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App in die Medizin-Zukunft

Medizintechnik

(13.12.2016) Das Smartphone ist für viele Menschen längst ein alltäglicher Begleiter. Aber erst mit kleinen Zusatz-Programmen, Apps genannt, lassen sich die Möglichkeiten der Hosentaschen-Computer so richtig ausnutzen. Mehr als 100.000 Fitness- und Gesundheits-Apps und allein 40.000 Apps zu medizinischen Themen werden im Internet angeboten.

Mittlerweile erinnern Apps an fällige Impftermine, messen per Kamera den Blutzuckerspiegel oder bestimmen die aktuelle Symptomstärke bei einem Parkinson-Patienten. „Gesundheits-Apps tragen im besten Fall dazu bei, dass Patienten zu Experten ihrer eigenen Krankheit werden“, sagt Dr. Martin Lucht, Koordinator am Studienzentrum des Universitätsklinikums Freiburg. Zukünftig sollen die Patienten Gesundheitsdaten direkt per App an den behandelnden Arzt senden oder mit ihm in Kontakt treten können. Der Arzt wiederum könnte von sich aus Patienten kontaktieren, wenn er eine deutliche Verschlechterung der Werte beobachtet.

Doch wer eine Gesundheits-App nutzen möchten, sollte sich einige Fragen stellen: Ist die App für mich geeignet? Was geschieht mit meinen Daten? Wie zuverlässig sind die Ergebnisse und Empfehlungen? Wer steckt hinter dem Angebot? Anfang 2016 ist das E-Health-Gesetz in Kraft getreten. Seither müssen zwar bestimmte Apps als Medizinprodukt zertifiziert werden, aber oft bleibt unklar, für welche Programme das gilt und ob sich der Hersteller darum kümmert. Noch schwieriger ist die Frage zu beantworten, welchen Zusatznutzen eine App hat. „Nur wenn die Einführung der Apps von einer entsprechenden Studie begleitet wird, lässt sich sagen, ob Ärzte oder Patienten auch wirklich davon profitieren“, sagt der Versorgungsforscher Professor Dr. Werner Vach vom Institut für Medizinische Biometrie und Statistik des Universitätsklinikums Freiburg.

Hier könnten renommierte Institutionen wie die Universitätskliniken in Zukunft als eine Art Qualitätssiegel fungieren. Sie kennen die Bedürfnisse der Patienten, bieten Ressourcen zur Entwicklung innovativer Apps und haben viel Erfahrung bei der Durchführung von Studien. „Wenn der Patient weiß, dass eine zuverlässige Institution die App entwickelt und geprüft hat, kann er davon ausgehen, dass dabei sauber gearbeitet wurde“, sagt der Informatiker PD Dr. Martin Boeker, der den Bereich für Medizinische Informatik des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik des Universitätsklinikums Freiburg leitet.

Auch für Ärzte und Forscher können Apps sehr wertvoll sein, etwa als digitale Nachschlagewerke mit Hintergrundtexten, Bildern, Videos und weiteren Zusatzfunktionen zu einem speziellen Thema. Außerdem helfen die kleinen Programme bei einem großen Problem der modernen Medizin: Welche Therapie für welche Patienten am besten ist, untersuchen Forscher in Studien. Dafür müssen Patienten häufig einen Fragebogen ausfüllen und an den Arzt zurücksenden. Wird der Fragebogen falsch oder verspätet ausgefüllt oder geht er gar verloren, fehlen wichtige Studiendaten. Hier können Apps helfen. Die Programme übermitteln die Daten sofort und die Befragung kann nach einem festgelegten Plan oder spontan erfolgen. „Studien mit Unterstützung von  Apps durchzuführen, kann  sehr sinnvoll sein. So können wir deutlich mehr Patienten erreichen als bisher“, sagt Studienkoordinator Lucht.

Die Frage, was Gesundheits-Apps können sollen, muss die Gesellschaft wohl immer wieder aufs Neue diskutieren: Dürfen sie lebensgefährliche Krankheiten diagnostizieren, medikamentöse Empfehlungen oder im Notfall wie ein Arzt sogar Handlungsanweisungen geben? Entscheidend wird in jedem Fall sein, dass Apps die Verbindung zwischen Arzt und Patienten stärken und nicht schwächen.  

Apps aus dem Klinikum

 

Digitale Patientenakte für mobile Endgeräte
Mit der digitalen Patientenakte Checkpad MED für mobile Endgeräte (z.B. iPad Mini, iPod Touch) können Ärzte strukturiert und effizient arbeiten. Das Programm ermöglicht jederzeit und mobil den Zugriff auf die Krankengeschichte, Arztbriefe, Laborwerte, Röntgenbilder, OP-Berichte und vieles mehr. Diese Informationen und Bilder werden auf die Endgeräte übertragen und sind während der gesamten stationären Behandlung verfügbar. Zudem können Aufgaben erstellt, vom Ärzteteam eingesehen und der Bearbeitungsstatus verfolgt werden. So ist das gesamte Team immer auf dem aktuellen Stand. Das spart Zeit und vereinfacht die Kommunikation zwischen den Ärzten und mit den Patienten. An der Entwicklung von CheckpadMed waren Ärzte um Prof. Dr. Norbert Südkamp, Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, beteiligt.  

Studie zu Kreuzbandriss-Behandlung
Ein Kreuzbandriss am Kniegelenk kann physiotherapeutisch oder operativ behandelt werden. Wer von welcher Therapie am meisten profitiert, möchten Forscher um Prof. Dr. Philipp Niemeyer und Dr. Martin Zens von der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg mit der App Back on Track herausfinden. Studienteilnehmer werden alle zwei Wochen per Smartphone zu Heilungsprozess und Sportfähigkeit befragt. Die gesammelten Daten sollen in Zukunft bei der Entscheidung helfen, bei wem eine Operation notwendig und sinnvoll ist.  

Überblick bei Stentgraft-Prothesen
Eine Ausweitung oder ein Riss der Hauptschlagader ist lebensbedrohlich. Um ein solches Aortenaneurysma zu verhindern, können Ärzte eine Gefäßstütze einsetzen. Bei der Wahl der passenden Stentgraft-Prothese hilft die App TEVAR, mitentwickelt von Dr. Bartosz Rylski, Herzchirurg in der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitäts-Herzzentrums Freiburg ∙ Bad Krozingen. Sie enthält Hinweise zur Handhabung, Bilder vom OP-Verlauf, Videos und sogar einen Rechner, um die optimale Prothese oder Prothesenkombination zu ermitteln. Die Europäische Gesellschaft für Herz- und Thoraxchirurgie hat die App mit dem Innovationspreis 2015 ausgezeichnet.  

Studien-App zu Kieferchirurgie
Ein Fahrradsturz oder ein Tumor in der Augenhöhle können eine Operation der Gesichtsknochen erfordern. Die App FaceCare bietet für Ärzte und Forscher die Möglichkeit Patientendaten einfacher und direkt „on time“ auszuwerten, um Therapiekonzepte zu überprüfen und zu optimieren. Darüber hinaus können die teilnehmenden Patienten den eigenen Heilungsverlauf dokumentieren, in Echtzeit analysieren und mit Durchschnittswerten anderer Patienten vergleichen. So können sie frühzeitig erkennen, wann sie unbedingt den Arzt konsultieren sollten. Maßgeblich mitentwickelt wurde die App von Dr. Dr. Fabian Duttenhöfer, Assistenzarzt an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Freiburg.

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