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MERS-Virus: Grund zur Furcht?

Virologie

Das sogenannte Mers-Coronavirus  sorgt in Südkorea für Angst: Mittlerweile wurden dort insgesamt 95 Fälle bestätigt, sieben Menschen sind gestorben. Wie groß ist die Gefahr wirklich? Fragen an den Leiter des Instituts für Virologie.

 

Im Fokus hat mit Prof. Dr. Hartmut Hengel vom Universitätsklinikum Freiburg gesprochen.

 

Im Fokus: Professor Hengel, Südkorea erlebt zurzeit den größten Ausbruch des „Middle East respiratory syndrome coronavirus“ (MERS) außerhalb des Nahen Ostens. Ein Grund beunruhigt zu sein?

Professor Hengel: Ein Ausbruch des MERS-Coronavirus dieser Größenordnung außerhalb der arabischen Halbinsel zeigt, dass wir mit einem ähnlichen Szenario bei uns grundsätzlich rechnen müssen. Wir treffen daher Vorkehrungen für den Tag X. Unser Institut hat bereits eine Nachweismethode für diesen neuen Erreger etabliert, so dass wir bei Verdachtsfällen rasch diagnostische Klarheit schaffen können. Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der Freiburger Infektionsmediziner ist durch die Taskforce Ebolavirus im vergangenen Jahr hervorragend eingeübt worden, so dass wir insgesamt auch für diesen Erreger gut vorbereitet sind. 

Im Fokus: Ist der Übertragungsweg von MERS bekannt?

Professor Hengel: Das Virus hat sein Reservoir in Dromedaren und ist bei diesen auf der arabischen Halbinsel und in Nordafrika sehr weit verbreitet. Immer wieder kommt es zu Übertragungen auf Menschen, die in Kontakt zu Dromedaren oder entsprechenden tierischen Produkten stehen. Menschen, vor allem ältere und chronische Kranke, erkranken sehr schwer  - die Letalitätsrate beträgt dann bis zu 40 Prozent - und können das Virus an weitere Menschen weitergeben. Bisher schien die Mensch-zu-Mensch Übertragung nicht besonders effizient, aber inzwischen werden Tertiärfälle und Fälle ohne bekannte Indexpersonen berichtet. Das könnte längere Infektionsketten und damit eine neue Qualität des Virus andeuten. Viele der aktuellen Infektionen in Südkorea werden übrigens in Krankenhäusern erworben, das muss uns ein wichtiger Warnhinweis für das Management entsprechender Verdachtsfälle und die Vermeidung nosokomialer Infektionen, das heißt von Übertragungen im Krankenhausbereich, sein.

Im Fokus: Entwickelt sich MERS zu einer weltweiten Bedrohung wie bei der SARS-Pandemie  im Jahr 2002/2003?

Professor Hengel: So konkret wie beim SARS-Coronavirus ist die Gefahr bisher sicher nicht, aber die abstrakte Gefahr heute auszuschließen wäre auch sehr naiv. Zum Glück ist durch die einschneidenden Erfahrungen mit dem SARS-Coronavirus ein Netz globaler Benachrichtigung und Kooperation entstanden, so dass sich die Spur von neuen Viren heute viel besser verfolgen lässt und alle Staaten koordiniert reagieren können. Das ist ein großer Fortschritt.    

Im Fokus: Besteht in Deutschland zurzeit ein erhöhtes Risiko?

Professor Hengel: Das Risiko, MERS-Coronavirus aus dem arabischen Raum nach Deutschland zu importieren, besteht schon länger, man sieht es an den bisher in Deutschland aufgetretenen drei Erkrankungsfällen. An dieser relativ geringen Gefährdungslage Deutschlands würde sich nur dann wirklich etwas ändern, wenn das Virus eine dauerhafte Zirkulation in Asien erreichen könnte und wir auch aus Asien Virusimporte erwarten müssten. Aber so weit ist es bisher nicht.      

Hintergrund:  Das Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV) ist seit April 2012 bekannt. Klinisch präsentieren sich nachgewiesene Fälle zu Beginn mit einer akut beginnenden, grippeähnlichen Erkrankung. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel ein bis zwei Wochen. Bei schweren Verläufen kann sich eine Lungenetzündung entwickeln, die in ein akutes Atemnotsyndrom übergehen kann. Ein häufiges Begleitsymptom ist Durchfall; bei schweren Verläufen kann auch Nierenversagen auftreten. Schwere Verläufe treten überwiegend bei Personen mit chronischen Vorerkrankungen auf, wie zum Beispiel Diabetes, einer Krebserkrankung oder Immunsuppression. (Quelle: Robert-Koch-Institut)

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