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Verharmloste Gefahr: Masern

Infektiologie

An mehreren Freiburger Schulen sind aktuell Kinder an Masern erkrankt. Im Fokus hat mit Prof. Dr. Philipp Henneke, dem Leiter der Sektion Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie des Zentrums für Kinderheilkunde und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg, über kurzfristige Impfmöglichkeiten gesprochen und über Dinge, die Eltern und Kinder beachten sollten, wenn sie mit der Erkrankung in Kontakt kommen.

Im Fokus: 16 Fälle von Masern hat das Gesundheitsamt Breisgau-Hochschwarzwald mit Sitz in Freiburg in diesem Jahr registriert. Aktuell gibt es Erkrankungen an mehreren Freiburger Schulen. Herr Professor Henneke, gibt es eine Möglichkeit für eine kurzfristige Impfung?

Prof. Dr. Henneke: Alle Eltern sollten sicherstellen, dass ein vollständiger Impfschutz mit zwei Masern-Impfungen vorliegt. Nur dann ist das Kind sicher geschützt. Die erste Impfung sollte im 12. Lebensmonat vorgenommen werden. Die Praxis-Pädiater sind darauf eingestellt, auch kurzfristig zu impfen.

Im Fokus: Welche Nebenwirkungen der Impfung sind zu befürchten?

Prof. Dr. Henneke: Die Impfung ist gut verträglich. Wenn überhaupt, so kommt es gelegentlich zu Reizungen an der Impfstelle. Da die Masernimpfung mit lebenden, aber abgeschwächten Viren erfolgt, treten bei ca. jedem 30. Geimpften nach ein bis drei Wochen milde Symptome einer Erkältungskrankheit mit mäßigem Fieber und Hautausschlag auf, so genannte Impfmasern. Impfmasern verlaufen ohne Komplikationen und sind nicht ansteckend.

Im Fokus: Und welche Nebenwirkungen, bzw. Folgeerkrankungen sind zu befürchten, wenn ich als Kind oder als Erwachsener an Masern erkranke, weil ich nicht geimpft bin?

Prof. Dr. Henneke: Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit. Masern können zum Beispiel das Gehirn infizieren und zu lebenslangen Schäden führen. Ohne Masernimpfung wäre mit bis zu 1000 Fällen pro Jahr zu rechnen. Weltweit fordern Masern immer noch mehrere hunderttausend Todesfälle pro Jahr.

Im Fokus: Stimmt es, dass man sich noch bis zu drei Tage, nachdem man wissentlich zu einem Masernkranken Kontakt hatte, impfen lassen kann, um den Ausbruch der Krankheit noch zu verhindern oder zumindest abzuschwächen?

Prof. Dr. Henneke: Das ist korrekt. Bis zu drei Tagen nach Kontakt kann eine so genannte Riegelimpfung durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um eine normale Impfung.

Im Fokus: Was müssen Eltern und Kinder beachten, wenn sie mit der Erkrankung in Kontakt kommen?

Prof. Dr. Henneke: Innerhalb von 8 bis 14 Tagen kommt es zum Krankheitsausbruch, zunächst mit Husten, Fieber und Bindehautentzündung. Wegen der hohen Ansteckungsfähigkeit sind Kinder spätestens ab dem siebten Tag, nach Kontakt bis fünf Tage nach Auftreten des Ausschlags von Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen. Diese gilt natürlich nicht für vollständig geimpfte Kinder, die Masern nicht übertragen können. Das Gesundheitsamt kann auch zu schärferen Maßnahmen greifen. Aktuell dürfen einige Schulen in Freiburg von Kindern ohne Impfung nicht mehr besucht werden.

Im Fokus: Das Virus wird durch direkten Kontakt oder durch Tröpfcheninfektion übertragen. Gerade bei Massenveranstaltungen wie in Schulen oder Kindergärten ist die Gefahr, sich mit diesem extrem ansteckenden Virus zu infizieren besonders hoch. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 die Masern europaweit auszurotten. Doch immer wieder erkranken nicht nur Kinder, sondern auch junge Erwachsene. Ein Resultat der steigenden Impfmüdigkeit?

Prof. Dr. Henneke: Nein, die Impfquoten für die zwei notwendigen Masernimpfungen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Allerdings brauchen wir zum „Sieg über die Masern“ eine Durchimpfungsquote von 95 Prozent. Davon sind wir noch ein Stück entfernt.

Im Fokus: Was halten Sie von einer Impfpflicht gegen Masern?

Prof. Dr. Henneke: Eine Impfpflicht hat in Deutschland keine Tradition. Wir brauchen ein Konzept, das motiviert und nicht die Skeptiker aus öffentlichen Einrichtungen treibt. Da aber eine Impfquote von 95 Prozent nach meiner Einschätzung alternativlos ist und die Impfempfehlungen des Robert-Koch-Instituts und die Aufklärung durch Kinderärzte und Allgemeinmediziner offenbar nicht ausreichen, sollte über ein Impfprogramm nachgedacht werden. Mit diesem könnte das Ziel einer lückenlosen Impfung durch regelmäßige Kontrollen in Kindergärten und Schulen und Interventionen, beispielsweise gezieltes Anschreiben von Familien mit unzureichend geimpften Kindern, besser verwirklicht werden. Hinter lokalen Masernausbrüchen stecken leider immer wieder auch einzelne Ärzte, die Impfungen nicht entsprechend der STIKO-Empfehlungen durchführen. Gesundheitsvorsorge ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur so gut ist wie ihr schwächster Baustein.

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