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Retinale und chorioidale Angiogenesemodelle

Angiogenese-Labor
Nature Protocols

Nature Protocols [3]

Hintergrund

Am Augenhintergrund sind prinzipiell zwei Gefäßsysteme bedeutsam, sowohl für die normale Entwicklung als auch im Kontext visusbedrohender Erkrankungen. Einerseits versorgt das dreischichtige retinale Gefäßnetz bestehend aus einem oberflächlichen, einem intermediären und einem tiefen Plexus die inneren Schichten der Netzhaut. Die äußeren Schichten der Netzhaut, insbesondere die metabolisch stark aktive Photorezeptorschicht, dagegen erhält einen Großteil ihrer Blutversorgung aus den unter der neurosensorischen Netzhaut gelegenen chorioidalen Kapillaren. Diese unterschiedliche Gefäßversorgung hat wichtige Folgen für die Entstehung der verschiedenen gefäßassoziierten Erkrankungen der Retina. Bei der diabetischen Retinopathie und der Frühgeborenenretinopathie kommt es beispielsweise zu einer Schädigung bzw. einer angiogenen Aktivierung der innersten retinalen Kapillaren. Dies hat in schweren Fällen die Ausbildung präretinaler Proliferationsareale zur Folge. Bei der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) dagegen kommt es zum Verlust bzw. zur überschießenden Neubildung chorioidaler Kapillaren. Die Folge sind in schweren Fällen subretinale Neovaskularisationen, welche häufig eine ausgeprägte Visusminderung bedingen. Um diese unterschiedlichen angiogenen Ausgangssituationen (retinal vs. chorioidal) im Mausmodell nachvollziehen zu können, wurden unterschiedliche Modellsysteme entwickelt, welche jeweils unterschiedliche Aspekte der retinalen bzw. chorioidalen Angiogenese abbilden.

Eigene Ergebnisse

Die unterschiedlichen derzeit verfügbaren Tiermodelle der retinalen und chorioidalen Angiogenese sind mit ihren Eigenschaften sowie ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen ausführlich in [1] zusammengefasst. Für die chorioidale Angiogenese wird im Mausmodell meist auf das System der Laser-induzierten CNV zurückgegriffen. Für die pathologische retinale Angiogenese hat vor allem das in den 90er Jahren von Lois Smith etablierte Mausmodell der sauerstoff-induzierten Retinopathie (oxygen-induced retinopathy; OIR) weitreichende Verwendung gefunden [2]. Für dieses Modell wurde vor kurzem ein aktualisiertes Anwendungsprotokoll veröffentlicht [3]. Das Protokoll beschreibt ausführlich das methodische Vorgehen von der Entnahme der Retinae (Video 1), über die Erstellung des retinalen Flachpräparats (Video 2) bis hin zur Färbung und Auswertung.

Video 1: Entnahme und Präparation der Retina. Das Video illustriert die Technik

zur Entnahme der Mausretina für das OIR Mausmodell (Video aus [3]).

Video 2: Erstellung eines retinalen Flatmount Präparats. Das Video illustriert die

Technik zur Erstellung des Flatmountpräparats für das OIR Mausmodell

(Video aus [3]).

Zur Quantifizierung der präretinalen Proliferationsareale wurde eine computer-gestützte Auswertmethode entwickelt [4], die auf der SWIFT_NV-Seite ausführlich dargestellt ist (siehe dort). Eine wichtige Einflussgröße im OIR-Mausmodell ist unter anderem die postnatale Gewichtsentwicklung und es ist von wesentlicher Bedeutung, Gewichtsunterschiede beispielsweise zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe oder zwischen knockout und Wildtyp in die Analyse mit einzubeziehen [5]. Die große Bedeutung des OIR-Modells für das Verständnis menschlicher Krankheitsbilder, insbesondere der Frühgeborenenretinopathie, wird dadurch verdeutlicht, dass viele Erkenntnisse as dem OIR-Mausmodell die Grundlage für aktuelle pathomechanistische und auch therapeutische Überlegungen am Menschen darstellen [6].

Projektbezogene Literatur

[1] Stahl A., Connor K.M., Sapieha P., Chen J., Dennison R.D., Krah N.M., Seaward M.R., Willett K.L., Aderman C.M., Guerin K.I., Hua J., Löfqvist C., Hellström A., Smith L.E.H.
‘The mouse retina as an angiogenesis model’ (most downloaded IOVS article published in 2010)
Invest Ophthalmol Vis Sci. (IOVS) 2010 Jun;51(6):2813-26

[2] Smith L.E, Wesolowski E., McLellan A., Kostyk S.K., D'Amato R., Sullivan R., D'Amore P.A.
‘Oxygen-induced retinopathy in the mouse.’
Invest Ophthalmol Vis Sci. 1994 Jan;35(1):101-11

[3] Connor K.M., Krah N.M., Dennison R.J., Aderman,C.M. Chen J., Guerin K., Sapieha P.,
Stahl A., Willett K.L, Smith L.E.H. ‘Quantification of oxygen-induced retinopathy in the mouse – a model of vessel loss, vessel regrowth, and pathological angiogenesis’
Nature Protocols (cover article). 2009 4(11):1565-73

[4] Stahl A., Connor K.M., Sapieha P., Willett K.L., Krah N.M., Dennison R.J., Chen J., Guerin K.I., Smith L.E.H. ‘Computer-aided quantification of retinal neovascularization’
Angiogenesis (cover article). 2009 12(3):297-301

[5] Stahl A., Chen J., Sapieha P., Seaward M.R., Krah N.M., Dennison R.J., Favazza, T.,
Bucher F., Löfqvist C., Ong, H., Hellström A., Chemtob, S., Akula, J.D., Smith L.E.H.
‘Postnatal weight gain modifies severity and functional outcome of oxygen-induced proliferative retinopathy’
American Journal of Pathology (cover article) 2010 Dec;177(6):2715-23

[6] Chen J., Stahl A., Hellstrom A., Smith L.E.H
‘Current update on retinopathy of prematurity: screening and treatment’
Curr Opin Pediatrics (Editor's Choice Article) 2011 Apr;23(2):173-8