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Schweineherzen als Lichtblick für die Transplantationsmedizin

Herz- und Gefäßchirurgie

(17.01.2022) Anfang Januar wurde erstmals einem Menschen ein Schweineherz transplantiert. Ein Experte des Universitätsklinikums Freiburg spricht von einem Meilenstein, klärt aber auch Chancen und Risiken auf.

Ein Ärzteteam der Universität des US-Bundesstaates Maryland setzte vergangene Woche einem schwer herzkranken Mann das genetisch modifizierte Herz eines Schweins ein. Drei Tage nach dem Eingriff war der Patient wieder vollständig ansprechbar und bislang ohne weitere Komplikationen. Der Erfolg dieser Transplantation könnte für Patient*innen, die auf eine Organtransplantation warten, neue Hoffnung schenken. Allein in Deutschland stehen aktuell rund 9.100 Patient*innen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Prof. Dr. Dr. Friedhelm Beyersdorf, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitäts-Herzzentrum des Universitätsklinikums Freiburg ordnet den Eingriff medizinisch ein.

Herzoperation am Universitätsklinikum Freiburg © Universitätsklinikum Freiburg

Meilenstein in der Transplantationsmedizin

„Die jetzige Transplantation eines genetisch veränderten Schweineherzens kann als positiver Meilenstein der Transplantationsmedizin gesehen werden“, sagt Beyersdorf. Gerade für Patient*innen, die schon jahrelang auf ein Spenderorgan warten, machen die Neuigkeiten aus Amerika Hoffnung. „Die Chance liegt natürlich darin, dass überhaupt eine Transplantation möglich ist. Aufgrund der großen Anzahl von herzinsuffizienten Patient*innen, die auf eine Transplantation warten und gleichzeitig die Knappheit der menschlichen Spenderorgane, ist die Suche nach alternativen Therapien natürlich verständlich“, weiß der Experte. Aktuell beträgt die Wartezeit für ein Spenderherz in Deutschland auf der normalen Warteliste mehrere Jahre; selbst auf der „Hochdringlichkeitsliste“ (HU) kann die Wartezeit noch etliche Monate dauern.

Eine ernstzunehmende Möglichkeit gegen den Mangel an Organspenden

Im Jahr 2020 spendeten lediglich 913 Personen in Deutschland nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe. Der Erfolg der Schweineherz-Transplantation des amerikanischen Teams könnte dementsprechend wegweisend für die zukünftige Transplantationsmedizin sein und betroffenen Patient*innen neue Hoffnung spenden. „Ich bin mir sicher, dass solche Xenotransplantationen zwischen Tier und Mensch auch bald in Deutschland durchgeführt werden. Insbesondere, da deutsche Arbeitsgruppen in Bezug auf die Immunsuppression und auch die Genveränderungen bei den Schweinen höchst erfahren sind“, sagt Beyersdorf. Jedoch wird es noch sehr viele Jahre dauern, bis solche Xenotransplantationen in zahlenmäßig relevantem Umfang durchgeführt werden können. Daher sieht der Experte den Handlungsbedarf vor allem darin, die menschlichen Spenderzahlen zu erhöhen und weiter zu erhalten, bevor tierische Organspenden die Zukunft für herzkranke Personen darstellen.

Erste Xenotransplantationen vor fast 40 Jahren

Der Fall der Schweineherz-Transplantation hat weltweit für großes Aufsehen gesorgt und die Diskussion um Organspende neu angeregt. Die Idee, tierisches Gewebe in den menschlichen Körper zu transplantieren, ist jedoch nicht neu. Bereits 1984 wurde in den USA einem Neugeborenen mit schwerem Herzfehler ein Pavian-Herz transplantiert. Aufgrund starker Abstoßreaktionen verstarb das Kind jedoch 20 Tage nach dem Eingriff. Rund 35 Jahre später gelang es 2018 einem Forscherteam, das genetisch veränderte Schweineherz einem Pavian zu transplantieren. Das Tier überlebte den Eingriff 195 Tage.

Als potenzielle Spender für den Menschen kommen aus medizinischer Sicht Primaten oder Schweine infrage. Beide Spezies ähneln aufgrund der Genetik und Größe der Organe denen des Menschen. Primaten stehen jedoch unter Artenschutz und scheiden demnach für die Organspende aus. Zum Teil steht die Xenotransplantation aufgrund ethischer und moralischer Bedenken in der Kritik, da bei der Transplantation von tierischem Gewebe in den Menschen sogenannte Chimäre gebildet werden, also Organismen, die aus Zellen unterschiedlicher Arten bestehen, jedoch ein einheitliches Individuum darstellen. Allerdings werden auch heute schon viele tierische Produkte in der Medizin eingesetzt, etwa als Herzklappen oder als Knochenersatz.

Chancen und Risiken

Eine Organtransplantation ist für die Betroffenen die einzige Möglichkeit, ein gesundes Leben zu führen. Gleichzeitig ist sie mit gewissen Risiken verbunden: „In erster Linie sind das Abstoßreaktionen, aber auch Infektionsrisiken durch die angewandte Immunsuppression“, erklärt der Experte. Durch die Medikamentengabe der sogenannten Immunsuppressiva wird das eigene Immunsystem unterdrückt, um Abwehrreaktionen des Körpers gegen das neue Organ zu minimieren.

Neben diesen Risiken besteht bei der Transplantation von tierischen Organen in den menschlichen Organismus die Gefahr, tierische Krankheitserreger wie beispielsweise Hepatitis-E-Viren zu übertragen. Durch eine genetische Anpassung des Transplantationsobjekts mithilfe von Genscheren kann dieses Risiko seit kurzem minimiert werden. Dabei werden Gene in der DNA gezielt eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet. Diese Genmanipulation soll zusätzlich die Abstoßungsreaktionen vermindern oder sogar verhindern sowie das starke Wachstum des Schweineherzens unterbinden. „Da bisher solche genetisch veränderten Schweineherzen zwar in andere Tiere, aber noch nicht im Menschen verpflanzt worden sind, kann das kurz-, mittel- und langfristige Risiko zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend bewertet werden“, sagt Beyersdorf. „Wir werden diese Entwicklung aber sehr genau beobachten und hoffen, dass sie ein Baustein werden, um schwerstkranken Menschen neue Hoffnung zu geben.“

 

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