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Nicht bösartige hämatologische Erkrankungen

Anämie

Unter Anämie („Blutarmut“) wird eine Verminderung der Anzahl der Erythrozyten (roten Blutkörperchen), eine Verminderung des Hämoglobins (roter Blutfarbstoff) bzw. eine Verminderung des Hämatokrits (Anteil der zellulären Elemente am Blutvolumen) verstanden. Eine der gebräuchlichsten Einteilungen der Anämien beruht auf der Größe und dem Hämoglobingehalt der Erythrozyten.

Ursachen

Da eine Anämie immer ein Symptom einer Erkrankung darstellt, muss nach der Diagnose die Suche nach der Ursache durchgeführt werden. Anhand der oben erwähnten Merkmale lassen sich mögliche Ursachen verschiedener Anämieformen zuordnen und entsprechend eine gezielte Diagnostik durchführen. Mögliche Auslöser sind z.B. eine Störung der Bildung der Erythrozyten im Knochenmark, ein vermehrter Abbau oder ein Blutverlust durch eine akute Blutung.

Die häufigste Anämieform ist die Eisenmangelanämie, die v.a. durch einen chronischen Blutverlust hervorgerufen wird. Sehr häufig ist diese Anämieform bei Frauen mit starker Regelblutung nachzuweisen.

Symptome

Die Symptome einer Anämie sind durch die verminderte Sauerstoff-Transportkapazität im Blut zu erklären. Häufige Symptome sind:

  • Müdigkeit
  • Abgeschlagenheit
  • Leistungsabfall
  • Schwäche
  • Kopfschmerzen
  • Konzentrationsstörungen
  • Herzklopfen
  • Atemnot insbesondere bei Belastung
  • Blässe der Haut
  • Einrisse der Mundwinkel (Rhagaden)
  • Störungen des Nagelwachstums

Diagnose

Sollten zusätzlich zu einer Anämie noch weitere Veränderungen des Blutbildes vorhanden sein, muss auch an eine hämatologische Systemerkrankung gedacht werden und eine dementsprechende Abklärung erfolgen. Seltene Anämieformen bedürfen einer eingehenden Spezialdiagnostik, welche in unseren Labors durchgeführt werden kann.

Therapie

Die Therapie einer Anämie richtet sich nach deren Ursache: bei einer chronischen Blutung sollte die Ursache behoben werden und zusätzlich die Gabe von Eisenpräparaten über einen längeren Zeitraum erfolgen. Falls ein Vitaminmangel die Anämie bedingt hat, kann die Gabe von Vitaminpräparaten zur Besserung führen. Nach Durchführung einer Chemotherapie tritt im Verlauf häufig eine Anämie auf, die durch die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten behoben werden kann. Weitere Therapieoptionen werden je nach Ursache der Anämie eingesetzt.

Thrombozytopenie

Bei einer Thrombozytopenie oder Thrombopenie handelt es sich um eine Verminderung der Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) auf < 150.000/µl im Blut. Dadurch erhöht sich das Risiko für Blutungsereignisse, die jedoch in der Regel erst ab dem Unterschreiten eines Grenzwertes von ca. 20.000/µl auftreten.

Ursachen:

Die Ursachen einer Thrombopenie lassen sich in drei verschiedene Kategorien einteilen: Störung der Thrombozytenbildung, Umverteilung eines großen Teils der Thrombozyten in die Milz (Sequestration) oder beschleunigter Verbrauch von Thrombozyten. Da jedem dieser Mechanismen unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen können, kann letztlich eine Vielzahl von Störungen zu einer Thrombopenie führen. Mögliche Ursachen sind z.B. Infekte, Vitaminmangel, Tumorerkrankungen, Alkoholmissbrauch, genetische Veranlagungen, künstliche Herzklappen oder die Einnahme von Medikamenten.

Symptome

Symptome können sich anhand des Auftretens von Blutungen unterschiedlicher Lokalisation zeigen:

  • Punktförmige Einblutungen in die Haut oder Schleimhäute
  • Verstärkung der normalen Menstruation
  • Starkes Nasenbluten.

Diagnose:

Nach einem ausführlichen Arztgespräch und einer gründlichen körperlichen Untersuchung werden verschiedene Bluttests durchgeführt. Darüberhinaus kann eine Sonographie (Ultraschall) des Bauches durchgeführt werden. Falls sich dadurch die Ursache nicht weiter eingrenzen lässt, ist gegebenenfalls eine Knochenmarkpunktion notwendig. Je nach Ergebnis der Untersuchungen schließen sich gegebenenfalls weitere diagnostische Schritte an.

Therapie:

Die Therapie der Thrombopenie ist abhängig von der Ursache der Störung, zugrunde liegende Erkrankungen bedürfen der Behandlung. Medikamente, die die Zusammenballung der Blutplättchen verhindern (z.B. Aspirin), sollten in dieser Situation nicht eingenommen werden, um das Blutungsrisiko nicht noch weiter zu erhöhen. Bei Patienten mit einer Tumorerkrankung kommt es im Verlauf der Chemotherapie häufig zu einer Thrombopenie, die sich durch die Transfusion von Blutplättchen korrigieren lässt.

Thrombosen, Embolien und Thrombophilie

Unter einer Thrombose versteht man den Verschluss eines Gefäßes durch ein Blutgerinnsel, wobei das Gefäß eine Vene oder eine Arterie sein kann. Typische Beispiele eines arteriellen Verschlusses sind der Herzinfarkt und der Schlaganfall, für das venöse Gefäßsystem ist die Beinvenenthrombose ein typisches Beispiel. Die Behandlung der arteriellen Thrombosen erfolgt durch die jeweiligen Fachdisziplinen (z.B. Kardiologie, Neurologie).

Eine Embolie ist ein Verschluss von Gefäßen durch Material, welches sich aus einem Blutgerinnsel gelöst hat. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Lungenembolie, welche meistens durch losgelöstes Thrombusmaterial aus einer bestehenden Beinvenenthrombose verursacht wird und zu einem Verschluss von Lungenarterien führt.

Venöse Thrombembolien sind häufige Ereignisse, die insbesondere mit zunehmendem Lebensalter eine deutliche Zunahme aufweisen. Zu den thrombembolischen Erkrankungen gehören u.a. die Beinvenenthrombosen und/oder Lungenembolien, aber auch oberflächliche Thrombosen (sog. Thrombophlebitiden) und Thrombosen innerer Organe.

Ursachen:

Die Ursachen von venösen Thrombosen sind vielfältig. Unterschieden wird zwischen sog. idiopathischen Thrombosen, die ohne fassbaren Auslöser auftreten, und Thrombosen, die aufgrund eines fassbaren  Auslösers entstehen. Als Auslöser kann z.B. eine Immobilisation nach einer Operation, eine Schwangerschaft oder die Einnahme der Pille fungieren. Aber auch im Rahmen von bösartigen Erkrankungen ist eine Zunahme der Häufigkeit von Thrombosen zu verzeichnen.

Die Neigung zu Thrombosen kann sich auf Grund von Veränderungen im Gerinnungssystem erhöhen, wobei diese angeboren oder erworben sein können. Liegen solche Veränderungen vor, spricht man von Thrombophilie. Beispiele hierfür sind: APC-Resistenz auf Grund einer Faktor 5 Mutation, eine Faktor 2 Mutation, Mangel an Protein C oder Protein S, Antithrombin Mangel, persistierender erhöhter Faktor VIII, Nachweis eines Lupus-Antikoagulans und/oder Nachweis von Phospholipid-Antikörpern.

Am häufigsten werden bei Patienten mit Thrombosen eine Faktor 5 Mutation und eine Faktor 2 Mutation gefunden, wobei sich das Risiko, insbesondere bei heterozygoter (nur ein Gen betreffender) Mutation, nur gering erhöht. Sind beide Gene betroffen (sog. homozygote Mutation) steigt das Risiko allerdings an, insbesondere in Kombination mit weiteren Faktoren. Ein deutlich höheres Risiko haben Personen mit einem Antithrombin (AT III) Mangel, einem Protein C Mangel und Phospholipid-Antikörpern, wobei ein angeborener Antithrombin und Protein C Mangel sehr selten vorkommen. Bezüglich der Notwendigkeit und insbesondere Sinnhaftigkeit der Bestimmung dieser Faktoren wird auf das Kapitel Umfelddiagnostik verwiesen. 

Diagnose:

Die Diagnose einer Beinvenenthrombose beruht auf der Anamnese (z.B. Vorliegen von Risikofaktoren), der klinischen Symptomatik, der Bestimmung der D-Dimere und Durchführung einer Bildgebung. Die klinische Symptomatik einer Beinvenenthrombose kann von uncharakteristischen Symptomen (z.B. „Muskelkater“) bis hin zu einseitiger Schwellung und Schmerzen variieren.

Aufgrund der Symptomatik kann letztlich weder eine Thrombose ausgeschlossen noch mit Sicherheit diagnostiziert werden. Bei uncharakteristischer Symptomatik sollte eine Bestimmung der D-Dimere erfolgen. D-Dimere sind Produkte, die beim Auflösen eines Gerinnsels im Blut entstehen und im Labor mittels verschiedener Tests nachgewiesen werden können. Da D-Dimere allerdings auch im Rahmen anderer Ereignisse entstehen (z.B. nach Operationen, bei Infektionen, in der Schwangerschaft, bei Stress u.v.m.), ist der Nachweis von erhöhten D-Dimeren nicht gleichzusetzen mit dem Vorhandensein einer Thrombose. Falls die D-Dimere im Normbereich liegen, kann allerdings bei uncharakteristischer Symptomatik eine Thrombose weitgehend ausgeschlossen und auf weiterführende Diagnostik verzichtet werden. Andererseits kann bei typischer Symptomatik auf die Bestimmung von D-Dimeren verzichtet und sofort eine weiterführende Diagnostik durchgeführt werden. Als Standarddiagnostik wird heute die Kompressionsultraschalluntersuchung der Beinvenen angesehen. Eine Röntgenkontrastmitteldarstellung (Phlebographie) ist heute nur noch in Ausnahmefällen notwendig.

Umfelddiagnostik:

Die Abklärung auf das Vorliegen einer Thrombophilie kann bei akuter Thrombose, insbesondere wenn ein auslösendes Ereignis nachweisbar ist, verzichtet werden, da der Nachweis einer Thrombophilie keinen Einfluss auf die initiale Therapie und die Dauer einer Antikoagulation (Blutverdünnung) hat. Auch sind bei einer akuten Thrombose verschiedene thrombophile Marker verändert, sodass keine definitive Aussage getroffen werden kann, ob die nachgewiesene Veränderung angeboren ist oder im Rahmen der akuten Thrombose zu werten ist. Auch unter einer Antikoagulation mit Marcumar® ist eine komplette Thrombophiliediagnostik nicht durchführbar, da Marcumar® zu einer Veränderung von verschiedenen Gerinnungsfaktoren führt. Insgesamt wird die Bestimmung thrombophiler Faktoren zunehmend kritischer bewertet, sodass von einem generellen Screening auf Thrombophilie bei Auftreten einer Thrombose abgeraten wird und eine individuelle Beratung empfohlen wird.

Therapie:

Die Therapie einer Thrombose wird heute, wenn möglich, ambulant durchgeführt, wobei eine Bettruhe in der Regel nicht notwendig ist. Sie besteht in einer Kompressionstherapie mittels Kompressionsstrümpfen sowie einer initialen Therapie mit einem niedermolekularen Heparin (NMH). Gleichzeitig kann mit der oralen Blutverdünnung mit Marcumar® begonnen werden, wobei hier die Wirksamkeit mittels INR-Bestimmung erfolgt. Bei Beinvenenthrombosen wird ein INR-Zielbereich von 2-3 angestrebt. Das NMH wird bei erreichen des Ziel-INR abgesetzt. Die Dauer der Antikoagulation hängt von verschieden Faktoren ab und kann von 6 Wochen bis lebenslang variieren. Eine besondere Situation liegt bei Patientinnen vor, die entweder während der Schwangerschaft eine Thrombose bekommen oder in der Vorgeschichte eine Thrombose oder Lungenembolie hatten. Hier muss eine individuelle Therapieentscheidung getroffen werden und es können keine generellen Therapieempfehlungen gemacht werden.

Aufgrund der zunehmenden Komplexität, insbesondere bezüglich der Dauer der Antikoagulation, der Wertigkeit thrombophiler Marker als auch dem Einsatz neuer Medikamente, sollte eine individuelle Beratung in der Sprechstunde einer Gerinnungsambulanz erfolgen.