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Gefäß- und Bindegewebserkrankungen

Das Marfan-Syndrom ist eine systemische Bindegewebserkrankung, die sich vor allem am Skelettsystem, am Gefäßsystem sowie am Auge manifestiert. Zu den Symptomen, die das Skelettsystem betreffen, zählen u.a. Veränderungen des Brustbeins in Form einer Kiel- oder Trichterbrust, eine Wirbelsäulenverkrümmung, Senkfüße, eine Gelenküberbeweglichkeit, ein vergrößertes Verhältnis von Armspanne zu Körperlänge, überlange Finger, ein hoher Gaumen und Zahnfehlstellungen. Am Herzen und am Gefäßsystem kann es zu Manifestationen in Form eines Mitralklappenprolaps, einer Erweiterung der Aorta ascendens mit oder ohne Aortenklappeninsuffizienz sowie bei Fortschreiten der Erkrankung auch zu einer Ruptur der Aorta ascendens kommen. Am Auge können eine Linsenluxation, eine starke Kurzsichtigkeit durch Verlängerung des Augapfels sowie eine Unterentwicklung der Regenbogenhaut und/oder des Ziliarmuskels auftreten. Betroffene weisen meist vermehrt Striae distensae und atrophische Narben auf. Auch Leistenbrüche und Spontanpneumothorax treten bei Patienten häufiger auf. Die Symptome eines Marfan-Syndroms können innerhalb einer Familie sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Vor allem im Hinblick auf die möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen der Erkrankung bei Manifestationen im Herz-Kreislauf-System ist eine engmaschige internistische Betreuung der Betroffenen erforderlich.

Das Marfan-Syndrom wird autosomal dominant vererbt. Gegenwärtig gelingt bei mehr als 70% der klinisch eindeutig Betroffenen der Nachweis einer krankheitsursächlichen Variante im FBN1-Gen. In einigen Fällen lassen sich pathogene Varianten in weiteren Genen wie z.B. dem TGFBR1- oder TGFBR2-Gen nachweisen.

Als thorakales Aortenaneurysma wird eine Erweiterung des im Brustraum gelegenen Teils der Aorta bezeichnet. Hierbei können verschiedene Gefäßabschnitte (Aortenwurzel, Aorta ascendens Aortenbogen oder Aorta descendens betroffen sein. Ein entscheidendes Kriterium zur Beurteilung eines Aneurysmatas ist der Durchmesser der Gefäßaussackung. Wird ein bestimmter Gefäßdurchmesser überschritten, kann es zum Einreißen der Gefäßwand (Dissektion) und in der Folge zu einer lebensgefährlichen inneren Blutung kommen. Die Diagnosestellung erfolgt durch den Nachweis der Gefäßerweiterung, welche im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) oder einer bildgebenden Diagnostik mittels Computer- (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erkannt werden kann. Hierbei übersteigt der gemessene Gefäßdurchmesser die Alters-, Geschlechts- und Gewichtsspezifischen Normwerte. Überschreitet das Aortenaneurysma einen bestimmten Durchmesser, wird in der Regel der betroffene Gefäßabschnitt operativ entfernt und durch eine Gefäßprothese ersetzt.

Der Entstehung eines Aortenaneurysmas können sowohl genetische als auch nicht genetische Ursachen zugrunde liegen. Kommt es bereits in jungem Lebensalter zur Aneurysmabildung bzw. treten innerhalb einer Familie gehäuft Aortenaneurysmata auf, besteht der Verdacht, dass der Aneurysmabildung eine genetische Ursache zugrunde liegt. Eine entsprechende familiäre Häufung findet sich nach heutigem Kenntnisstand bei ca. 20% der Betroffenen.

Die Erkrankung kann isoliert oder in Zusammenhang mit bestimmten erblichen Bindegewebserkrankungen wie dem Marfan- oder Loeys-Dietz Syndrom oder der vaskulären Form des Ehlers-Danlos-Syndroms auftreten.

In den meisten Fällen ist die Erkrankung autosomal-dominant erblich. Pathogen Varianten sind in einer Vielzahl von Genen beschrieben, welche zu thorakalen Aortenaneusymata im Rahmen von Bindegewebserkrankungen bzw. zu FTAAD führen. Eine ursächliche Erbgutveränderung wird nach aktueller Datenlage bei ca. 20-25% der Betroffenen mit V.a. FTAAD nachgewiesen.

Der Überbegriff Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) beschreibt eine heterogene Gruppe erblicher Bindegewebserkrankungen, denen eine Störung des Kollagenstoffwechsels zugrunde liegt. Zu den charakteristischen Symptomen zählen u.a. eine Überstreckbarkeit der Gelenke mit der Folge eines gehäuften Auftretens von Subluxationen oder Luxationen von Gelenken, eine Hyperelastizität der Haut, eine Störung der Wundheilung mit atropher Narbenbildung sowie die Neigung zu Hämatomen. Die Einteilung in verschiedene Subtypen erfolgt unter klinischen, biochemischen und molekularen Aspekten. Nach der revidierten internationalen Klassifikation von 2017 (Malfait et al. Am J Med Genet Part C Semin Med Genet 175C:8–26) lassen sich zwischenzeitlich 13 verschiedene Subtypen unterscheiden.

Der klassische Typ des EDS ist vor allem durch folgende klinisch-diagnostischen Kriterien charakterisiert: eine überdehnbare Haut, atrophische Hautnarben und überstreckbare Gelenke. Weitere diagnostische Zeichen sind molluskoide Tumoren, subkutane Sphäroide, Gelenkluxationen und -subluxationen, seltener eine Myopie, blaue Skleren, ein Mitralklappenprolaps, eine Aortenwurzeldilatation, Hernien, eine Divertikulosis und eine Muskelhypotonie in der Kindheit.

In der Mehrzahl der Fälle wird der klassische Typ des EDS autosomal-dominant vererbt. In etwa 35% der Fälle liegt die Ursache in pathogenen Varianten des COL5A1- und des COL5A2-Gens.

Das Ehlers-Danlos-Syndrom vom vaskulären Typ ist durch eine erhöhte Fragilität der Blutgefäße (insbesondere der Arterien), der Darmwand und der Gebärmutter gekennzeichnet. Weitere Merkmale sind dünne, durchscheinende Haut mit leichter Verletzbarkeit, Überbeweglichkeit der kleinen Gelenke, Krampfadern und Gesichtsauffälligkeiten. Das Ehlers-Danlos-Syndrom vom vaskulären Typ ist autosomal dominant erblich. Ursächlich sind pathogene Varianten im COL3A1-Gen.

Bei der Ektopia lentis und Ectopia lentis et pupillae handelt es sich um Erkrankungen, die mit einer Luxation der Linsen und z.T. auch der Pupillen einhergehen kann. Sekundäre Manifestationen an den Augen beinhalten u.a. Brechungsfehler, Glaukom, frühe Kataraktentwicklung und Netzhautablösung. Die Ausprägung der Erkrankung und des Schweregrades kann auch innerhalb einer Familie sehr variabel sein.

Bei den ADAMTSL4-assoziierten Augenerkrankungen handelt es sich um autosomal-rezessiv erbliche Erkrankungen. Ursächlich sind biallelische pathogene Varianten im ADAMTSL4-Gen.