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Nobelpreis: Die ausgezeichneten Parasitenjäger

Mikrobiologie

(04.12.2015) In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der Malaria-Toten laut Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) um 60 Prozent gefallen. Großen Anteil an dieser Entwicklung hatte die Pharmazeutin Youyou Tu, die den Wirkstoff Artemisinin für die Behandlung von Malaria etabliert hat. Dafür wird sie mit dem diesjährigen Nobelpreis für Medizin geehrt. Sie teilt sich die Auszeichnung mit den Forschern William C. Campbell und Satoshi Omura. Campbell und Omura haben gemeinsam das Medikament Ivermectin entwickelt, das hocheffektiv gegen den Erreger der Flussblindheit und andere Wurmerkrankungen, insbesondere sogenannte Filariosen, wirkt.

Prof. Dr. Georg Häcker, Ärztlicher Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum Freiburg, erklärt die Bedeutung der Entdeckungen.

Professor Häcker, wie wirkt das Wurmmittel Ivermectin?
Ivermectin ist ein Nervengift, das Nervenzellen wirbelloser Tiere angreift. Dadurch führt es zu einer Lähmung der Parasiten. Schon eine einzige Tablette reicht aus, um einen Menschen zu heilen. Darum gibt es seit Ende der 1980er Jahre auch große Programme, diese Medikamente in den betroffenen Gebieten zu verteilen. Das Mittel ist so wirksam, dass man mittlerweile sogar daran arbeitet, die Krankheit weltweit auszurotten.

Wie wurde das Mittel denn gefunden?
Der Mikrobiologe Satoshi Omura hat in Bodenproben nach Stoffen gesucht, die Fadenwürmer abtöten. Angeblich hat er in der Probe von einem Golfplatz das Bakterium Streptomyces avermitilis gefunden, das eine Vorstufe des Ivermectins herstellt. Gemeinsam mit William Campbell hat er die Substanz zum Medikament weiterentwickelt. Anfangs wurde es übrigens nur in der Tiermedizin eingesetzt und erst später in der Behandlung von Menschen.

Auch Artemisinin zur Behandlung von Malaria hat einen ungewöhnlichen Weg in die moderne Medizin gefunden. Wie kam es dazu?
Die Pharmazeutin Youyou Tu hat eine Wirkung von Extrakten des Einjährigen Beifußes, Artemisia, in Aufzeichnungen der traditionellen chinesischen Medizin gefunden. Anfang der 1970er Jahre isolierte sie daraus den Wirkstoff Artemisinin, der dann auch in Tablettenform verabreicht werden konnte.

Welche Vorteile hat Artemisinin gegenüber bisherigen Therapien?
Artemisinin wird vor allem für die Behandlung der besonders gefährlichen Malaria tropica eingesetzt. Vor Artemisinin hatten die Ärzte oft mit Resistenzen gegenüber den Standard-Medikamenten zu kämpfen. Solche Resistenzen gab es gegen Artemisinin lange Zeit nicht. In letzter Zeit wurde allerdings  auch hier über Resistenzbildungen berichtet.

Halten Sie die Vergabe des Nobelpreises an diese drei Forscher für gerechtfertigt?
Wenn man den direkten medizinischen Gewinn für die Menschheit als Maß nimmt, auf jeden Fall. Zudem hat der Preis eine politische Dimension. Er zeigt: auch der Kampf gegen die tropischen Krankheiten ist wichtig.

Kurzinfo Filariosen: Eine Reihe von tropischen Erkrankungen wird durch millimetergroße Fadenwürmer ausgelöst. Eine der wichtigsten sogenannten Filariosen ist die Flussblindheit. Die Fadenwürmer werden durch Insektenstiche übertragen und wandern über unterschiedliche Wege im Körper. Der Erreger der Flussblindheit führt unbehandelt zu einer Hornhauttrübung und letztlich zu Blindheit.

Kurzinfo Malaria: Malaria wird durch den Einzeller Plasmodium ausgelöst, der von der Anopheles-Mücke von Mensch zu Mensch übertragen wird. Der Parasit vermehrt sich in Leber und roten Blutkörperchen und führt zu Fieberschüben. Unbehandelt kann Malaria tödlich sein. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden im Jahr 2015 214 Millionen Menschen infiziert, von denen etwa 438.000 starben.


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