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Die Niere leidet heimlich

Innere Medizin

(09.02.2024) Bei zwei Millionen Deutschen stellen die Nieren zunehmend die Arbeit ein. Meist bleibt das unbemerkt – und das kann gefährlich werden.

Eine chronische Niereninsuffizienz verursacht keine Schmerzen und bleibt deshalb bei vielen lange unentdeckt. © Fotolia/natali_mis

Silent Killer, lautloser Mörder, nennen Ärzt*innen die chronische Nierenerkrankung, also das langsame, zunehmende Versagen der Niere. „Wir sehen regelmäßig Patient*innen, bei denen die Krankheit weit fortgeschritten ist, ohne dass sie etwas davon bemerkt haben“, berichtet Professor Dr. Gerd Walz, der Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Allgemeinmedizin) des Universitätsklinikums Freiburg. Denn anders als Herz, Magen oder Lunge sendet die Niere dem Gehirn keine Warnsignale, dass sie langsam den Dienst einstellt – eine chronische Insuffizienz verursacht zum Beispiel keine Schmerzen: „Sie können noch so tief in sich hineinhorchen“, sagt Walz. „Sie werden von der Krankheit zunächst nichts bemerken.“

Das Sterberisiko ist verdoppelt

In zwei gesunden, jungen Nieren sind zwei Millionen kleine Filtereinheiten, die sogenannten Nephrone, Tag und Nacht damit beschäftigt, das Blut zu reinigen und aus den Rückständen Urin zu produzieren. Wie gut sie funktionieren, wird mit der sogenannten GFR, der glomerulären Filtrationsrate, gemessen. Von einer chronischen Niereninsuffizienz, wie Fachleute die Krankheit auch nennen, – das lateinische Wort Insuffizienz bedeutet so viel wie Unvermögen oder Unzulänglichkeit – sprechen Mediziner*innen, wenn 60 bis 70 Prozent der Nephrone kaputt sind. In diesem Stadium ist die GFR von ursprünglich 90 bis 120 Milliliter pro Minute auf weniger als 60 gesunken.

Wer diesen Punkt erreicht hat, muss zwar noch nicht an die Dialyse, muss also sein Blut noch nicht von einer Maschine reinigen lassen. Menschen mit einer GFR unter 60 haben aber im Mittel– unabhängig wie gesund sie sonst sind – ein doppelt so hohes Risiko, innerhalb der kommenden fünf Jahre zu sterben wie jemand ohne eingeschränkte Nierenfunktion. Das Risiko für einen Herzinfarkt ist sogar noch deutlich größer. Deshalb der Name: Silent Killer.

Drei Viertel der Betroffenen wissen nichts von ihrem Leiden

Etwa zwei Millionen Deutsche sind betroffen. Darunter sind nur sehr wenige Menschen unter 60 Jahren, sagt Walz. Zu seinen Patient*innen zählen vor allem Menschen jenseits der siebzig. Ein Grund: „Nicht nur Haare, auch Filtereinheiten gehen mit den Lebensjahren verloren“, sagt der Experte. Ein anderer: Auch Krankheiten, die der Niere schaden, werden im Alter häufiger: Diabetes oder Bluthochdruck beispielsweise.

Drei Viertel der Betroffenen wissen nichts von ihrem Leiden. Schuld daran ist aber nicht nur der schweigende Körper. Zu oft werde bei Routinechecks in den Praxen unterlassen, die Nierenwerte mit zu prüfen, kritisieren Experten. Dabei ließen sich erste Warnzeichen bereits mit einem einfachen Streifentest im Urin viele Gefährdete entdecken.

Für viele, die übersehen werden, ist der Weg vorgezeichnet: Innerhalb weniger Jahre gehen immer mehr Filtereinheiten zugrunde. Arbeitet nur noch ein Fünftel der Nephrone, zeigen sich schließlich doch Symptome: Müdigkeit, Anschwellen der Beine, Juckreiz, Muskelkrämpfe zählen dazu. Sind nur noch zehn Prozent der Filtereinheiten funktionstüchtig, muss das Blut per Dialyse gereinigt werden.

Manchmal stockt der Zerstörungsprozess, warum, versucht man in Freiburg herauszufinden

Aber es gibt eine zweite Gruppe von Patient*innen: „Bei einigen schreitet die Krankheit nicht weiter voran, ihnen bleibt die Dialyse erspart“, sagt Frau Prof. Dr. Anna Köttgen, Leiterin des Instituts für Genetische Epidemiologie des Universitätsklinikums Freiburg. Warum, ist bislang ein Rätsel.  Zusammen mit Kollegen an acht weiteren deutschen Universitätskliniken versuchen sie und Walz gerade diese Frage zu klären. Haben die Betroffenen besondere, schützende Genvarianten? Woran lassen sich solche Personen frühzeitig erkennen? „Eine Hoffnung ist, auf Basis solcher Genvarianten eines Tages neue Medikamente zu entwickeln“, sagt Köttgen. Und das sind nur einige Ziele der German Chronic Kidney Disease (GCKD) Studie.

Wirksame Medikamente, schon für die Anfangsstadien

Schon jetzt gäbe es sehr wirksame Medikamente, um das Fortschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz zu bremsen, berichtet Walz. Sogenannte SGLT-2-Inhibitoren hätten sich als sehr wirksam erwiesen. „Bei uns werden sie schon in den Anfangsstadien verschrieben.“

Mittel, um das Entstehen einer chronischen Niereninsuffizienz zu vermeiden, gibt es nicht viele. Unter den wenigen ist jedoch eines, das sehr wirksam ist: „Vermeiden Sie stark übergewichtig zu werden“, rät Walz. Die Fettpolster im Bauchraum, die bei einer Adipositas entstehen, schädigen mit ihren Botenstoffen nicht nur Bauchspeicheldrüse, Gefäße und Leber, – sondern eben auch die Niere. Metabolisches Syndrom nennt sich diese Attacke der Fettpolster auf den Körper: Nieren-Nephrone gehen bei dieser Krankheit bereits sehr früh verloren. Und werden auch weiter zerstört, wenn es nicht gelingt, das Körpergewicht zu senken. Als besonders gesund für das Organ hat sich auch für Normalgewichtige eine sogenannte Mediterrane Diät erwiesen. Also viel pflanzliche Lebensmittel auf dem Tisch, Fisch statt Fleisch und viel Olivenöl oder andere gesunde Fette.

Allerdings kann selbst eine solche Ernährungsumstellung keine gesunde Niere garantieren.  Deshalb ist jeder gut beraten, sein Organ rechtzeitig checken zu lassen. Professor Gerd Walz empfiehlt bereits im Alter von 40 bis 50 Jahren eine solche erste Prüfung in der Arztpraxis. „Sind die Tests unauffällig, reicht es, dies alle fünf bis zehn Jahre zu wiederholen.“ Es gibt noch einen weiteren wichtigen Grund, dieser Empfehlung zu folgen: Wenn die Nieren nicht richtig arbeiten, werden auch viele Medikamente nicht richtig ausgeschieden. Eine Überdosierung beispielsweise von Gerinnungshemmern ist deshalb eine der größten Gefahren einer versteckten chronischen Niereninsuffizienz.

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