalysen ermitteln die

Freiburger Experten den genau-

en Subtyp der Erkrankung, ein

wichtiger Hinweis für die Wahl

der Therapie. Fast alle Patien-

ten in Deutschland kommen,

ergänzend zur Betreuung vor

Ort, mindestens einmal jähr-

lich in die Freiburger Spe-

zialsprechstunde. „Ärzte

und Patienten im Ausland

beraten wir häufig auch

telemedizinisch“, erklärt

Bruckner-Tuderman.

EPIDERMOLYSIS BULLOSA

„Meist sind eine optimale Wund-

versorgung und eine individuell

angepasste Schmerztherapie zen-

tral“, sagt die Funktionsoberärztin

Dr. Dimitra Kiritsi, die an der Klinik

für Dermatologie und Venerologie

viele Betroffene betreut. „Speziel-

le Verbandstechniken minimieren

die Gefahr von Druckstellen. Und

Wundauflagen mit eingewobenen

Silberstreifen oder desinfizierende

Lösungen töten gefährliche Keime

ab“, erklärt Kiritsi. Da die Betroffe-

nen oft auch an Augenproblemen,

Zahnschäden, Verstopfung und

einem erhöhten Hautkrebs-Risiko

leiden, werden sie in enger Zusam-

menarbeit mit anderen Kliniken des

Universitätsklinikums Freiburg be-

treut.

In besonders schweren Fällen kön-

nen auch Chirurgen helfen, wie beim

achtjährigen Viktor. Finger und

Daumen jeder Hand waren durch

die kontinuierliche Vernarbung zu-

sammengewachsen und wie in ei-

nem Fäustlingshandschuh gebeugt,

funktionslos und unbeweglich. Dr.

Horst Zajonc,

Leiter des Be-

reichs Hand-

chirurgie an

der Klinik für

P l a s t i s c h e

und Handchi-

rurgie des Universitätsklinikums

Freiburg, hat für diese Patienten

eine besondere Operationsmethode

entwickelt. Zunächst trennt er die

Finger voneinander. Dann deckt er

die offenen Stellen mit Haut ab, die

zuvor den Eltern entnommen wurde.

„Die Elternhaut wird meist nicht so

stark abgestoßen“, erklärt Zajonc,

der jährlich etwa zehn solcher

Operationen durchführt. Unter

der Fremdhaut kann die körperei-

gene Haut regenerieren. Somit lässt

sich meistens eine gut funktionie-

rende Hand wiederherstellen.

Doch leider verwachsen die Fin-

ger im Laufe einiger Jahre wieder.

Damit das nicht mehr passiert, prüft

das Team um Bruckner-Tuderman

derzeit ein Medikament, das die Nar-

benbildung verlangsamen soll. „Zu-

sätzlich erwarten wir positive Effek-

te auf Juckreiz, Schmerzempfinden

und Lebensqualität der Betrof-

fenen“, sagt OberärztinDimitra

Kiritsi. Auch an der Entwick-

lung

einer

Ha u t c r eme

sind die Frei-

burger

For-

scher beteiligt. Deren Wirkstoff soll

die Entzündung hemmen und den

Wundschluss beschleunigen. „Als

ich anfing, mich mit Epidermoly-

sis bullosa zu beschäftigen, gab es

kaum Behandlungsansätze. Es ist

fantastisch zu sehen, dass jetzt vie-

le Studien Hoffnung machen“, sagt

Leena Bruckner-Tuderman.

„Es ist fantastisch zu sehen,

dass jetzt viele Studien

Hoffnung machen“

MIT DER HAUT

DES SCHMETTERLINGS

„Von einer heilenden

Therapie sind wir

leider noch weit entfernt“

1.000

Menschen in etwa leiden in Deutschland

unter der seltenen Hautkrankheit

UNTERM MI KROSKOP

Normale Haut: Laminin 332

Junktionale EB-Blasenbildung:

Laminin 332 negativ

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02 | 2016

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