Spezialsprechstunde Immunologische Enzephalopathien
Leitung: Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst
Immunologische Enzephalopathien gewinnen in der Psychiatrie zunehmend an Bedeutung (zum klinischen Schwerpunkt). Psychiatrische Erkrankungen, insbesondere dysexekutive (komplexe kognitive Symptome), schizophreniforme, depressive, bipolare und dementielle Störungsbilder, können durch autoimmune, entzündliche Hirnerkrankungen ausgelöst werden.
Bisher wurden solche sogenannten immunologischen Enzephalopathien primär als neurologische Erkrankungen angesehen, da sie oft mit neurologischen Symptomen wie Halbseitenlähmung etc. einhergehen. Zunehmend finden sich in Fallbeschreibungen aber auch Hinweise darauf, dass typische psychiatrische Krankheitsbilder resultieren können.
Pathophysiologisch wird unterschieden zwischen Antikörpern gegen neuronale Zelloberflächenantigene, intrazelluläre onkoneuronale Antigene oder Schilddrüsenautoantikörpern. Profitieren Patienten mit Hashimoto-Thyroiditis und psychiatrischer Symptomatik von einer Steroidbehandlung, dann sprechen wir von einer Steroid responsiven Enzephalopathie bei Autoimmunthyreoiditis (=SREAT).
Die Erkennung von immunologischen Enzephalopathien ist bedeutsam, da potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen vorliegen, oftmals eine Tumorassoziation besteht und da potentiell heilende immunsuppressive Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Für wen?
In der Spezialambulanz für Patienten mit immunologischen Enzephalopathien können sich Menschen vorstellen bzw. von niedergelassenen Ärzten überwiesen werden, bei denen die Frage nach einer immunologischen Genese einer psychiatrischen Symptomatik im Raum steht.
Und wie?
Wir bitten Sie alle Vorbefunde (Labor-/ Liquordiagnostik, EEG, MRT, FDG-PET) und Arztberichte mitzubringen. Zur klassischen Basisdiagnostik gehören laborchemische (Serum- und Liquordiagnostik) elektrophysiologische (EEG), strukturelle (MRT) und neuropsychologische Untersuchungen. Ggf. müssen neurometabolische Untersuchungen (FDG-PET, MR-Spektroskopie) ergänzt werden. In der Liquordiagnostik werden neben der Basisdiagnostik (Zellzahl, Schrankenfunktion, intrathekale Immunglobulinsynthese) insbesondere Autoantikörpern untersucht. Diese können gegen neuronale Zelloberflächenantigene (z.B. gegen die NMDAR, AMPA-1/2-R, GABA-B-R, VGKC-Komplex-Antikörper etc.), intrazelluläre onkoneuronale Antigene (z.B. Yo, Hu, Ri, Cv2/CRMP5, Ma1, Ma2, SOX1, GAD, Amphiphysin etc.) oder gegen Schilddrüsengewebe (Schilddrüsenautoantikörper TPO, TG, TRAK) gerichtet sei. Über die Diagnostik hinaus soll eine Beratung in Hinblick auf die therapeutischen Möglichkeiten erfolgen, ggf. ist eine stationäre Behandlung indiziert.
Was kann ich als Behandler tun?
Bei einem geringen, aber relevanten Teil der Patient mit psychotischen, affektiven oder kognitiven Symptomen liegt eine (potenziell behandelbare) immunvermittelte Hirnerkrankung zugrunde. Im unten verlinkten Fachartikel (The Neuropsychiatric Checklist for Autoimmune Psychosis, Tebartz van Elst et al., Biological Psychiatry 2025) wird eine praxisnahe Checkliste vorgestellt, die helfen soll, solche Verläufe frühzeitig zu erkennen.
NEPCAP checklist in English
NEPCAP Checkliste auf deutsch
Wann sollte ich an eine immunologische Ursache denken (red flags)?
- Subakuter Beginn (Tage bis wenige Wochen) von Psychose, Affektstörung oder kognitivem Abbau und rasche Progression der Symptome
- Neu aufgetretener schwerer Kopfschmerz oder klinisch signifikante Veränderung eines Kopfschmerzes
- Auffällige neurologische Symptome (z.B. Krampfanfälle, Bewegungsstörungen wie Katatonie oder Dyskinesien, Vigilanz- oder Sprachstörungen, Parästhesien oder fokalneurologische Defizite)
- Autonome Funktionsstörungen
- Auffällige Befunde in EEG, MRT oder Basislabor
- Hyponatriämie (nicht durch Nebenwirkungen von Medikamenten erklärt, z. B. SSRI, Carbamazepin und andere)
- Vorgeschichte mit Autoimmunerkrankungen, Tumoren oder kürzlichen Infektionen
- Unerwünschte Reaktion auf Antipsychotika, Vorliegen eines neuroleptischen malignen Syndroms oder Therapieresistenz
Was kann ich konkret tun?
- Bei entsprechender Konstellation an eine Autoimmunpsychose / autoimmune Enzephalitis denken
- Basisdiagnostik erweitern (Labor, EEG, MRT, Lumbalpunktion inkl. Antikörperdiagnostik im Liquor, ggf. FDG-PET)
- Ggf. Kontaktaufnahme mit unserer Spezialambulanz für immunologische Enzephalopathien
Die Neuropsychiatric Checklist kann helfen, bei psychiatrisch erkrankten Personen mögliche immunologische Ursachen frühzeitig zu erkennen und strukturiert zu erfassen. Sie soll dabei unterstützen, Verdachtsfälle für eine weiterführende Diagnostik und Vorstellung in spezialisierten Ambulanzen zu identifizieren – nicht, eine Autoimmunpsychose alleine „per Checkliste“ zu diagnostizieren. Sie ist kein validierter Diganosetest und ersetzt nicht die ärztliche Beurteilung. Viele Befunde (z. B. unspezifische Antikörper im Serum, leichte EEG- oder MRT-Auffälligkeiten) kommen auch bei anderen Erkrankungen oder sogar Gesunden vor und sind ohne Kontext nicht wegweisend für eine Autoimmunenzephalitis. Therapeutische Entscheidungen sollten daher immer aus der Gesamtschau von Klinik, Bildgebung, EEG, Labor und Verlauf getroffen werden – im Zweifel in Rücksprache mit spezialisierten Zentren.
Ansprechpartner
Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst (Leitung), Prof. Dr. Dominique Endres (Oberarzt), PD Dr. Kimon Runge (Funktionsoberarzt), Dr. Matthias Apweiler und Dr. Dr. Alexander Rupp
