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Rolf-Gunter Dienst

5. Juni bis 24. Juli 2005: Malerei und Grafik

Rolf-Gunter Dienst vor “Scaramouche VII” 120x190 cm, 2000

Ausstellungen

  • 1969, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
  • 1988, Kunsthalle Kiel, Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen, Haus am Waldsee Berlin
  • 1992, Museum am Ostwall Dortmund
  • 1998, Von der Heydt-Museum Wuppertal
  • 2000, Galerie Appel und Troschke Frankfurt
  • 2001, Kunsthalle Kiel
  • 2002, Kunstmuseum Bayreuth, Galerie Appel Frankfurt, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Museum für neue Kunst Freiburg, Kunsthalle Baden-Baden  

Sammlungen

Kunsthalle Kiel, Kunsthalle Mannheim, Museum Morsbroich Leverkusen, Pfalzgalerie Kaiserslautern, Städtische Galerie Wolfsburg, Wilhelm Hack-Museum Ludwigshafen.

Rolf-Gunter Dienst begann seine artistische Laufbahn zunächst als Kunstkritiker und Kunstschriftsteller. Er gab die Zeitschrift "Das Kunstwerk" heraus. Im Jahr 1965 gründete er mit Bernd Berner, Klaus Jürgen-Fischer, Erwin Bechtold und Eduard Micus die Künstlergruppe SYN.
Seiner Malerei bezieht sich weniger auf die “Mathematik der Konkreten Kunst”, sondern mehr auf das Herausarbeiten von Makro- und Mikrostrukturen. In diesem Sinne ist Hinschauen gefordert. Seine Bilder sind “Seh-Werke”, die das ästhetische Wahrnehmungsvermögen herausfordern.  

Vita

  • 1942 in Kiel geboren.
  • 1960-1965 Herausgabe der Literaturzeitschrift Rhinozeros.
  • 1964-1991 Redakteur der Zeitschrift Das Kunstwerk.
  • 1965-1970 Mitglied der Künstlergruppe SYN.
  • 1966-1968 Gastdozentur in New York.
  • 1968 Villa Romana-Preis/Florenz.
  • 1970 Gastdozentur in Frankfurt.
  • 1977 Gastdozentur in Sydney.
  • 1979 Villa Massimo-Preis/Rom.
  • 1982 Preis der Gesellschaft der Freunde junger Kunst/Baden-Baden.
  • 1991 Verdienstkreuz am Bande.
  • 2007 Hans-Thoma-Preis.
  • 1989-90 Gastdozentur in Stuttgart.
  • 1992-2008 Professur an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg.
  • lebt und arbeitet in Baden-Baden und in Kauffenheim/Elsass.
     

Gemählpoesie: Zur Bildpoetik von Rolf-Gunter Dienst

In der Eingangshalle führt ein schmaler Flur rechts der Rezeption zum Roskamm-Haus. Kurz vor der Ambulanz öffnet sich ein Vorraum mit einem großformatigen Gemälde von Rolf-Gunter Dienst. Es setzt sich zusammen aus farbigen Quadraten und trägt den Titel Scaramouche VII aus dem Jahr 2000. Ist der Titel als Anspielung auf den US-Film Scaramouche, der galante Marquis von George Sidney mit Stewart Granger und Janet Leigh von 1952 zu verstehen, oder verweist er auf die komische Figur des italienischen Volkstheaters Commedia dell Arte? Wahrscheinlich liegt die Entscheidung beim Betrachter. Aber was will uns der Film-und/oder Theaterheld Scaramouche erzählen? Sind hinter den farbigen Quadraten Episoden aus dem Leben dieser Figur verborgen? Stellt das Farbquadrat einen verkleideten Buchstaben oder ein Wort dar, das im Verbund mit den übrigen Quadraten eine Geschichte erzählt? Ein faszinierender Gedanke: Das Gemälde von Dienst ist mehr als ein Bild; es kann als „Bild-Poesie“ bezeichnet werden.

In der Ars poetica formuliert Horaz einen Gedanken, der in der Bildenden Kunst heute noch gültig ist: Das Gedicht ist ein sprechendes Bild, das Gemälde schweigende Poesie. Zur Zeit der Renaissance und des Barock wurde in diesem Sinne von Gemählpoesie gesprochen. Das erzählende Gemälde, etwa die derben Konversationsstücke von Jan Steen, steht dem Wort gegenüber, das Bilder in die Vorstellung der Zuhörenden zu zaubern vermag.

Robert Indiana, Love, Serigraphie, 1965

Vor nicht allzu vielen Jahren, 1975, hat der US-Schriftsteller Tom Wolfe ein Buch mit dem Titel Das gemalte Wort vorgelegt, in dem er behauptet, dass unter anderem der künstlerisch gestaltete Buchstabe als Geburtshelfer der Pop Art herausgestellt werden muss.

Tom Wolfes Überlegungen sind aktuell geblieben und bieten sich heute gewissermaßen als Zugangshilfe zum Werk von Rolf-Gunter Dienst an, obwohl er sicherlich nicht der Pop Art zuzurechnen ist. Lange vor dem Erscheinen des genannten Buchs, brachte Dienst zwischen 1960 und 1965 zusammen mit seinem Bruder Klaus-Peter die kalligrafisch gestaltete Kunst- und Literaturzeitschrift Rhinozeros heraus.  

In der ersten Ausgabe des Jahres 1960 öffnet sich ein faszinierendes Zwischenreich von Bild und Buchstabe. Der Text ist kaum lesbar, doch kann er– für jeden in unterschiedlicher Weise – verständlich werden, wenn man die ikonische Botschaft deutet. Nach einer Weile erscheinen die Buchstaben in bekannten Wortformationen, die auf das krause Klecks-Geäst der Seite gegenüber verweisen mögen. Es erschließt sich Sinn, vielleicht sogar eine Botschaft – für die einen bilderreich und farbig, unsinnig für die anderen.

Der Buchstabe ist ein Zeichen, der den Weg zum Wort und zu dessen Bedeutung weist. Worte formieren sich zu Sätzen mit Aussagen, die unterschiedlich gedeutet werden können. Der Buchstabe kann aber auch als Gestaltungsmotiv den Weg zum Wort- und Satz-Bild weisen, das auf der ästhetischen und der sprachlichen Ebene gelesen werden kann. Beide Ebenen fügen sich zu einem Muster zusammen, das sowohl über die Sprach- als auch über die Bild-Botschaft hinausgeht. Aber diese Botschaft ist nicht beschreibbar (obwohl ich das gerade vergeblich versuche), da sie individuell und damit emotional geprägt ist.

Rhinozeros – eine Seite aus dem ersten Heft von 1960

Die Fantasie der Betrachtenden ist gefragt. Wenn ich mich tatsächlich auf die Bilder einlasse, kann ich nicht einfach nur die Farb-Kombinationen studieren und überprüfen, ob sie mir einen Augenschmaus bereiten. Das ist zu wenig.

Bleiben wir bei der Commedia dell'Arte, bei Scaramouche, diesem hinterlistigen Aufschneider, der von der liebreizenden Zerbinetta ausgelacht und von Harlekin verprügelt wird. Das ist eine Geschichte! Wenn wir den Figuren und Szenen Farbquadrate zuweisen, dann sind wir im Bilde, das sich bereits in ein Bühnenspektakel verwandelt hat.

o.T., 2001

Wenn wir aber die Artisten und Handlungsfolgen der Commedia dell'Arte nicht kennen und gar nicht wissen, wer sich hinter dem Namen Scaramouche verbirgt? Dann sollten wir uns einfach eine Geschichte ausdenken, oder ein kürzlich vergangenes Alltagsszenarium, oder einfach nur Erlebnis-Splitter in Erinnerung rufen und dazu die Farbquadrate assoziieren.

Piccolo, 2000

Es bieten sich viele Möglichkeiten an, die Gemälde von Dienst zu lesen. Und wenn ich eben ein Bühnenspektakel erwähnt habe, dann ist das nicht abwegig, da Dienst nicht nur die Galeriewand als Träger seiner Gemälde wählt, sondern auch den Raum. In der Galerie „Kunstsaele Berlin“ gestaltete der Künstler mit seinen Gemälden Ende des Jahres 2012 Räume aus. Die großformatigen und teilweise monochromen Arbeiten strahlten ihre rhetorische Präsenz im Gegenüber und Nacheinander aus, nicht aber als Einzelobjekt. Vielleicht war das die wahrhaftige Bühne für Rolf–Gunter Dienst – so ähnlich wie Jahrzehnte zuvor die Zeitschrift Rhinozeros.

Das Jahr 2012 war ein bedeutendes Jahr für den Künstler. Er feierte seinen 70. Geburtstag. Ihm zu Ehren konnte man in der Rastatter Städtischen Galerie Fruchthalle eine Ausstellung besuchen. Sie trug den Titel: I'll just keep on.