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Schlaganfall-Therapie: Zeitfenster für neue Kathetertechnik oft größer als gedacht

Ausmaß der Hirnschädigung bleibt häufig in den ersten Stunden konstant / Minimalinvasiver Eingriff kann daher auch nach Stunden erfolgreich durchgeführt werden

Ein Schlaganfall wird meist durch ein Blutgerinnsel ausgelöst, das eine Hirnarterie verstopft. Bislang sind Ärzte davon ausgegangen, dass die Hirnschädigung immer schwerwiegender wird, je länger diese Verstopfung bestehen bleibt. Dass dieser Zusammenhang nicht zwangsläufig besteht, haben nun Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikums Freiburg in der Februarausgabe der Fachzeitschrift Clinical Neuroradiology gezeigt. Sie werteten Daten über Durchblutung und Aktivität des Gehirns von Patienten aus, die eine bis sechs Stunden zuvor einen schweren Schlaganfall erlitten hatten. Es zeigte sich, dass für den Grad der Hirnschädigung nicht entscheidend war, ob der Schlaganfall erst eine oder schon mehrere Stunden zurücklag. Ausschlaggebend war offensichtlich eher, wie gut die betroffenen Gehirnbereiche über kleinere Arterien mit Blut versorgt wurden.  Das erklärt auch, weshalb mit einer mechanischen Entfernung des Blutgerinnsels bis zu sechs Stunden und in Einzelfällen auch deutlich länger gute Behandlungserfolge erzielt werden.

Die bisherige Formel ‚Time is brain‘ oder ‚je schneller, desto besser‘ gilt zwar in der Akutphase weiterhin, ist bei einer minimalinvasiven Behandlung aber nicht allein ausschlaggebend: „Bei einem Großteil der Betroffenen kann der Zustand bis zu zwölf Stunden konstant bleiben. In dieser Zeit ist es notfalls auch möglich, die Patienten in ein entsprechend ausgestattetes Zentrum zu verlegen, um den Schlaganfall minimalinvasiv zu behandeln“, sagt Prof. Dr. Horst Urbach, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Freiburg.

Bei dem als Thrombektomie bezeichneten Verfahren wird ein Katheter in die Leistenarterie eingeführt und bis zum arteriellen Verschluss im Gehirn vorgeschoben. In den Katheter wird ein als Stent bezeichnetes Röhrchen eingebracht, das sich bei Rückzug des Katheters entfaltet und das Blutgerinnsel  festklemmt. Anschließend werden Katheter, Stent und mit ihnen das Blutgerinnsel  herausgezogen. „Für den Erfolg einer Thrombektomie ist weniger die verstrichene Zeit von Bedeutung, sondern vielmehr, wie die Blutzirkulation im Gehirn aussieht“, sagt Prof. Urbach. Anhand modernster bildgebender Verfahren können erfahrene Ärzte feststellen, wie hoch die Chancen für einen erfolgreichen Eingriff stehen.

Für ihre Studie werteten die Forscher Daten von 155 Patienten aus, bei denen eine Hals- oder Hirnschlagader verstopft war und das Gehirn nur durch kleine Nebenarterien, sogenannte Kollateralen, mit etwas Blut versorgt wurde. „Bei diesen Patienten mit Verschlüssen der großen Hirnarterien konnten wir in den letzten Jahren dank Thrombektomie die Heilungschancen von 30 Prozent auf 60 Prozent im Vergleich zur medikamentösen Therapie verdoppeln“, sagt Prof. Urbach.

Das Universitätsklinikum Freiburg ist das einzige Klinikum in Südbaden, das auf Thrombektomien spezialisiert ist. Es ist als eines von wenigen Pilotzentren von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zertifiziert. Partnerkliniken werden bei Bedarf telemedizinisch durch die Klinik für Neurologie und Neurophysiologie und durch die Klinik für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Freiburg unterstützt. 

Bildunterschrift: linke Seite: Durch ein Blutgerinnsel (Pfeil) wird ein großer Bereich des Gehirns von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten. Rechte Seite: Wiedereröffnetes Gefäß nach Entfernen des Gerinnsels (Pfeil) mit einer Gefäßstützte.

Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Titel der Original-Arbeit: Facing the time window in acute ischemic stroke: the infarct core

DOI: 10.1007/s00062-016-0501-8

Link zur Publikation: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26846971 

Kontakt:
Prof. Dr. Horst Urbach
Ärztlicher Direktor
Klinik für Neuroradiologie
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-51810
horst.urbach@uniklinik-freiburg.de


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