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Kunst

im Interdisziplinären Tumorzentrum
Jahr 2016

Jahr 2016

Matten Vogel

2016 - 2017

Öl auf Leinwand

16 x 23 Kacheln in bunten Farben erinnern vielleicht erst an gekachelte U-Bahnstationen, doch schnell merkt man, dass das Muster keines ist. Es lässt sich keine eindeutige Wiederholung, kein Rhythmus erkennen. Das heißt, die Farben sind nicht einer größeren Ordnung unterworfen, sondern tragen eine Bedeutung. Es bedeutet etwas, dass das vierte Rechteck von unten in der ersten Spalte hellgrün ausgemalt wurde. Was versteckt sich wohl hinter diesem Farbcode und dieser Tabelle? Manch einer, insbesondere aus dem Klinikpersonal, erinnert sich vielleicht an Dienstpläne, in denen Terminen und Personen Farben zugeordnet sind, um möglichst schnell und auf einen Blick zu begreifen, wer beispielsweise diese Woche Spätdienst hat. Tatsächlich handelt es sich um eine Art Tagebuch. Vogel füllte viele Leinwände mit solchen Rechtecken, mal entstanden Monats-, mal Wochentabellen oder eben auch ein ganzes Jahr. Dieses Bild entstand über den Zeitraum des Jahres 2016 und berichtet somit aus diesem Lebensjahr des Künstlers. Jeder Monat hat eine andere Farbe. Es wird klar, an den weißen Tagen ist etwas nicht passiert, was an den bunt ausgemalten wohl geschehen ist. Wie würde eine solche Tabelle für Sie aussehen? Jetzt oder 2016. Daheim oder am Arbeitsplatz. Gut oder schlecht gefühlt. Gefroren oder geschwitzt. Was wären die Geschehnisse, die Sie ein Jahr lang ein Kästchen ausfüllen ließen?

Graues Bild mit dunkelblauer Linie

Graues Bild mit dunkelblauer Linie

Matten Vogel

2018

Öl auf Leinwand

Ein graues Quadrat mit elf hellen und einer schwarzen Linie, die parallel zueinander von der linken oberen Ecke zur rechten unteren führen, sowie drei ebenfalls helle und parallele Linien, die von der linken unteren Ecke zur rechten oberen reichen. Das erscheint zunächst sehr simpel. Ein Kunstwerk nach dem Prinzip: Das hätte ich doch auch machen können. Damit könnten Sie sich umdrehen und das Quadrat hinter sich lassen. Wer sich dennoch weiter fragt, was das denn soll, der wird bei genauer Betrachtung feststellen, dass es doch nicht ganz so simpel ist. Die Linien enden zum Beispiel nicht oder nur knapp in den Bildecken. Es befinden sich auch nicht alle Linien auf einer Ebene, manche werden überschnitten, manche überschneiden, manche tun beides. So liegt beispielsweise die schwarze Linie über zwei der drei orthogonal zu ihr verlaufenden Linien, aber nicht über der dritten. Während die Abstände der Linien immer gleich aussehen und daher in ihren Schnittpunkten kleine Quadrate bilden, bemerkt man, dass die Dreiecke, welche in der Verlängerung dieser Überschneidung entstanden sind, nicht gleich scheinen. Je länger man das Quadrat betrachtet, umso mehr Formen tun sich auf. Können Sie einem Linienstrang von Anfang bis Ende mit den Augen folgen, ohne ihn zu verwechseln? Diese zuerst so einfach erscheinende geometrisch gestaltete Leinwand hat es ganz schön in sich, wenn man versucht, ihre Regeln zu durchschauen.

Linescape #2/110

Linescape #2/110

Nicole Heinzel

2010

Öl auf Leinwand

Betrachten Sie das Bild zunächst aus einiger Entfernung. Treten Sie dann näher und schauen sich das Bild aus der Nähe an. Mit nur zwei Farbtönen, einem dunkleren für die Fläche und einem helleren, der darunter liegt und nur durch Einritzungen in der oberen Farbschicht sichtbar wird, erzeugt Nicole Heinzel den Eindruck einer bewegten Wasserfläche. Linescapes nennt sie diese Bilder – Linienlandschaften. Können Sie erkennen, wie die Künstlerin den Eindruck von einer bewegten Wasserfläche erzeugt hat? Viele helle Linien kreuzen sich auf einer dunkleren Fläche. Davon sind einige beinahe waagerecht, die meisten sind aber leicht schräg, aber kaum eine der Linien übersteigt einen Neigungswinkel von 45°. Es gibt Bereiche, in denen die Farbe der Linien fast zu einer Fläche wird und andere, in denen die darüberliegende Farbe eine Fläche bleibt, weil keine der Linien sie berührt.

Trees #2/140 (blauer Wald)

Trees #2/140 (blauer Wald)

Nicole Heinzel

2011

Öl auf Leinwand

Nehmen Sie sich zunächst ein paar Minuten Zeit und schauen sich das Bild an. Was sehen Sie? Können Sie beschreiben, was Sie sehen? Im Bild werden nur zwei Farbwerte verwendet. Es besteht aus einer dunklen blauen Fläche und schwarzen Elementen, die sich davon absetzen. Im unteren Bereich ist das Bild durch die blaue Fläche bestimmt, im oberen von schwarzen überwiegend vertikalen Linien. Können Sie auf dem Bild etwas erkennen? Es ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, aber das Bild zeigt einen Waldrand, wurde aber durch die Verwendung von nur zwei Farbtönen verfremdet. Am rechten Bildrand kann man einen kleinen Nadelbaum erkennen, die meisten sind aber so groß, dass man nur die Stämme und kaum Äste sieht. Im unteren Bildbereich kann man Steine erkennen und Halme. Das Bild reproduziert den friedlichen Eindruck, den die Natur im Winter vermittelt. Würde sich dieser Eindruck verändern, wenn Nicole Heinzel andere Farben gewählt oder die Farben gemischt hätte, um Farbabstufungen zu erzeugen?

Eine oben, eine unten

Eine oben, eine unten

Werner Berges

2012

Acryl auf Leinwand

Das Auge muss sich hier erstmal sortieren. Die quadratischen Farbfelder erscheinen wie Kacheln oder Fliesen. Durch ihre Schrägstellung scheinen sie wie aus dem Bild zu gleiten. Eine ganze Wand, die wegrutscht. Darin sind manche Felder bzw. Zwischenräume frei - also weiß - belassen. Darüber oder dazwischen oder doch dahinter sind weitere weiße Formen zu erkennen. Überlagern diese die Farbfelder, oder sind sie auf einer Ebene? Man versucht den Formen etwas Bekanntes zuzuordnen, etwas zu erkennen. Schließlich wird man fündig. Was haben Sie zuerst erkannt? Den Bauchnabel oder das Gesicht oder vielleicht doch die Brust? Ist der erste Anhaltspunkt gefunden, findet sich die Form schnell zu den schablonenartigen Umrissen eines weiblichen Körpers. Die Frau liegt auf dem Rücken, die Beine angewinkelt, den Kopf nach hinten gestreckt. Sie scheint vor den bunten Farbflächen zu schweben und doch wiederholt sich in ihrem Körper die Bewegung der Flächen schräg zur Seite. Einmal entdeckt, kann man sie nicht mehr nicht sehen. Sie erwidert unseren Blick allerdings nicht.

Twiggy

Twiggy

Werner Berges

1979/2005

Marker und Folie auf Papier

Auf den ersten Blick sind Ausschnitte zweier weiblicher Gesichtszüge erkennbar. Den Betrachter schaut ein leicht traurig, melancholisch dreinblickendes Frauengesicht an. Aber bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich allem Anschein nach um eine Spiegelung oder Reflexion handelt. Das rechte Gesicht lehnt vermutlich gegen einen Spiegel oder beispielsweise eine Fensterscheibe, wodurch dieser Effekt hervorgerufen wird. Zu sehen ist keine realistische Darstellung einer wohl jungen Frau. Der Künstler führt ihre Umrisslinien mit klaren Konturen nur schematisch aus.

Ohne Titel

Ohne Titel

Werner Berges

2003

Aquarell, Collage und Radierung

Schauen sie sich nicht nur dieses Werk an, sondern das sehr ähnlich gestaltete Werk Werner Berges oberhalb/unterhalb der Treppe. In den collageartigen Kompositionen des Künstlers beginnt man sofort nach Formen und Elementen zu suchen, die dem menschlichen Auge bekannt sind. Schaut man genauer hin, erkennt man Frauenkörper. Es sind aber Abstraktionen dieser. Die weiblichen Silhouetten sind allesamt in Bewegung, sie scheinen sich fortzubewegen, sie laufen. Welche Gemeinsamkeiten haben die beiden Werke? Gibt es Unterschiede? 

Ohne Titel

Werner Berges

2004

Collage

Ohne Titel

Ohne Titel

Erich Reusch

2016

Acryl auf Leinwand

 

Erich Reusch beschäftigt sich in seinen Werken mit dem Raum. Kann man das an diesem Werk erkennen? Wenn ja, durch welche Strategien? Bilder werden häufig als offenes Fenster verstanden, durch die man einen Ausblick hat. Können Sie das an diesem Werk nachvollziehen? Im Bild gibt es so etwas wie einen Horizont an der Grenze der orangenen Fläche zur weißen Fläche. Wäre die orangene Fläche nicht orange, sondern grün, würde die Horizontlinie eine hügelige Landschaft vermitteln. Irritierend ist aber der vertikale weiße Streifen am rechten Bildrand und die schwarzen und weißen Spritzer auf der Bildfläche. Aber vielleicht entsteht gerade dadurch zusätzliche Räumlichkeit. Der weiße Streifen markiert ein Hindernis zwischen dem Betrachter und der Horizontlinie, schafft also eine weitere Ebene, die Spritzer markieren eine zusätzlich Ebene. So schafft Erich Reusch mit einfachen Strategien ein Angebot zur räumlichen Wahrnehmung.

Home by the sea

Home by the sea

Rainer Schmelzeisen

ohne Datierung

Lentikularfolie auf Leuchtkasten

 

Kennen Sie diese Wackelbilder? Aus der einen Richtung sieht man ein Bild, aus der anderen ein anderes und dazwischen ist eine seltsame Kombination der beiden Bilder zu erkennen. Ein Medium, in dem es scheinbar nur entweder oder gibt, lässt Zwischenzustände zu. Es gibt zwei Versionen der Wasserfläche, die das Bild zeigt. In der einen leuchtet das Wasser im Sonnenlicht, in der anderen liegt es im Dunklen. In der einen leuchten die Wolken am Himmel im Abend- oder Morgenrot, in der anderen erstrecken sich die Worte Home by the sea, Zuhause am Meer, über den Himmel. Aber es gibt kaum eine Position, aus der man auf der gesamten Fläche des Bildes nur eines der Bilder sieht. Man sieht nicht in einem Modus des entweder – oder, sondern Überlagerungen, Zwischenzustände.

Anett-M. (Emma)

Anett-M. (Emma)

Werner Berges

2009

Holzschnitt auf Papier

 

In einer leichten Untersicht sieht man in das Gesicht einer jungen Frau mit langen Haaren. Sie erscheint in sich versunken und legt nachdenklich ihre linke Hand an die Stirn. Werner Berges gestaltet das Portrait der Anett-M. (Emma) in kontrastreichen flächigen schwarz-weiß Partien und wiederholt das gleiche Motiv noch einmal abgegrenzt von einem breiten, weißen Rahmen in der linken unteren Ecke in dunkelgrün-schwarz. Regt das Kunstwerk bzw. die junge Frau Sie zum Nachdenken an? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wer entschieden hat, dass diese Kunst hier hängt?

Ohne Titel

Ohne Titel

Antonio Calderara

1971

Siebdruck
Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Dieses Werk ist Ausdruck von Ruhe und Klarheit. Verhältnismäßig kleine, weiß-graue Quadrate verteilen sich gleichmäßig auf einer hellgelben, ebenfalls quadratischen Fläche. Es gibt keine Gegenstände im Bild und auch keine ins Auge fallenden Kontraste. Das Bild erzählt weder eine Geschichte, noch bezieht es sich auf etwas außerhalb seines selbst. Es zeigt vielmehr die bestehende Realität, die aus den ersichtlichen Bestandteilen des Bildes besteht – der hellgelben Farbe und der geometrischen Form.
Die Farben, die Antonio Calderara in diesem Siebdruck nutzt, sind im Anbetracht des Gesamtwerkes des Künstlers nicht ungewöhnlich. Vor allem die Farbe Gelb, die hier in einem eher gedämpften Ton erscheint, ist in vielen Werken Calderaras zu finden, vermutlich weil Erfahrungen von Licht ein wesentliches Thema seiner Malerei sind.

Ohne Titel

Ohne Titel

Walter Leblanc

1971

Siebdruck
Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Beinah wäre man vorbei gegangen. Das Silber hebt sich kaum vom Untergrund ab und trotzdem hat man vielleicht das Glänzen oder die Reflexion wahrgenommen und betrachtet nun dieses Werk. Eine Art Welle, die mit ihren zunächst größer und dann wieder kleiner werdenden Amplituden in ihrem Umriss einen Bogen ergibt. Das enge Auf und Ab ergibt eine Vibration, die sich im Glanz des Materials fortzutragen scheint. Erinnert Sie das an etwas? Vielleicht an eine Wasseroberfläche oder ein Windspiel? Leblanc arbeitet viel mit Bewegung, insbesondere mit Torsionen, also In-Sich-Verdrehtem. Könnte man sich hier auch so eine Windung vorstellen?

Ohne Titel

Ohne Titel

Paul Talman

1971

Fotolichtdruck
Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Die glamourös farbigen, dreidimensional erscheinenden Kugeln sind in einem regelmäßigen Raster angeordnet. In dieser seriellen Komposition sind sie in unterschiedlicher Art und Weise teilweise mit Farbe versehen. Erkennen Sie ein System dahinter? Was interessiert den Künstler Paul Talman daran? Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden alle Kugeln in eine bestimmte Richtung weiterdrehen. Was würde passieren?

Rot-Grün-Vibration

Rot-Grün-Vibration

Kuno Gonschior

1971

Siebdruck
Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Vor einem stechend rot-orangen Hintergrund heben sich gelbe, unterschiedlich große Kreise ab. Wie unterscheiden sich die Kreise in ihrer Größe? Erkennen Sie ein System oder Regelmäßigkeit in der Anordnung der Punkte? Kommen alle Kreise gleich oft vor? Kuno Gonschior interessiert sich bei den seriell gesetzten Farbpunkten u.a. für die Wirkung der Farbe. Wie wirkt dieses Bild auf Sie? Schauen Sie es sich einmal von der Nähe an. Dann treten Sie soweit wie möglich zurück. Merken Sie einen Unterschied?

Ohne Titel

Ohne Titel

Ad Dekkers

1971

Siebdruck
Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Was beim Betrachten dieses Siebdruckes als erstes auffällt, sind vier Geraden, die jeweils eine unterschiedliche Länge aufweisen. Erwecken diese Linien bei Ihnen auch den Eindruck, als wollten sie sich in der Mitte treffen? Wenn dies geschähe, so würden aus vier Linien nur noch zwei werden. Diese würden sowohl ein Kreuz als auch vier Quadrate bilden, die ihrerseits in einem Quadrat beginnen würden. Doch sie treffen sich nicht, vielmehr verkürzt sich die Linie wiederholend gegen den Uhrzeigersinn, jeweils um eine Einheit. Geht man den Linien im Uhrzeigersinn nach, so wächst die Linie jeweils in Viertelschritten von der Bildkante aus.
Während Dekkers sich in seinen Studienjahren den Darstellungen von Landschaften und Stillleben widmete, wendete er sich ab den 1960er Jahren immer mehr von der nachahmenden, illusionistischen Malerei ab. Sein Interesse richtete  sich nun auf die geometrischen Grundformen sowie deren Positionierung auf der Bildoberfläche. So reduzierte er auch in diesem Werk die Gestaltung auf nur ein Element und lässt den Betrachter zum einen über die Linie im Bild und zum anderen über Tatsächliches und Mögliches nachdenken.

Ohne Titel

Ohne Titel

Herman de Vries

1971

Prägedruck
Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Die Grafik von Herman de Vries zeigt nichts außer ein auf das weiße Papier geprägtes Raster. Für den niederländischen Künstler, der heute in der oberfränkischen Provinz lebt und arbeitet, sind solche Arbeiten seit den 1950er Jahren nicht ungewöhnlich. Hierbei handelt es sich um ein so genanntes Flachrelief, das sich aus horizontalen und vertikalen Linien, die jeweils in unterschiedlichen Abständen zueinander positioniert sind, herausbildet. Für den Künstler ist bei der Erschaffung solcher Kunstwerke vor allem von Bedeutung, dass alles Subjektive so wenig wie möglich präsent ist. Seine Kunst soll vor allem eines sein – konkret. Dies bedeutet, dass in dem Kunstwerk auf nichts verwiesen wird, das außerhalb des Bildes liegt. Wie wirkt auf Sie die Farbe Weiß in diesem Werk? Erkennen Sie ein klares System in dem Raster oder wirken die Linien auf Sie, als seien diese zufällig ins Bild gesetzt? Was wäre, wenn die Linien nicht im Prägedruck entstanden, sondern auf dem Papier gezeichnet wären? Haben Sie den Eindruck einer Leere im Bild?

Ohne Titel

Ohne Titel

Jan J. Schoonhoven

1971

Prägedruck

Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Einhundertsiebzig gleichgroße Felder sind in dieser Arbeit des niederländischen Künstlers Jan J. Schoonhoven zu sehen. Diese Vierecke sind weder gemalt, noch handelt es sich hierbei um ein ausgeprägtes Relief. Die Suche nach einer gezeichneten Linie oder nach Farbe ist vergeblich. Malerei ist es nicht! Die horizontalen und die vertikalen Linien, die das weiße Papier in Felder unterteilen, sind im Prägeverfahren gedruckt. Jan J. Schoonhoven ordnet seine Elemente so an, dass sie zwar über-, unter-, und nebeneinander liegen, aber dennoch keine hierarchische Ordnung aufweisen. Dem Künstler ist es wichtig, dass jedes geprägte Feld als ein einzelnes, für sich stehendes Element wahrgenommen werden kann. Gleichzeitig wirken die Felder in ihrer Gesamtheit, denn zusammen bilden sie ein größeres Ganzes. Versuchen Sie doch mal dieses Kunstwerk in Ihren Gedanken um 90 Grad zu drehen. Und dann um 180 Grad. Kommen die einzelnen Felder in Ihrer Vorstellung auch in ihrer gedrehten Form zur Geltung? Wirkt die entstehenden Bilder immer noch dynamisch? Was hat die Drehung verändert?

Ohne Titel

Gerhard von Graevenitz

1971

Siebdruck

Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Der Siebdruck von Gerhardt von Graevenitz besteht aus zwei einfachen Komponenten: einem schwarzen Hintergrund und oftmals unvollendeten Kreisen. Gewöhnlicherweise ist der Kreis eine in sich geschlossene geometrische Form. In diesem Siebdruck öffnet von Graevenitz den Kreis und legt diesen mehrfach übereinander. Gerade diese Öffnung sowie die vielfache Wiederholung erzeugen eine Dynamik im Bild – eine visuelle Bewegung, die an einen Tanz erinnert. Die Elemente liegen nicht nur nur übereinander, sie überlappen sich, sie verbinden sich, sie gehen ineinander über.

Die Ziele des Künstlers sind das Hervorbringen einer visuellen Bewegung im Bild sowie die Herausforderung der Wahrnehmung der Betrachter. Hierfür nutzt er in seinen Werken den Zufall und die Wiederholung, wie in dieser Grafik das Element des Kreises. Die Drehung, die Positionierung und die Öffnung des Kreises sind stets verschieden. Diese sind nicht kontrolliert und entsprechen keinem bestimmten System: die Ordnung der Elemente auf der Bildoberfläche überlässt der Künstler dem Zufall.

Ohne Titel

Ohne Titel

Ludwig Wilding

1971

Siebdruck

Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Die schwarz-weiße Komposition aus unterschiedlichen Linien bildet einen Raum, der sich nach innen zu öffnen scheint und zwei Ebenen – vorne und hinten – hervortreten lässt. Gerade und gebogene Linien tragen die symmetrische Bildstruktur. Durch wechselnde Überlagerungen erzeugt Ludwig Wilding optische Irritationen – eine Art Flirren – im Auge der Betrachtenden. Die beabsichtigte sinnliche Wahrnehmung und Erfahrung entsteht allerdings erst durch das eigene Aktivwerden.

KS33

KS33

Wolfgang Ludwig

1971

Siebdruck

Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Wolfgang Ludwig ordnet schwarze und weiße Streifen kreisförmig in die Mitte zulaufend an. Diese bilden dort einen erneuten Kreis, der, im Gegensatz zu seinem entsprechend äußerem Anfang, keine äußere Begrenzungslinie aufweist. Sehen Sie hier Kunst in einem öffentlichen Raum? Ist diese Kunst jedem zugänglich? Könnten Sie dieses Werk auch anderswo sehen? Eine Frage, die den Künstler immer wieder beschäftigt, ist, wie man Farbe in Bewegung setzt. Was meinen Sie, ist ihm dies gelungen?

Ohne Titel

Ohne Titel

François Morellet

1971

Siebdruck

Aus der Mappe Neue Konkrete Kunst

 

Mit elementaren Gestaltungsmittel - einer mehrfach wiederholten, feinen, weißen Linie erzeugt François Morellet eine gitterähnliche Struktur auf einem schwarzen Grund. Die Art, wie der Künstler die Gitter positioniert, sie übereinanderlegt und miteinander verschmelzen lässt, erzeugt einen Raum im Bild. Dieser Raum kann grundsätzlich immer weiter ausgedehnt werden, denn die Linien lassen sich in alle Richtungen fortdenken. Finden Sie auch, dass Teile des Bildes zu pulsieren scheinen? Versuchen Sie doch ihre Aufmerksamkeit nur auf das Zentrum des Bildes zu konzentrieren. Verändert sich dadurch Ihre Sehempfindung?

François Morellet interessierte sich zeitlebens für visuelle und intellektuelle Irritationen. Nichtsdestotrotz bleiben seine Werke, darunter auch dieser Siebdruck, stets klar und in ihrem Aufbau nachvollziehbar. Dies ist vor allem der systematischen Arbeitsweise des Künstlers geschuldet, dessen Ziel es war, das Subjektive in der Kunst auf das Minimum zu reduzieren.

Berliner Rot 1

Berliner Rot 1

Rupprecht Geiger

2005

Siebdruck

 

Das Verhältnis von Farbe und Form ist das zentrale Thema dieses Siebdrucks von Rupprecht Geiger. Wie wirkt hier das Rot, wenn es in Form eines Kreises erscheint? Leuchtet das Gelb stärker, weil ein Teil des Rechtecks von einem leuchtenden roten Kreis verdeckt wird? Was passiert, wenn man sich das Bild eine längere Zeit ansieht? Wie wirken die geometrischen Formen und vor allem die Farben, wenn sie vertauscht werden?

 

Berliner Rot 2

Berliner Rot 2

Rupprecht Geiger

2005

Siebdruck

Ohne Titel

Ohne Titel

François Morellet

2000

Radierung

 

Denken Sie an Mathematik, wenn Sie diese Arbeit von François Morellet anschauen? Dieses Kunstwerk ist, wie die meisten Werke des Künstlers, auf wenige Linien reduziert. Es sind drei rechte Winkel zu sehen. Diese sind offensichtlich einem Quadrat entsprungen, das in drei unterschiedlich große Teile zerlegt und auf die Bildoberfläche gebracht wurde. In dieser Form kann es durchaus irritieren. Löst dieses Werk in Ihnen den Wunsch aus, die Teile im Kopf wie ein Puzzle wieder zusammenzufügen? Was macht das Bild mit Ihnen?

Ohne Titel

Ohne Titel

Gotthard Graubner

2000

Radierung

 

Mit nur zwei Farben erzeugt Gotthard Graubner diesen Druck. Schwarz und Bordeauxrot überlagern sich gegenseitig und erzeugen so ein Spiel der Farbnuancen. An den Rändern und im Zentrum der Farbfläche überwiegt der Rotton, während sich dazwischen ein Bereich befindet, in dem der Schwarzanteil deutlich überwiegt. Am Rand schließt die Farbfläche nicht scharf ab, sondern sie fasert aus und geht in Sprenkel über. Der Farbeindruck kann verschiedene Assoziationen auslösen – den Eindruck einer schwachen Lichtquelle vielleicht oder das Licht, was durch sehr dunkle Vorhänge dringt. Trotz dieser und anderer möglicher Assoziationen zeigt das Bild keine Gegenstände, sondern nur einen Farbeindruck. Welche Assoziationen zum Bild entstehen bei Ihnen, wenn Sie das Bild länger betrachten? Dabei ist alles erlaubt – Bilder, Gefühle, Situationen, etc. Kann ein Bild wie dieses die Auseinandersetzung mit den assoziierten Elementen fördern?

Ohne Titel

Ohne Titel

Günther Uecker

2000

Lithographie

 

Die expressiven schwarzen Linien sowie die klecksartigen Kreise, die diese Lithografie bestimmen, könnten zunächst an einen dicht bewachsenen Wald erinnern. Was fällt Ihnen als erstes auf, wenn Sie dieses Kunstwerk von Günther Uecker ansehen? Fallen Ihnen auch die auf der Bildoberfläche zerstreuten Nägel auf? Hat der Künstler Nägel in Farbe getaucht und diese dann auf das Papier übertragen oder malte er die geraden Linien und ergänzte sie anschließend um Nagelköpfe?
Diese unten zugespitzten Metallstifte finden sich nicht nur in diesem Werk des Künstlers wieder. Günther Uecker hämmert tausende von Nägel in verschiedenste Alltagsobjekte ein und erzeugt auf diese Weise einzigartige Kunstobjekte. Auch nutzt er sie für die Erschaffung von dynamischen Nagelreliefs, indem er sie auf verschiedenen Untergründen anordnet - mal im Kreis, mal spiralförmig oder auch in Form eines Rasters über seinem eigenen Selbstporträt. An was denken Sie zuerst, wenn Sie über Nägel als Objekte nachdenken? Denken Sie an Gewalt, mit der sie eingeschlagen werden oder an eine Verbindung von zwei Teilen, die durch Nägel zusammengehalten werden?

Universitätsbibliothek Helsinki

Universitätsbibliothek Helsinki

Candida Höfer

2001

Fotografie (C-Print)

 

Haben Sie direkt erkannt, dass es sich hierbei um eine Universitätsbibliothek handelt, oder gab der Titel Aufschluss? Bibliotheken erfreuen sich heutzutage zwar nicht gerade eines steigenden Publikums, allerdings erscheint diese, insbesondere als Universitätsbibliothek, doch schon sehr menschenleer. Würden Sie diesen Ort so betreten wollen? Wie würde sich das wohl anfühlen? Welche Wirkung hätte dieser Raum auf Sie?

Ohne Titel (Orchidee)

Ohne Titel (Orchidee)

Thomas Florschütz

2000/2001

Fotografie (Cibachrome)

 

Was alles könnte sichtbar werden, wenn die Distanz zwischen dem Blick und einer Orchideenblüte drastisch verringert wird? Der zeitgenössische Fotograf und Künstler Thomas Florschuetz gibt uns mit dieser Aufnahme die Möglichkeit, die Schönheit der Detailstrukturen aus einer ungewöhnlichen Nähe wahrzunehmen. Es wird sichtbar, dass die fast durchsichtigen Blütenblätter dieser exotischen Pflanze in ihrer Erscheinung äußerst komplex sind. Durch die starke Vergrößerung der Blume erscheinen die Übergänge des Violetts zunächst fließend, doch bringt der Blickwinkel, aus dem die Fotografie aufgenommen wurde, auch die Vielfalt der Farben zum Vorschein. Die Wahl des Bildausschnittes erlaubt es, in der Struktur der zarten Blüten einen Wechsel von einer glatten und samtigen Oberfläche in eine geschwungene, beinahe krause Blütenkante zu beobachten. Thomas Florschuetz verkürzt die Distanz nicht der Naturwissenschaft wegen, vielmehr dient dieser Blick der Wahrnehmung des zunächst Nicht-Sichtbaren.

Compositio

Compositio

Piero Dorazio

1974-1976

Aquatinta

 

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie Licht und Schatten den Eindruck von Farben verändern? Dorazio beschäftigte sich zeit seines Lebens mit der Beziehung zwischen Licht und Schatten. Dabei bildet sich für ihn dieses Zusammenspiel aus einzelnen Streifen und Punkten in rhythmischer Abfolge. Für die Darstellung von Licht und Schatten im Bild genügt Dorazio nicht hell und dunkel oder schwarz und weiß. Stattdessen hat die Helligkeit des Lichtes einen Einfluss auf die Wirkung der Farbe. Diese Überlegungen liegen auch diesen drei Drucken zugrunde. Sie bestehen aus scharf abgrenzbaren Farbflächen, wie auch der Übergang zwischen Licht und Schatten scharf abgrenzbar ist. Die einzelnen Farbflächen und unbedruckte Stellen weißen Papiers wechseln sich rhythmisch ab. Wie sich Schatten überlagern können und so mehrere Grade von Dunkelheit bilden können oder Lichtquellen den Schatten aufhellen können, gibt es auch hier die Möglichkeit zur Überlagerung, zu verschiedenen Farbwerten.

 

 

Pro Avibus

Pro Avibus

Piero Dorazio

1974

Aquatinta

MOMA, stato definitivo

MOMA, stato definitivo

Piero Dorazio

1970-1971

Aquatinta

Ruhrland I - Die Menschen

Acht Fotografien (1952 - 1992)

Rudolf Holtappel

2010

Fotografie

 

Hier handelt es sich um eine Fotomappe mit acht unter dem Titel „Die Menschen“ zusammengeführten Fotografien. Läuft man nun die Reihe ab, ergibt sich vielleicht ein Gesamteindruck. Der ein oder andere mag das Ruhrgebiet vielleicht auf den ersten Blick erkennen und auch, dass es sich bei den Aufnahmen nicht um aktuelle Szenen des Alltags handelt. Den Backsteinmauern, Zechen und Hütten steht das alltägliche Treiben gegenüber. Man gewinnt einen kleinen Einblick in die Leben und Geschichten der abgebildeten Menschen. Bestätigen diese Bilder ihr inneres Bild vom Ruhrpott der 1950er bis 1970er Jahre oder finden Sie etwas überraschend Neues in ihnen?

Couleurs légères

Couleurs légères

Thomas Bechinger

2018

Wandmalerei

 

Das Wandbild ist durch die Farben Rostbraun und Rosa sowie das Quadrat als Grundmotiv bestimmt. Dabei gibt es allerdings keine perfekten Quadrate: Die Farbflächen sind nicht einheitlich gestaltet, die Umrisslinien sind nicht scharf, einige Quadrate bleiben unvollständig und die Farbe bildet Nasen. Aber es lässt sich im Bild eine Art Entwicklung erkennen: Im linken Bereich dominiert der rostrote Farbton, im rechten Bereich das Rosa. Im rechten Bereich wird das Rosa außerdem dichter. Während im linken Bereich die Wand durchscheint, deckt die Farbe hier vollständig. Im Bild gibt es also zentrale Motive, die der Künstler bewusst eingesetzt hat: Die Variation um das Quadrat, die Wahl der Farben und deren Einsatz, die unterschiedliche Verwendung der Elementen in den verschiedenen Bereichen des Bildes. Können Sie nachvollziehen, was diese Motive bewirken und wie sich das Bild verändern würde, wenn einzelne Motive verändert würden?