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Warum Fasten Körper und Geist gut tut

Psychosomatik

(02.03.2022) Fasten ist beliebt. Der verantwortungsvolle Umgang mit Genussmitteln, Sozialen Medien und dem Smartphone tut vielen Menschen gut – gerade auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie. Warum bewusster Verzicht manchmal wichtig ist, erklärt ein Experte des Universitätsklinikums Freiburg.

Im christlichen Glauben findet die 40-tägige Fastenzeit vom Aschermittwoch bis zum Karsamstag statt. Sie wird auch „österliche Bußzeit“ genannt, in der das Fasten ein fester Bestandteil ist. Heute ist Fasten auch eine weltliche Form des Verzichts. Doch anders als früher erstreckt sich die Bandbreite dessen, worauf Menschen in der Fastenzeit verzichten, auf fast alle Lebensbereiche: Auto fahren, Fleisch essen, Plastikmüll produzieren, Alkohol trinken und der ständige Griff zum Smartphone. Woher der Wunsch nach Abstinenz kommt, was im Gehirn beim Fasten passiert und was nach der Fastenzeit bleibt, erklärt Professor Dr. Claas Lahmann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg.

Loslassen und mal etwas ganz anderes erleben: Das tut gut und gibt uns häufig ein Gefühl von Freiheit. © Pixaby Licence

Herr Professor Lahmann, woher kommt das Bedürfnis, ab und zu freiwillig auf alltägliche Annehmlichkeiten und Gewohnheiten zu verzichten?
Fasten hat viel damit zu tun, wieder Kontrolle über eine Gewohnheit zu bekommen. Denn egal, ob es ungesundes und zu viel Essen ist. oder ständiges Nachrichtenschreiben auf dem Handy: Wir wissen auch gerade jetzt im zweiten Jahr der Corona-Pandemie, dass es uns nicht gut tut, schaffen es aber im Alltag nicht, dagegen anzukämpfen. Hier bietet die Fastenzeit eine Möglichkeit des bewussten Verzichts. So lernen wir das Objekt des Verzichts oft wieder ganz anders zu schätzen.

Wir leben in einer Welt, in der uns auch weiterhin viele Dinge ununterbrochen zur Verfügung stehen. Das ist menschheitsgeschichtlich eine ziemlich einmalige Situation. Gleichzeitig gibt es die Tradition des Fastens seit vielen Jahrhunderten auf der ganzen Welt. Das heißt, dieses bewusste Verzichten scheint ein tiefgreifendes menschliches Bedürfnis zu sein.

Wie hängt die Selbstwirksamkeit mit dem Fasten zusammen?

Während wir uns die meiste Zeit des Jahres oft von den Reizen und Einflüssen der Umwelt bestimmt fühlen, erobern wir für die Zeit des Fastens die Kontrolle über unser Verlangen zurück und spüren zudem die Resultate: gesteigertes Wohlbefinden, Gewichtsreduktion oder einfach gewonnene Zeit. Wir fassen dieses Erleben unter dem Begriff der „Selbstwirksamkeit“ zusammen, ein wichtiger Baustein psychischer beziehungsweise psychosomatischer Gesundheit.

Wir haben in den letzten beiden Pandemiejahren auf so viel verzichtet. Was ist der Unterschied zum Fasten? 

Hier kommt insbesondere der schon erwähnte Effekt der Selbstwirksamkeit zum Tragen. Wenn ich aus eigenem Vorsatz für einen von mir gewählten Zeitraum auf gewohnte Annehmlichkeiten oder auch eingeschliffene Gewohnheiten verzichte, dann erlebe ich ein Gefühl von Kontrolle bzw. Autonomie. Sich selbst als unabhängig von scheinbar drängenden Impulsen oder Verlockungen zu erleben, lässt uns häufig ein Gefühl von Freiheit erleben. Dies ist aber verständlicherweise bei dem von außen vorgegebenem Verzicht erstmal nicht der Fall. Wir können dieses Phänomen aber in gewissem Ausmaß auch nutzen, in dem wir uns fragen, ob es uns nicht ohnehin gut tun würde, auf manches nun nicht oder weniger Mögliche, auch aus freie Stücken zu verzichten.

Was passiert beim Fasten in unserem Kopf?
Nahrungsfasten führt zu einer verstärkten Wirkung des Hormons Serotonin, das häufig auch als Glückshormon bezeichnet wird. In den ersten Tagen wird zudem Adrenalin ausgeschüttet, wodurch man sich sehr wach fühlt. Der Verzicht auf das Handy wirkt natürlich etwas anders. Ständiges Nachrichtenlesen und Schreiben kann zu einer als Arousal bezeichneten unspezifischen Aktivierung des Gehirns führen. Die können wir durch den Verzicht auf das Handy oder soziale Medien reduzieren und so Stress abbauen.

Was kann man tun, um nach den sieben Wochen Fastenzeit nicht wieder in die alten Gewohnheiten zu verfallen?
Grundsätzlich ist es ja erwünscht, dass sich nach der Fastenzeit das Leben wieder „normalisiert“. Gleichzeitig bleibt die Erfahrung des Verzichts und bietet die Möglichkeit, sich daran zu erinnern und sich so über die eigenen Handlungsabläufe und Gewohnheiten bewusst zu werden. Das ist schon sehr viel wert.

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