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Lipidmediatoren der Angiogenese

Angiogenese-Labor
Science Translational Medicine

Science Translational Medicine [2]

Hintergrund

Angioproliferative Retinaerkrankungen stellen heute eine der Hauptursachen für signifikante Sehminderung und Erblindung in Industrienationen dar. Die Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) beispielsweise betrifft über 10 Millionen Menschen allein in den USA und diese Zahl wird auch in Deutschland mit der zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung weiter ansteigen. Ähnlich relevant sind angioproliferative Erkrankungen der retinalen Blutgefäße. Die Frühgeborenenretinopathie beispielsweise stellt eine der häufigsten Ursachen für bleibende Sehminderung im Kindesalter dar und die diabetische Retinopathie ist die häufigste Ursache für signifikante Sehminderung im mittleren Erwachsenenalter. Obwohl bei allen drei genannten Erkrankungen Assoziationen mit Dysregulationen im Lipidstoffwechsel nachgewiesen sind, besteht derzeit ein noch sehr unvollständiges Bild von der genauen Rolle von Lipidmediatoren in der Entstehung und vor allem in der potentiellen Behandlung angioproliferativer Netzhauterkrankungen.

Eigene Ergebnisse

Viele der derzeit verfügbaren grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Rolle angiogener Lipidmediatoren wurden im Mausmodell der sauerstoff-induzierten Retinopathie (oxygen-induced retinopathy; OIR) erhoben. Wegweisende Arbeiten aus der Arbeitsgruppe von Lois Smith hatten in diesem Modell einen deutlich protektiven Effekt hoher ω-3-Fettsäurespiegel auf die Schwere der proliferativen Retinopahtie nachgewiesen [1]. Basierend auf diesen Erkenntnissen entstanden grundlagenwissenschaftliche Studien, welche zum Ziel hatten, die mechanistischen Signalwege zu entschlüsseln, die dem protektiven ω-3-Effekt im OIR Modell zugrunde liegen. Als Ergebnis dieser Untersuchungen konnten anti-angiogen wirksame Lipidmetabolite identifiziert werden, welche unabhägig von den bekannten angiomodulativ wirksamen Proteinen wie VEGF einen Einfluss auf die Ausbildung retinaler Proliferationsareale haben. Beispielsweise wurde gefunden, dass über das Enzym 5-Lipoxygenase (5-LOX) potent anti-angiogen wirksame Metabolite der ω-3-Fettsäuren wie beispielsweise 4-HDHA generiert werden [2]. Darüber hinaus wurde gefunden, dass diese ω-3-Metabolite ihre anti-angiogene Wirkung zu einem beträchtlichen Teil über den nukleären Rezeptor peroxisome proliferator receptor gamma (PPARγ) ausüben [3]. Damit wurden Teile eines anti-angiogen wirksamen Lipidsignalwegs beschrieben, der zumindest im OIR Mausmodell einen signifikanten Effekt auf die Schwere der proliferativen Retinopathie ausübt und unabhängig von den klassischen proteinvermittelten Signalkaskaden wie beispielsweise VEGF zu sein scheint. Dieses Konzept wurde auch in einem kürzlich erschienenen Editorial Comment im New England Journal of Medicine diskutiert [4].

Abb. 1: ω-3 und ω-6-Fettsäuren sind strukturell sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich lediglich in der Position der ersten Doppelbindung: Im Falle der ω-6-Fettsäuren folgt diese nach dem sechsten C-Atom vom w-Ende der Struktur, im Falle der ω-3-Fettsäuren nach dem dritten C-Atom. Arachidonsäure (AA) und Docosahexaensäure (DHA) sind jeweils bekannte Vertreter der ω-6 und ω-3-Fettsäuren (Abbildung aus [5]).

Abb. 2: 4-HDHA ist ein potent anti-angiogen wirksamer Metabolit von ω-3-Fettsäuren, der durch Enzymaktivität der 5-Lipoxygenase (5-LOX) hergestellt wird (Abbildung aus [2]).

Abb. 3: Zugabe eines Inhibitors für den Rezeptor PPARγ (GW9662, in der Abbildung als GW abgekürzt) hebt den anti-angiogenen Effekt der ω-3-Fettsäuren im OIR Modell weitgehend auf. Präretinale Proliferationsareale sind in der Abbildung weiß hervorgehoben (Abbildung aus [3]).

Abb. 4: Vereinfachte schematische Darstellung des beschriebenen anti-angiogen wirksamen Lipidsignalwegs. Ausgehend von ω-3-Fettsäuren wird abhängig von dem Enzym 5-Lipoxygenase (5-LOX) der anti-angiogen wirksame Lipidmetabolit 4-HDHA gebildet, welcher über Aktivierung des Rezeptors PPARγ seine anti-angiogenen Effekte ausübt.


Projektbezogene Literatur

[1] Connor K.M., SanGiovanni J.P., Lofqvist C., Aderman C.M., Chen J., Higuchi A., Hong S., Pravda E.A., Majchrzak S., Carper D., Hellstrom A., Kang J.X., Chew E.Y., Salem N. Jr, Serhan C.N., Smith L.E., ‘Increased dietary intake of omega-3-polyunsaturated fatty acids reduces pathological retinal angiogenesis’
Nature Medicine 2007 Jul;13(7):868-73

[2] Sapieha P.*, Stahl A.*, Seaward M.R., Willett K.L., Krah N.M., Dennison R.J., Aderman C.M., Connor K.M., Chen J., Austen F., Gronert K., Smith L.E.H. ‘5-Lipoxygenase Mediates Anti-angiogenic Effects of ω-3 PUFAs on Proliferative Retinopathy’ (*equal contribution)
Science Translational Medicine (cover article) 2011 Feb 9;3(69):69ra12.

[3] Stahl A., Sapieha P., Connor K.M., SanGiovanni J.P., Chen J., Aderman C.M., Willett K.L., Krah N.M., Dennison R.J., Seaward M.R., Guerin K.I. Hua J., Smith L.E.H. ‘PPARγ mediates the anti-angiogenic effect of ω3-PUFAs in proliferative retinopathy’
Circulation Research 2010 Aug 20;107(4):495-500.

[4] Chew E.Y.
‘Fatty acids and retinopathy.’
N Engl J Med. 2011 May 19;364(20):1970-1

[5] Stahl A., Krohne T.U., Sapieha P., Chen J., Hellstrom A., Chew E., Holz F.G., Smith L.E.H. ‘Lipid metabolites in pathogenesis and treatment of neovascular eye disease’
British Journal of Ophthalmology (invited Review Article) 2011 Mar 18. [Epub]

Leiter Schwerpunkt Experimentelle Ophthalmologie