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Der Behandlungsplan im Überblick

Der Verschluss des harten und des weichen Gaumens

Als weicher Gaumen wird das Gaumensegel (Velum) bezeichnet. Bei der Wahl des Zeitpunktes für den Verschluss des harten und weichen Gaumens gilt es zwei Punkte zu beachten. Einerseits sollte der Gaumen so früh wie möglich verschlossen werden, um eine möglichst ungehinderte Mittelohrfunktion und Sprachentwicklung zu ermöglichen. Andererseits wird durch eine Narbe am Gaumen möglicherweise das Wachstum des Oberkiefers beeinträchtigt. Dies ist ein Grund dafür, dass der Gaumen nicht schon zusammen mit der Lippe verschlossen wird, sondern erst im Alter von 9-11 Monaten, also zu einem Zeitpunkt kurz bevor Ihr Kind die ersten bewusst artikulierten Laute bildet.

Rechtzeitig vor dem Gaumenverschluss erfolgt die Kontrolle des Hörvermögens durch eine (n) Spezialist*in. Falls eine Störung der Mittelohrfunktion festgestellt wird, kann gleichzeitig mit dem Gaumenverschluss von der / dem Hals-Nasen-Ohren-Ärztin /-Arzt ein sog. Paukenröhrchen zur Drainage eines Mittelohrergusses eingelegt werden. Dadurch wird dem Kind eine zusätzliche Narkose erspart. Wir empfehlen daher im Rahmen der Spaltsprechstunde die Vorstellung Ihres Kindes in der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie spätestens im Alter von 5-8 Monaten.

Beim Gaumenverschluss kommt es ebenfalls auf eine exakte Vereinigung der einzelnen Schichten an, damit die vielschichtigen Funktionen des Gaumens wiederhergestellt werden können. Diese Vereinigung hat das Abdichten des Nasenraumes beim Schlucken und Sprechen, und das verbesserte Belüften des Mittelohres durch Zug an der Ohrtrompete zum Ziel.

Zunächst wird die Schleimhaut auf der Nasen- und auf der Mundseite vom knöchernen Gaumen gelöst. Dann erfolgt der Verschluss der Nasenschleimhaut, so dass Mund- und Nasenraum endgültig voneinander getrennt sind. Dabei werden auch die beiden unteren Nasengänge gebildet. Nach Vereinigung der Muskulatur des weichen Gaumens wird abschließend die Schleimhaut auf der Mundhöhlenseite vernäht. Auch der Kieferspalt wird mit Schleimhaut überdeckt. Der knöcherne Anteil des harten Gaumens wird im Laufe der folgenden Monate durch Ausbildung eines straffen Bindegewebes verschlossen, das einen sicheren Abschluss gewährleistet.

Beim Gaumenverschluss werden ausschließlich selbst auflösende Fäden verwendet, für die kein Zweiteingriff zur Nahtentfernung notwendig ist.

Weder beim Lippen- noch beim Gaumenverschluss wird außer dem Nahtmaterial körperfremdes Material, eingesetzt. Der vielfach für diese Operationen verwendete Begriff „plastische Rekonstruktion“ meint die Verlagerung des Gewebes aus der Umgebung nach den Regeln der Plastischen Chirurgie.

Die Rekonstruktion der Lippe

Im Laufe der letzten Jahre ist es durch verbesserte und schonende Narkosetechniken möglich geworden, bereits wenige Monate nach der Geburt Operationen ohne bemerkenswerte allgemeine Risiken für die Kinder durchzuführen. Auch haben sich die Operationstechniken erheblich verfeinert, so dass ästhetisch immer bessere Ergebnisse erzielt werden. Als Grundlage unserer Operationsmethode dient das Verfahren nach Delaire, oftmals kombiniert mit anderen Verfahren, für die es viele verschiedene Namen gibt.

Der Verschluss der Lippe ist bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten die erste Operation. Liegt eine isolierte Lippenspalte vor, ist meist nur diese eine Operation erforderlich. In der Regel wird das endgültige Ergebnis der Operation bereits bei diesem ersten Eingriff erreicht. Selten sind später nur kleine Korrekturoperationen erforderlich (z. B. vor der Einschulung).

Es hat sich in Freiburg, wie in vielen anderen Behandlungszentren, bewährt, den Verschluss der Lippe im Alter von 3 bis 6 Monaten vorzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt wiegt das Kind durchschnittlich 5 kg oder mehr, ein Gewicht, das die Narkoseärzt*innen als sicher ausreichend für den mehrstündigen Eingriff ansehen. Bei Bestehen begleitender Erkrankungen, wie z. B. Herzfehler, Stoffwechselstörungen, Lungenerkrankungen o. ä., richtet sich der Zeitpunkt der Operation nach dem allgemeinen Gesundheitszustand und wird mit den mitbehandelnden Fachkolleg*innen abgesprochen.

Bei Lippenverschluss werden die beiden spaltseitigen Anteile der Lippe vereinigt und ein sog. Mundvorhof (das ist der Abschnitt zwischen Zahnbogen und Lippeninnenseite) gebildet. Dabei kommt es vor allem auf die exakte Vereinigung der drei Schichten, bestehend aus der Schleimhaut an der Innenseite der Lippe, der Ringmuskulatur des Mundes und der äußeren Haut, an.

Vor allem die Rekonstruktion der Ringmuskulatur dient der Wiederherstellung der Mundbeweglichkeit. Im Bereich des Mundvorhofs wird auch der Kieferspalt mit Gewebe zum Teil verschlossen. Bei Lippenspalten muss in der Regel auch der Naseneingang geformt und ein Nasenboden gebildet werden. Hier in Freiburg führen wir dies gleichzeitig mit dem Lippenspaltverschluss durch. Dabei wird der zur Seite abgewichene Nasenflügel in die richtige Position zur Mitte gebracht. Mit Nähten wird dann die Form der Nase auf der Spaltseite der gesunden Seite angenähert.


Im Anschluss an die Operation wird in der Regel eine Magensonde gelegt. Diese ermöglicht zum einen den Ablauf eventuell in den Magen gelangten Blutes, zum andern gestaltet sich der postoperative Kostaufbau unproblematischer. Zusätzlich wird durch die Magensonde die Wunde geschont und Ihr Kind kann sich leichter an die für sie/ihn neue Situation gewöhnen.

Im Bereich der Schleimhaut wird Nahtmaterial verwendet, das nicht wieder entfernt werden muss. Die Hautfäden lösen sich nicht auf. Sie werden am 7. Tag nach der Operation gezogen. Dazu wird Ihr Kind ca. eine halbe Stunde vorher mit einem Medikament sediert (beruhigt).

Die kleine Narbe im Bereich der Oberlippe wird in den ersten Wochen nach der Operation deutlich gerötet und verdickt erscheinen. Wir empfehlen vor allem in den Sommermonaten die Verwendung eines Sonnenschutzes mit hohem Lichtschutzfaktor, um eine zusätzliche Reizung und länger anhaltende Rötung zu vermeiden. Die Narbe hat erst nach 6-12 Monaten ihr endgültiges Aussehen. Sie wird bis dahin blasser und glättet sich.

Der knöcherne Kieferspaltverschluss

Die Knochenlücke im Bereich des Zahnbogens. d.h. die Kieferspalte, wird bei uns wie heute in den meisten Spaltzentren erst im späteren Lebensalter mit Knochen überbrückt. Bei den früheren Operationen erfolgte lediglich ein Verschluss des Kieferspalts mit Schleimhaut und Periost. Dies reicht für den späteren Durchbruch der bleibenden Zähne nicht aus. Wir empfehlen in gemeinsamer Abstimmung mit der /dem  behandelnden Kieferorthopädin / Kieferorthopäden den knöchernen Kieferspaltverschluss kurz vor Durchbruch des bleibenden Eckzahnes (8.-11. Lebensjahr), der dann in diese Lücke bewegt werden kann und ein festes knöchernes Lager vorfindet. Dazu werden kleine Knochenstückchen aus dem Beckenkamm verpflanzt. Dank moderner Operationsverfahren ist hierfür nur noch ein kleiner ca. 3 cm messender Schnitt über dem seitlichen Beckenkamm erforderlich, der die Knochenentnahme mit einer kleinen Stanze oder feinen Osteotomen (Knochensägen) erlaubt.

Die genaue Festlegung des Operationszeitpunktes für die Kieferspaltosteoplastik erfolgt in der Sprechstunde gemeinsam mit den Kolleg*innen der Klinik für Kieferorthopädie unseres Departments oder bei weiter entfernt wohnenden Patient*innen mit der/ dem behandelnden niedergelassenen Kieferorthopädin/ Kieferorthopäden. Diese gemeinsame Absprache ist insbesondere wichtig, um auch die gleichzeitige Entfernung eventuell überzähliger oder versprengter Zähne festzulegen.

Korrekturoperationen

Spätestens bis zur Einschulung, also bis zum 6. Lebensjahr sind die meisten Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten vollständig rehabilitiert, d.h. es liegt ein unauffälliges Äußeres vor. Hören und Sprechen sind so wie bei gleichaltrigen Kindern.

In Einzelfällen können jedoch noch ästhetische Auffälligkeiten bestehen, die abhängig vom Wunsch der Eltern und des Kindes noch korrigiert werden können. Dies ist bei Kindern mit doppelseitigen vollständigen Lippen-Kiefer-Gaumenspalten häufiger der Fall. In diesen Fällen können durch plastisch chirurgische Narbenkorrekturen günstigere Ergebnisse erzielt werden. Ebenso kann eine etwaige Muskellücke im Oberlippenrot durch eine so genannte Austauschplastik einfach korrigiert werden.

Eine Verlängerung des Nasenstegs ist meist nur bei ausgeprägten doppelseitigen LKG-Spalten erforderlich. Bei einem zu kurzen Nasensteg wird unter Einbeziehung vorhandener Narben an der Oberlippe Gewebe aus der Oberlippe genutzt, um den Nasensteg zu verlängern und die Nasenflügel aufzurichten.

Bei wenigen Kindern ist trotz exakter Wiederherstellung des Muskelringes im Gaumensegelbereich und trotz Sprechtherapie das Sprechen hörbar verändert. Liegt ein sog. offenes Näseln (Rhinophonia aperta) vor, kann dies Folge einer mangelnden Abschlussfunktion eines zu kurzen Gaumensegels gegen die Rachenhinterwand sein. In diesen Fällen empfiehlt sich eine sprachverbessernde Operation (Velopharyngoplastik). Hierbei wird der Gaumen durch eine spezielle Technik verlängert und mit einem Schleimhautmuskelläppchen an die Rachenhinterwand verlagert. Die Atemfunktion wird dadurch in der Regel nicht beeinträchtigt. Die Entscheidung für eine solche Operation treffen wir gemeinsam mit den spezialisierten Kolleg*innen der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.

In späteren Lebensjahren können durchaus noch weitere Wünsche nach Verbesserung entstehen. Wir besprechen Einzelheiten mit der dann immer mehr selber entscheidenden Patient*in. Zu den operativen Möglichkeiten gehören auch chirurgische Behandlungen zur Verbesserung der Kaufunktion (Dysgnathieoperationen) und Nasenkorrekturoperation (Septorhinoplastik).

Dr. Dr. Wiebke Schupp
Fachärztin für Mund-,Kiefer- und Gesichtschirurgie