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Mit Gen-Daten gegen den Krebs

Onkologie

(28.09.2020) In einem bundesweit beachteten Projekt erarbeiten Freiburger Forschende einen Weg, damit möglichst viele Patienten von der digitalen Krebs-Diagnostik profitieren.

Als der Krebs wiederkommt, ist die Enttäuschung bei Susanne P. riesig. Schon zweimal hatte sie wegen eines Lebertumors eine Chemotherapie erhalten. Zunächst war der Krebs geschrumpft, später aber wieder gewachsen. Nun gibt es keine einheitliche Therapieempfehlung mehr. Im Molekularen Tumorboard des Tumorzentrums Freiburg – CCCF am Universitätsklinikum Freiburg entscheiden die behandelnden Onkologen mit Molekularbiologen, Pathologen und Bioinformatikern, das Tumorerbgut auf Schwachstellen hin zu untersuchen.

Im Labor wird das Tumorerbgut aufgearbeitet und anschließend analysiert. © Universitätsklinikum Freiburg/Britt Schilling

Dies übernimmt am Institut für Klinische Pathologie ein Team um Professor Dr. Silke  Laßmann. Sie ist dort die naturwissenschaftliche Leiterin der molekularen Diagnostik und eine der drei Sprecherinnen des Molekularen Tumorboards. „Mit den neuen Analyseverfahren entstehen komplexe Datensätze des Tumorerbguts. Diese Daten müssen molekularbiologisch und auf ihre medizinische Aussagekraft hin bewertet und interpretiert werden“, sagt Laßmann. Es gilt herauszufinden, welche einzelne oder kombinierte molekulare Veränderung für den Tumor entscheidend ist, ob es dazu passende gezielte Therapien gibt und ob diese für den jeweiligen Patienten auch geeignet sind. 

Die Gendaten des Tumors werden automatisch ausgewertet

„Bislang braucht man für die Auswertung des gesamten Tumorerbguts viel Zeit und enormes Vorwissen“, sagt Professor Dr. Dr. Melanie Börries, Direktorin des Instituts für Medizinische Bioinformatik und Systemmedizin am Universitätsklinikum Freiburg und ebenfalls Sprecherin des Molekularen Tumorboards. Um diese Technologie mehr Ärzten und damit mehr Patienten zugänglich zu machen, entwickelt die Medizinerin Börries mit ihrem Team einen volldigitalen Verarbeitungsprozess für solche komplexen Gendatensätze. „Wir sprechen von einer Pipeline: Vorne gehen die Anfrage und der Datensatz rein und hinten kommt, nach vielen Verarbeitungs- und Auswertungsschritten, ein qualitativ hochwertiges und einheitliches Ergebnis heraus“, sagt Börries. 

Das Projekt ist ein Teil von MIRACUM, einem großen Forschungskonsortium der Medizin-Informatik-Initiative des Bundes. „Wir haben vor Beginn der Programmentwicklung bei den späteren Nutzern medizinisch relevante Wünsche abgefragt, aber auch verschiedene grafische Benutzeroberflächen zur Wahl gestellt. Damit wollen wir sicherstellen, dass das Programm später gut angenommen wird“, sagt Börries. Am Ende sollen die involvierten Wissenschaftler und die behandelnden Ärzte automatisch einen grafisch aufbereiteten Bericht erhalten. Er soll dann die wichtigsten Informationen aus der Analyse des gesamten Tumorerbguts enthalten.

Durch eine automatisierte Auswertung können große Datensätze qualitativ hochwertig ausgewertet werden. © Universitätsklinikum Freiburg/Britt Schilling

Eine einheitliche Datenverarbeitung statt vieler Einzellösungen

Die Entwicklung der Pipeline stimmt Börries eng mit den Kolleginnen und Kollegen des Molekularen Tumorboards sowie mit den Experten der Medizininformatik ab. Ein wichtiger Gesprächspartner ist dabei Privatdozent Dr. Martin Boeker, Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Informatik am Institut für Medizinische Biometrie und Statistik des Universitätsklinikums Freiburg und Mitglied des Leitungskomitees von MIRACUM. Er hat im Rahmen von MIRACUM ein Datenintegrationszentrum am Universitätsklinikum Freiburg eingerichtet. „Wenn die Digitalisierung im Gesundheitswesen wirklich einen Mehrwert bringen soll, müssen wir davon wegkommen, dass jeder sein eigenes ‚Süppchen‘ kocht. Wir brauchen einheitliche Daten und Prozesse, auch über Einrichtungsgrenzen hinweg“, sagt Boeker. Denn je einheitlicher die Daten strukturiert sind, desto höher ist die Chance, per Software die vielversprechendste Therapie zu finden. An dieser Vereinheitlichung wird im Datenintegrationszentrum gearbeitet. 

Im nächsten Schritt erhalten auch die MIRACUM-Partner und weitere interessierte Einrichtungen die in Freiburg entwickelte Software. „So können auch Kliniken hochwertige Analysen erproben, die selbst keine Expertise dafür haben“, sagt Börries. Außerdem sind die entstehenden Daten besser vergleichbar. Das wiederum erleichtert klinische Studien und erlaubt eine personalisierte Medizin.

Bei Susanne P. zeigt sich im Genprofil des Tumors tatsächlich ein vielversprechender Angriffspunkt. Die vom Molekularen Tumorboard des CCCF empfohlene Therapie drängt den Tumor wieder zurück. Noch sind derartige Möglichkeiten auf wenige große Kliniken begrenzt. Durch das Engagement der Freiburger Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten künftig deutlich mehr Patienten von diesen Entwicklungen profitieren.

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