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Nano. Makro. Turbo - Hightech fürs Herz

Kardiologie

(04.01.2016) Wie verändert sich die Mechanik des Herzens, etwa durch eine Narbe nach einem Herzinfarkt? Welche Rolle spielt das Bindegewebe des Herzens? Und warum verändert das Herz beim Pumpen kaum sein externes Volumen? Diesen und vielen weiteren Fragen werden Ärzte und Wissenschaftler ab Januar 2016 im neu gegründeten Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin des Universitäts-Herzzentrums Freiburg · Bad Krozingen nachgehen. Seit 1. November 2015 ist Professor Dr. Peter Kohl Direktor des Instituts. „Wir verstehen uns als Plattform, um den Austausch zwischen Naturwissenschaften, Medizin, Ingenieurwissenschaften und Mathematik in der Herzforschung zu stärken“, sagt Professor Kohl.

Um diesem interdisziplinären Gedanken Rechnung zu tragen, ist das Forschungszentrum nicht nach Fragestellungen oder Modellsystemen organisiert, sondern nach technologischer Herangehensweise. Die sechs Kompetenzsäulen des Instituts für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin sind: Bioinstrumentation, 4D-Bildgebung, Optogenetik, Zellbiophysik, Computermodellierung und angewandte medizinische Forschung. „Unser Anspruch ist es, relevante medizinische Fragestellungen zu identifizieren, und deren Beantwortung mit modernsten technologischen Verfahren voranzutreiben – natürlich im engen Zusammenspiel mit den Kolleginnen und Kollegen in der Klinik“, sagt Professor Kohl.

Für Professor Kohl bedeutet der Umzug nach Freiburg auch eine Rückkehr nach Deutschland. Nach seinem Studium der Biophysik und Medizin in Moskau und einer Promotion an der Charité in Berlin verschlug es ihn nach Oxford, Großbritannien. Aus dem geplanten einen Jahr wurden schließlich über 20 Jahre. Die letzten fünf Jahre leitete er den Lehrstuhl für Kardiale Biophysik und Systembiologie am Imperial College in London.

Eine Frage, die den Wissenschaftler besonders interessiert, ist etwa das Wechselspiel zwischen der elektrischen Aktivität des Herzens und seinen mechanischen Eigenschaften. „Im Herzen sind mehr Nicht-Muskelzellen als Muskelzellen. Was die aber zur Regulation des Herzschlages beitragen, ist noch weitgehend unverstanden“, erklärt der Wissenschaftler. Ihre Fragen werden die Forscher auf allen Größenebenen beleuchten, vom einzelnen Molekül bis zum ganzen Menschen. Oder wie es ein Kollege von Professor Kohl einmal zusammenfasste: „Von Nano bis Makro. Und zwar Turbo.“

Ein Beispiel: Mit Hilfe einer neuen Technologie, der Optogenetik, wollen die Wissenschaftler spezifische Herzzellen so verändern, dass diese auf Lichtimpulse reagieren. So lassen sich einzelne Zellfunktionen kurzzeitig aus und wieder einschalten und damit deren Funktionen erforschen. In der Kompetenzsäule Zellbiophysik, sozusagen eine Größenordnung höher, werden die Wissenschaftler mit Hilfe ausgefeilter Apparate einzelne Herzmuskel- und Bindegewebszellen auf die „zelluläre Streckbank“ schicken und deren Reaktion auf Dehnung untersuchen.

Diese Daten werden dann mit Informationen aus bildgebenden Verfahren kombiniert – eine Herausforderung für Computerwissenschaftler. Doch um im Computer ein realistisches Herz erzeugen zu können, müssen noch viele Fragen beantwortet werden. „Wir wissen bislang nicht, warum ein menschliches Herz während des Pumpvorgangs kaum sein externes Volumen verändert.

Für die Entwicklung möglichst realistischer Computermodelle ist das aber eine ganz wichtige Frage, die wir auch untersuchen werden“, sagt Professor Kohl. Im Vergleich mit Tiermodellen und Humandaten lässt sich dann prüfen, ob neu gefundene Detail-Ergebnisse auch im Großen relevant sind.

An einem solchen virtuellen Herzen können Forscher und Ärzte des Universitäts-Herzzentrums dann krankhafte Veränderungen simulieren und neue Behandlungswege vorab im Computer testen. Das gilt zum Beispiel für Herzrhythmus-Störungen, die häufig mit einer Kathetherablation behandelt werden. Dabei wird Herzgewebe, das störende elektrische Reize leitet, zerstört und mit einer Narbe ersetzt. „Oft wachsen die Reizleitungen danach aber wieder durch die Narbe. Was dabei genau geschieht, und welche Zellen daran beteiligt sind, wäre wichtig zu wissen, um therapeutische Eingriffe zu optimieren“, sagt Professor Kohl.

„Es gibt schon jetzt viele konkrete Fragestellungen, die wir gemeinsam mit den Kollegen des Herzzentrums und anderer Institute, wie zum Beispiel der Experimentellen und Klinischen Pharmakologie der Universität, untersuchen möchten“, sagt Professor Kohl. Viele weitere erhofft er sich aus dem persönlichen Kontakt: „Im direkten Austausch entstehen die besten Ideen.“

Weitere Informationen:

www.herzzentrum.de/kliniken-fachbereiche/institut-fuer-experimentelle-kardiovaskulaere-medizin.html

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