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"Wir brauchen bessere Narben"

Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin

(04.08.2022) Narben haben auch im Herz keinen guten Ruf: Nach einem Infarkt mindern sie die Leistungsfähigkeit des Herzens. Andererseits können sie helfen, Vorhof-Rhythmusstörungen zu behandeln. Interview mit einem Experten.

Professor Dr. Peter Kohl ist Ärztlicher Direktor des Instituts für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin am Universitätsklinikum Freiburg, Sprecher des dort angesiedelten Sonderforschungsbereichs 1425 – und Experte für Herznarben.

Die ideale Narbe, Herr Professor Kohl – ist das nicht eine Narbe, die gar nicht erst entsteht?

Das ist sicher so. Aber: Narben sind Lebensretter! Nach einem Schnitt in den Finger ist eine Narbe die Lösung von Mutter Natur, um die Integrität des Gewebes wiederherzustellen.

Gibt es auch Gutes zu sagen über Narben im Herzen?

Ja. Narben verhindern nicht nur die Herzruptur nach einem Infarkt. Man kann sie auch therapeutisch nutzen, beispielsweise wenn Herzmuskelzellen bei Vorhofflimmern überstimuliert werden. Hier kann ein Katheter-Eingriff Narben generieren, die die fehlerhafte Reizübertragung blockieren.

Vernarbtes Herzgewebe macht aber auch Probleme?

Definitiv! Die Narbe pumpt ja nicht mit. Außerdem kann sie die elektrische Aktivität stören, die den verbleibenden Herzmuskel koordiniert. Deshalb untersuchen wir in unserem Sonderforschungsbereich, ob und wie sich die natürlichen Heilungsprozesse im Herzen so beeinflussen lassen, dass Narben ihre Reparaturfunktion ausüben, ohne die Herztätigkeit einzuschränken.

Wäre es denn eine Lösung, das Narbengewebe in Muskelgewebe zurückzuverwandeln?

Diesen Ansatz verfolgen Forschungsgruppen weltweit, allerdings bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Wir wollen stattdessen der Narbe ihren Schrecken nehmen. Sie soll möglichst klein sein und je nach Krankheitsbild elektrische Impulse leiten können – oder  auch nicht. Nach einem Herzinfarkt könnte es helfen, wenn die Narbe durchlässig für elektrische Reize ist; nach einem Katheter-Eingriff gegen Vorhofflimmern ist dies nicht gewünscht.

Haben Sie schon einen Ansatz, wie sich die Leitfähigkeit von Narben beeinflussen lässt?

An den Reparaturprozessen sind vor allem Bindegewebs- und Immunzellen beteiligt. Sie beeinflussen sich gegenseitig sowie die Herzmuskelzellen und Blutgefäße. Wir wollen genau verstehen, wie die Reizweiterleitung zwischen den beteiligten Zellarten funktioniert, um Narbeneigenschaften je nach Bedarf ändern zu können. Hier könnten winzige von uns untersuchte Tunnel zwischen den Zellen ein guter Ansatzpunkt sein. Wir haben in den letzten Jahren einiges an Vorarbeiten hierfür geleistet. Es bedarf allerdings sicher noch einem Jahrzehnt an Forschungsarbeit, bevor unsere Erkenntnisse den Patient*innen zugutekommen können. Dank der Bandbreite der beteiligten Disziplinen – wie Mathematik, Biophysik, Ingenieurswissenschaften, Biologie und Medizin – und der starken Vernetzung der Projekte des Sonderforschungsbereichs bin ich optimistisch, dass wir hier die Herzforschung ein gutes Stück voranbringen werden – und damit die Basis legen für eine noch bessere Behandlung.

 

Make better scars! lautet das Motto des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1425 unter Federführung der Universität Freiburg. Im SFB „Die heterozelluläre Natur kardialer Läsionen: Identitäten, Interaktionen, Implikationen“, so der volle Titel des Verbunds, untersuchen etwa 100 Wissenschaftler*innen aus dem Universitäts-Herzzentrum des Universitätsklinikums Freiburg, den Medizinischen, Biologischen und Technischen Fakultäten der Universität Freiburg, dem Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik sowie den Universitäten in Bonn, Frankfurt, Heidelberg, Mannheim und Würzburg in 16 Teilprojekten neuartige Konzepte der Herzreparatur.

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