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Wenn die Angst überhandnimmt

Psychiatrie und Psychotherapie

(08.07.2019) Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Eine Expertin des Universitätsklinikums Freiburg erklärt, wie sie ausgelöst werden, was Betroffene tun können und wie man sich langfristig vor ihnen schützt.

Das Herz schlägt schneller, der Atem wird flacher, nervöses Schwitzen setzt ein: Angst ist ein Gefühl, das jeder Mensch kennt. Als Alarmsystem kann sie in bedrohlichen Situationen überlebensnotwendig sein. „Wenn die Angst jedoch überhandnimmt, das heißt sehr lang, häufig oder ohne konkreten Anlass auftritt und die Betroffenen im alltäglichen, sozialen oder beruflichen Leben einschränkt, kann sie behandlungsbedürftig werden“, erklärt Professor Dr. Dr. Katharina Domschke, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg. Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen – allein in Deutschland sind Studien zufolge mehr als zehn Millionen Menschen betroffen.

Wer nicht beruflich fliegen muss, kann Flugangst meist gut vermeiden. Anders sieht es bei Platzangst oder etwa Spinnenangst aus. Die gute Nachricht ist: Therapien wirken meist sehr gut. © DDRockstar / fotolia

Angst hat viele Gesichter

Es gibt sehr unterschiedliche Formen von krankhaften Ängsten. So spricht man von einer Phobie, wenn Menschen sich unangemessen stark und lange vor einem bestimmten Objekt oder einer Situation fürchten, beispielsweise vor Spinnen, dem bevorstehenden Zahnarztbesuch oder dem Vortrag vor Kollegen. Eine weitere Form von Angst ist die sogenannte Panikstörung, bei der eine körperlich spürbare Angst die Betroffenen plötzlich und ohne äußerlichen Anlass übermannt. „Diese Angstattacken können sehr heftig sein und bei den Patienten bis zur Todesangst führen, da sie zum Beispiel fürchten, einen Herzinfarkt zu erleiden“, sagt Domschke.

Häufig ist auch die generalisierte Angststörung. Hier beziehen sich die Ängste und Sorgen der Patienten nicht auf einen konkreten Anlass, sondern auf verschiedenste Lebensbereiche und vor allem das Wohlergehen von nahestehenden Personen. Auch der Zusammenhang von Ängsten mit anderen psychischen Erkrankungen ist in den letzten Jahren zunehmend ins Interesse der Forschung gerückt, beispielsweise das Zusammenspiel mit depressiven Symptomen. „In etwa 50 Prozent der Fälle treten Depressionen und Angststörungen gemeinsam auf“, erklärt Domschke.

Vielfältige Ursachen

Doch wodurch entwickeln Menschen Angststörungen? „Das hat vielfältige Ursachen“, so Professor Domschke. Zum einen weiß man von einer gewissen genetischen Veranlagung sowie neurobiologischen Risikofaktoren, beispielsweise Störungen in der Funktionsweise der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin.

Aber auch traumatische Erlebnisse, starker und langanhaltender Stress, belastende Erlebnisse in der Kindheit oder Drogen können Ängste auslösen. Zudem scheint das Geschlecht ein Faktor bei der Entwicklung von Angsterkrankungen zu sein. Sie werden bei Frauen etwa zwei- bis dreimal so häufig festgestellt wie bei Männern. „Hierbei ist jedoch nicht ganz sicher, ob Angstsymptome bei Frauen tatsächlich häufiger auftreten oder ob Frauen sich lediglich häufiger professionelle Hilfe holen“, so Domschke.

Erfolgversprechende Therapien

Die gute Nachricht ist, dass sich Angsterkrankungen gut behandeln lassen. „Mit einer Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten erzielen wir sehr gute Ergebnisse“, so Domschke. Vor allem die kognitive Verhaltenstherapie habe sich als sehr wirksam erwiesen. Bei der medikamentösen Behandlung kommen Antidepressiva wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) zum Einsatz, die gut verträglich sind und nicht abhängig machen. „So können wir mehr als 80 Prozent der Patienten bereits ambulant sehr gut helfen. Bei ausgeprägten Symptomen kann sich eine tagesklinische oder stationäre Therapie anbieten“, erläutert die Psychiaterin.

Wie lässt sich vorbeugen?

„Wichtige Schutzfaktoren sind gute soziale Kontakte, regelmäßig Sport, ausreichend Schlaf und Entspannung, wenig schlechter Stress und viel guter Stress beispielsweise in Form einer befriedigenden Arbeit“, so Domschke.

Epigenetik der Angst

Ein Schwerpunkt von Professor Dr. Katharina Domschkes Forschung ist das relativ junge Fachgebiet der „Epigenetik der Angst“, das die Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg unter anderem im Rahmen des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs „Furcht, Angst, Angsterkrankungen“ und des BMBF-geförderten Psychotherapieverbunds „PROTECT-AD“ bearbeitet.

In ihrer Arbeitsgruppe beschäftigt Domschke sich mit biochemischen „An- und Ausschaltern“ von bestimmten Angst-Genen. Diese können beispielsweise durch Stress, besondere Lebensereignisse, Hormone, Ernährung und auch Psychotherapie oder Medikamente betätigt werden. So kommt der Epigenetik eine Schlüsselfunktion bei Angsterkrankungen zu, da sie eine Art Dolmetscher im Zusammenspiel von biologischen Risikofaktoren und Umwelteinflüssen darstellt. Sie könnte in Zukunft dabei helfen, ein erhöhtes Krankheitsrisiko zu erkennen und frühzeitig präventive Maßnahmen anzubieten.

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